Erinnern Sie sich noch an "Gossip Girl"? Bis 2012 wurde in der The CW-Produktion gezeigt, wie die frühreifen Teenager der New Yorker High Society ihren Alltag bestreiten. Die stets gleiche Antwort darauf wurden in beinahe jeder der insgesamt 121 Episoden immer und immer wieder gegeben: Mit Drogenmissbrauch, Sexeskapaden und jeder Menge Intrigen. Nach Teenie-Serien wie "Beverly Hills, 90210" oder auch "O.C. California" wurde hier schon eine gehörige Schippe Boshaftigkeit draufgelegt. Dennoch waren die Protagonisten von der Upper East Side nicht nur darauf aus, hinterhältige Pläne zu schmieden und die Leben ihrer Konkurrenten zu ruinieren. Tatsächlich herrschten auch viele Momente, die für das "Gossip Girl" schon beinahe zu harmonisch waren. Harmonie, die es in dem inoffiziellen Spin-Off "Clique" nicht gibt.

  

Das britische Drama spielt sich wie "Gossip Girl" an einer Eliteuniversität ab. Diesmal befinden wir uns jedoch in Edinburgh, der Hauptstadt Schottlands. Für Holly (dargestellt von Synnove Karlsen, die ihr großes Schauspieldebüt gibt) und Georgia (Aisling Franciosi, die in "Game of Thrones" bereits als junge Lyanna Stark zu sehen war) soll das Leben hier so richtig losgehen. Die jungen Erstsemestler, die mit elf Jahren zu besten Freundinnen wurden, haben sich viel zusammen vorgenommen. Angefangen damit, dass Kurse nur gemeinsam belegt werden. So kommt es auch dazu, dass sich Georgia mit zur Vorlesung von Professor Jude McDermid (Louise Brealey) schleppen lässt. Diese zeigt mit einer pulsierenden Einführungsrede schnell, dass sie keine typische Lehrkraft ist.

"Frauen stellen 51 Prozent der Bevölkerung Großbritanniens dar", beginnt sie energisch. "Sagt Hallo zu der Mehrheit und winkt ihr dann auch gleich wieder zum Abschied. Das ist nämlich die Einzige, die ihr bekommt." Die Leiterin des Mikroökonmie-Kurses lässt dann Zahlen folgen, die immer kleiner werden. "Nur 29% der im Parlament tätigen Menschen sind Frauen, nur 22% Professorinnen in einer Universität und gerade einmal 10% gehören zu den erfolgreichsten CEOs." Das Problem läge laut ihr nicht an Sexismus, wodurch das schwierige Thema #metoo bereits umgangen wurde. Laut ihr sind die Frauen selbst Schuld daran, nicht das zu erreichen, was Männer in einer größeren Zahl erreichen. "Ihr seid diejenigen, die auf Tumblr abhängen und ihr seid diejenigen, die sich über die Lohnlücke aufregen, anstatt an der eigenen Karriere zu arbeiten."

Dieser Monolog der wunderbaren Louise Brealey, die die meisten aus "Sherlock" und ihrer Rolle der Molly Hooper kennen dürften, ist der Dreh- und Angelpunkt der gesamten Serie. Sie setzt den Ton und die Segel für eine Geschichte, die genauso unlustig ist, wie die Ansprache selbst. Nein, "Clique" ist kein zweites "Gossip Girl". In der Tat ist das BBC-Drama das, was "Gossip Girl" sich nie getraut hat zu sein.

Um als Frau Erfolg zu haben, bietet McDermid einen Weg an, der sich als verheerend herausstellen soll. Sie kündigt an, dass die besten Mädchen aus ihrem Kurs ein Praktikum bei der mysteriösen Organisation Solasta bekommen können, die von ihrem Bruder geleitet wird. Passenderweise gehören die coolsten Frauen zu eben jenen, die bereits in den letzten Jahren ausgewählt wurden. Für Georgia ist schnell klar, dass sie auch da rein möchte. Zu ihrem Glück stellt sich schnell heraus, dass es nicht unbedingt um das eigene Können im Leersaal geht, sondern vielmehr darum, wie viele Shots man verträgt und wie engagiert man auf sozialen Veranstaltungen auftritt. Holly, die lieber Bücher gewälzt hätte, muss deswegen mit ansehen, wie sich ihre beste Freundin immer weiter von ihr entfernt.

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Doch die kaputtgehende Freundschaft ist nur ein Bruchstück von dem, was "Clique" zeigen möchte. Der Plot geht tief in verschiedene Ebenen, erzählt von Außenseiter-Mädchen, manipulativen und machtmissbrauchenden Menschen in höheren Positionen und dem großen Problem, welchen Weg eine Frau heutzutage gehen sollte, um das Richtige zu tun. Für den letzten Punkt begibt sich die von Jess Brittain entworfene Serie auf Messers Schneide. Denn so packend die Darsteller um Brealey ihre Standpunkte auch vertreten, sind gerade diese oft fragwürdig. Ob mit der Serie und dem Setting, das hier geboten wird, nicht einfach noch mehr Druck auf Frauen aufgebaut wird, oder eben doch ein gehöriger Motivationsschub verteilt, muss jeder für sich selbst entscheiden.

Sieht man "Clique" nicht als Produktion, die eine falsche Botschaft vermittelt, bietet sich dem Zuschauer eine packende Erzählung, die einmal mehr zeigt, dass es die Briten mit ihrem Dramatelling einfach drauf haben. Brittain hat bereits an "Skins" mitgeschrieben und in der Zwischenzeit nicht verlernt, was es heißt, verschiedenste Charakterkonstellationen aufeinander krachen zu lassen. Sie macht das Beste aus den Stereotypen, die in einer Teenie-Story zwangsläufig auftauchen müssen und verknüpft ihre nachvollziehbaren Entscheidungen mit Twists, die "Clique" unvorhersehbar machen. Von dieser Aussage ausgenommen sind jedoch die ersten drei Folgen. Hier agieren die Macher noch etwas zurückhaltender, weshalb klar ersichtlich ist, wer zu den Guten gehört, und wer zu den Bösen. Dadurch herrscht anfangs noch etwas weniger Dynamik.

Das sollte jedoch nicht davon abhalten, bis zum Staffelfinale durchzuhalten. Tatsächlich ist "Clique" eine der wenigen Serien, die mit zunehmender Laufzeit für verschwendetes Potenzial in den ersten Folgen entschädigt. Brittain ist außerdem ein großer Fan von Foreshadowing, weshalb es sich hier noch einmal mehr lohnt, auf kleine Details zu schauen. Dass sie eine noch größere Liebhaberin von Cliffhangern ist, zeigt dann die letzte Folge, die den Zuschauer fühlen lässt, wie sehr man sich auf eine bestätigte zweite Staffel freut.

Die erste Staffel von "Clique" ist ab heute jeden Montag um 22:30 Uhr auf One zu sehen. Diese Kritik erschien in ähnlicher Form bereits im Rahmen unseres Specials "Made in Europe".