Im Laufe der Jahre hat das Fernsehen schon viele Kuppelshows kommen und gehen sehen. Doch während es einst genügte, seinem "Herzblatt" drei Fragen zu stellen, muss es heute schon ein bisschen mehr sein. Eine Hofwoche zum Beispiel, ein "Dreamdate" vor der Nacht der Rosen oder ein ausgiebiges Abendessen bei Roland Trettl. Alternativ können die kuppelwilligen Kandidaten aber auch einfach bei einem Wildfremden ins Taxi steigen. Das Schreckensszenario, vor dem Muttern einst noch warnte, will Sat.1 neuerdings im Vorabendprogramm salonfähig machen.

"Nächste Ausfahrt Liebe" nennt sich der jüngste Versuch des Senders, sein gravierendes Vorabend-Problem in den Griff zu bekommen; eine deutsche Eigenentwicklung, die so aussieht, als hätten ihre Erfinder etwas zu häufig "Carpool Karaoke", "First Dates" und "Knight Rider" gesehen. In jeder Folge treffen sich drei Single-Paare im Auto – und ein sprechendes Navigationsgerät, genannt "Polly", mischt sich mit mehr oder weniger brisanten Fragen ein, um die aufgezwungene Fahrgemeinschaft miteinander vertraut zu machen, ehe am Ende die Entscheidung fällt: Traute Zweisamkeit oder Single-Rückfahrt im Taxi.


"Mit Vollgas in Richtung Liebesglück", tönt der Sprecher zu Beginn der Show und verspricht "sechs Singles, drei Blind-Dates und heiße Komplimente". Wie ein solches Kompliment aussehen kann, stellt Musiker Sven eindrucksvoll unter Beweis, als seine Auserwählte, zur Abholung bereit, am Bordstein steht. "Kann man mit leben", so sein erster Kommentar. Und wenig später lässt er das Publikum wissen, dass Nicole, wie die junge Dame heißt, keine Frau sei, "die ich von der Bettkante stoßen würde". Gut, dann wäre das also schon mal geklärt.

Ein Single-Coach, der aus sicherer Entfernung seinen Senf zu den zusammengewürfelten Paaren abgibt, sorgt sich dagegen mehr um die Sauberkeit des Gefährts als um die Gefühle. "Vielleicht hättest du doch vorher eine kleine Reinigung vornehmen sollen", spricht er vor dem Green-Screen in die Kamera und gibt zu verstehen, dass es für den ersten Eindruck keine zweite Chance gibt. Wie gut, dass auch Polly im Auto sitzt. Polly ist ein klobiger beleuchteter Kasten, der sich immer dann zu Wort meldet, wenn die Stimmung zu kippen droht.

Das "Liebes-Navi", so die offizielle Bezeichnung, gibt dann auch gleich die ersten Anweisungen und versucht, mit einem Kennenlernspiel für mehr Lockerheit zu sorgen. Was bei Nicole und dem Musiker eher schlecht als recht funktioniert, scheint bei Julia und Kevin auf Anhieb zu klappen. Hier dauert es nicht lange, bis der Funke überspringt – und sie sogar das nicht mal mehr das Gefühl hat, "dass er ein Kevin ist", wie Julia sagt. Dass ihr Beifahrer Köln im Ruhrpott verortet, tut dem jungen Glück offenkundig keinerlei Abbruch.

Polly leistet ihr Übriges und befördert die beiden prompt an einen romantischen See mit Schlossblick, um sich abseits des Autos in einem Fummelspiel näherzukommen. Es dauert nicht lange, bis er sie am Bauch krault und sie ihn am Po. Danke Polly für diese Bilder. Glücklicherweise ist "Nächste Ausfahrt Liebe" aber trotz des amourösen Navis längst nicht so peinlich wie man es vermuten könnte, weil Polly in den besseren Momenten für amüsante Situationen sorgt, die beim Blind Date auf vier Rädern als Eisbrecher dienen können. 

An den Charme von "First Dates" kommt die Sat.1-Show allerdings bei Weitem nicht heran – was gleich doppelt bitter ist, weil der Sender seinen Neustart in direkter Konkurrenz zu der Vox-Kuppelshow programmiert hat. Das macht das Unterfangen, zwischen Abendbrot, Lasagne und Feierabend-Bier die Kurve zu kriegen, zumindest nicht gerade leichter.

"Nächste Ausfahrt Liebe" läuft montags bis freitags um 18:00 Uhr in Sat.1.