Erinnern Sie sich noch an "Britt"? In Daily-Talkshows wie dieser hatte der Lügendetektor Hochkonjunktur. Um herauszufinden, ob ein Gast die Wahrheit sprach, lieferte das Gerät häufig erst die Antwort und dann den Streit. Ein einfaches Stilmittel also, das in den zurückliegenden Jahren durch den Boom der Scripted Realitys ein wenig in Vergessenheit geriet. Seit dieser Woche hat Sat.1 den Lügendetektor wieder für sich entdeckt – wobei diese Bezeichnung in der neuen Sendung "Ungelogen" erstaunlicherweise kein einziges Mal fällt.

Stattdessen sprechen die Experten lieber vom Poligrafen und sagen Sätze wie: "Wir haben das poligrafiert." Dann halten sie ein Tablet in die Kamera und erklären, ob ihre Gäste die Wahrheit gesagt oder knallhart gelogen haben. So wie bei Claudio, einem jungen Mann, der in der Folge vom Mittwoch zusammen mit seiner Freundin Anette zum "ehrlichsten Gespräch seines Lebens" ins TV-Studio gekommen ist. Beide sitzen sich gegenüber und stellen sich gegenseitig Fragen. Zwischen ihnen wacht der Fachmann und legt den Finger in die Wunde.

"Befriedigt ihr euch gegenseitig?", will er von dem Paar wissen – und wer gerade zufällig einschaltet, dürfte sich spätestens jetzt an die Hochphase der Dailytalks erinnert fühlen, in denen Fragen wie diese im Nachmittagsprogramm auf der Tagesordnung standen. Trotz einiger Parallelen unterscheidet sich "Ungelogen" aber doch sehr deutlich von den einstigen Nachmittags-Hits. Mit flinken Schnitten und dramatischer Musik kommt die Produktion von UFA Show & Factual, die auf dem britischen Format "The Lie Detective" basiert, schnell zur Sache.

Und so dauert es nicht lange, bis der Lügendetektor ermittelt, dass Claudio beim Sex mit seiner Liebsten schon mal an andere Frauen gedacht oder sich in einem einsamen Moment vor der Webcam entkleidet hat. "Die Maschine sagt's, ich sag's", betont der Experte trocken. Anette wiederum wird als Kontrollfreak entlarvt, weil sie nicht nur die Passwörter ihres Freundes besitzt, sondern sie ihn sogar schon mit einer Hundekamera heimlich beobachtete. "Krasse Nummer", lautet die Reaktion des auf Körpersprache und Mimik geschulten Fachmanns.

Am Ende, als immer mehr Details ans Tageslicht kommen, scheint selbst er überfordert zu sein. "Was wollt ihr eigentlich voneinander?", fragt er das Paar ratlos – und dann folgt erstaunlicherweise doch noch so etwas wie ein Happy End. Claudio verspricht, aus seinen Fehlern zu lernen, und das Publikum erfährt, dass die Beziehung nach wie vor intakt ist. Einen glücklichen Ausgang gibt’s auch im Falle zweier Freundinnen, deren Kontakt von heute auf morgen abgebrochen ist. Ein paar Fragen und mehrere Lügendetektor-Tests später liegen sie sich in den Armen und gehen wiedervereint aus dem Studio.

Das Krawallige, das die täglichen Talkshows der Privatsender einst prägte, geht der neuen Sat.1-Sendung ein wenig ab. Das hängt damit zusammen, dass "Ungelogen" auf eher leise Gespräche setzt und auf laut kreischendes Studiopublikum verzichtet. Womöglich hilft es auch, dass die Fragen nicht von klassischen Moderatoren kommen. So wirkt der Neustart wie eine kluge Weiterentwicklung eines altbekannten Konzepts. Umso erstaunlicher, dass Sat.1 ihn derzeit irgendwo zwischen "Klinik am Südring" und seiner Kuppelshow auf vier Rädern versteckt. 

Sat.1 zeigt "Ungelogen - Das ehrlichste Gespräch deines Lebens" montags bis freitags um 17:30 Uhr.