Die Sendung war beinahe vorbei, da kam tatsächlich noch so etwas wie Spannung auf im neuen Hauptstadt-Talk "Hier spricht Berlin", den der RBB neuerdings am Dienstagabend im Ersten beisteuert. Rapper Sido zog mit der Aussage, die deutsche Geschichte zu vergessen, den Unmut von Günther Jauch auf sich. "Muss man das wissen?", fragte Sido, als Jauch an den Mauerfall und die Reichspogromnacht erinnerte, woraufhin der eingeladene Moderator eine klare Meinung vertrat: "Ich hätte nichts dagegen, wenn einmal im Leben der Besuch eines Konzentrationslagers auf dem Stundenplan steht."

Es hätte eine ungewöhnliche und vor allem lebhafte Diskussion werden können – wäre da nicht diese verbale Blutgrätsche gewesen, dieser "echt unelegante Cut", wie ihn Moderatorin Jessy Wellmer nannte, bevor sie abrupt das Thema wechselte. "Ich hätte nichts dagegen", ließ sie wissen, "wenn wir mal Sidos neues Album anhören." Kaum gesagt, lief auch schon das Musikvideo, und die Chance auf eine echte Konfrontation, wie sie sich die Gastgeber einer Talkshow nicht schöner ausmalen können, war von der einen auf die andere Sekunde dahin.

Es war eine sinnbildliche Szene für die Premieren-Ausgabe von "Hier spricht Berlin", in der nur sehr wenig zusammenpassen wollte. Dabei konnte auf den ersten Blick nicht allzu viel schiefgehen. Die Gästeriege – prominent besetzt, von Deutschlands beliebtestem Moderator über den Opernsänger Thomas Quasthoff bis hin zu Schauspielerin Petra Schmidt-Schaller. In der "NDR Talk Show" oder dem "Kölner Treff", die ebenfalls die neue Talk-Schiene im Hauptprogramm bespielen, wäre diese Kombination vermutlich ein Selbstläufer gewesen. Nicht so an diesem Dienstagabend.

Freilich dauert es seine Zeit, bis in einer neuen Sendung alle Räder ineinandergreifen, doch wer diese erste Ausgabe gesehen hat, dürfte mit dem unguten Gefühl in die Nacht gegangen sein, dass es noch sehr viel zu tun gibt. Zu aufgeregt und nervös, oft auch zu euphorisch führten Jessy Wellmer und Eva-Maria Lemke im Doppel durch die 90 Minuten und fielen nicht selten ihren Gästen, aber auch sich selbst ins Wort. Dass sie ihre Gesprächspartner stets gemeinsam befragten, sorgte von Beginn an für Unruhe und machte die Sendung unnötig anstrengend.

Vielleicht wollten sich die Macher von "Hier spricht Berlin" etwas zu verkrampft von den üblichen Talk-Runden der Dritten unterscheiden. Dass die Show kurzerhand ein Rauchverbot ereilte, war da noch das geringste Übel. Besser wäre es gewesen, hätte im Vorfeld jemand die nervige Stimme aus dem Off verboten. Herr Mangold, der selbsternannte Sicherheitsbeauftragte des RBB, durfte zu jedem Gast seinen Senf abgeben, was selten erhellend und noch seltener witzig war. Oder wer muss ernsthaft lachen, wenn Günther Jauch als "amtierender Kurfürst von Potsdam" angesagt wird?

Jauch selbst wirkte am Ende seiner Befragung merklich genervt. "Sie bringen im Moment einiges durcheinander", tadelte er Jessy Wellmer, als diese Jauchs günstigen Aldi-Wein mit dem seines Weingutes gleichsetzte. Viel mehr als die Frage, ob man ihn in seinem neuen Potsdamer Restaurant auch persönlich treffen könne, brachte sie daraufhin nicht mehr hervor. Nein, stimmig wirkte bei "Hier spricht Berlin" herzlich wenig. Bis zur nächsten Ausgabe in drei Wochen sollte der Fokus darauf liegen, die Talkshow von unnötigem Ballast zu befreien, schließlich erwarten die Zuschauer bei einer solchen Sendung vorwiegend gute Gespräche – und nicht die Neuerfindung des Rads.