1898 sind die ersten Aliens gelandet: In H.G. Wells Sci-Fi-Roman "Krieg der Welten" greifen Marsianer in dreibeinigen Robotermaschinen die Erde an und wollen an all ihre Rohstoffe. Die Leidtragenden sind die Menschen, die von ihnen wie Ungeziefer beachtet werden, das zunächst beseitigt gehört. Der hoffnungslose Kampf ging 1938 in die nächste Instanz. Regisseur Orson Welles brachte zusammen mit dem Mercury Theatre ein adaptierter Hörspiel heraus, das im amerikanischen Radio passend zu Halloween zum ersten Mal lief: Tod und Verderben sollten der Menschheit bevorstehen – was diese auch wirklich zu glauben schien. Viele Zuhörer des Hörspiels hielten die Aufnahmen für eine authentische Reportage und bewaffneten sich für den Angriff der Außerirdischen. 

Etliche Male wurde das Phänomen "Krieg der Welten" seither vertont und verfilmt, nun kehrt es zurück. Doch in der Ko-Produktion von FOX und Canal+ geht es erschreckend wenig um die Aliens, die H.G. Wells einst als Satire-Mittel des britischen Militärs nutzte. Natürlich herrscht auch hier ähnliche Rahmenbedingungen: Wissenschaftler deuten ein außergewöhnliches Signal aus dem Weltall, das sich schnell als Türklopfen einer fremden Spezies herausstellt. Mittels Druckwellen, die an den menschlichen Organismus angepasst sind, wird ein Großteil der Menschheit sanft in den endlosen Schlaf gewogen, ehe sich der überlebende Rest verdutzt umschaut und Panik schiebt. Sie müssen nämlich nicht nur verarbeiten, was gerade mit ihrer geliebten Erde passiert ist, sondern sich obendrein vor roboterähnlichen Hunden schützen, die in ihrer Heimat fortan Streife ziehen.

Die Hunde, die eine extreme Ähnlichkeit mit den Boston Dynamics-Projekt haben, sind im Generellen das einzige Indiz dafür, dass hier übernatürliche Kräfte ihre Finger im Spiel haben. Dreibeinige Zerstörer, wie sie auch im 2005 erschienenen "Krieg der Welten" mit Tom Cruise abgekultet wurden, existieren nicht mehr. Showrunner und "Misfits"-Schöpfer Howard Overman macht nicht nur an dieser Stelle deutlich, dass er sich klar von allen anderen Adaption abgrenzen möchte – und auch von H.G. Wells' Literatur. "Wir haben den Titel sowie die Ausgangslage übernommen, wollten jedoch eine gänzlich andere Aussage treffen", verrät er im Gespräch nach der Premiere in Paris. "Es geht bei dieser Serie nur im Hintergrund darum, dass unbekannte Wesen die Welt angreifen. Mir war es viel wichtiger zu beleuchten, wie Menschen in solch einer Situation reagieren und wie viel Menschlichkeit dann überhaupt noch übrig bleibt." Damit drückt er auf philosopische Art und Weise aus, dass auch der Mensch selbst ein Alien sein kann. 

Ein Sci-Fi-Spektakel sollte hier also nicht erwartet werden. Die "Krieg der Welten"-Version von FOX und Canal+, die laut Overman im Ideallfall drei Staffeln lang wird, fühlt sich eher wie eine ruhig gehaltene "Black Mirror"-Folge an. Und das funktioniert überraschend gut. Sobald die Erwartungshaltung eines überladenen Actioners abgelegt ist, die bei den meisten Interessenten der Serie leider zwangsläufig entstanden sein dürfte, festigt sich schnell der Eindruck, dass Overman den Sinn eines Remakes als einer von wenigen verstanden hat. Denn während viele Remakes ihr Vorlage gerne 1:1 aufarbeiten und damit zahllose direkte Vergleiche lostreten, die nur seltenst gewonnen werden können, spürt man hier noch eine kreative Federführung, die nicht nur auf Wells Version von vor über 100 Jahren lastet.

"Die Serie fordert uns alle heraus, zu hinterfragen, was wir tun würden: Wäre ich selbst wirklich jemand, der in solch einer Katastrophe Menschen und Babys rettet?", wirft Gabriel Byrne ("Maniacs") gegenüber DWDL.de auf. "Ich bezweifle es. Tatsächlich kann man so etwas nie ehrlich beantworten, bis man etwas Derartiges nicht auch erlebt hat." Byrne spielt einen Wissenschaftler, der bereits zu Beginn der Alieninvasion zeigt, aus welchem Schlag Holz er besteht: Auf dem Weg zu seiner Ex-Frau (Elizabeth McGovern, "Downton Abbey") begeht er mehr oder weniger ausversehen einen Mord, der sein moralisches Gewissen noch lange Zeit plagen wird.

Das macht "Krieg der Welten" noch mit am besten: Die Serie lässt die Zuschauer ständig hinterfragen, wie ethisch korrekt die Protagonisten eigentlich vorgehen. Dadurch bleibt nicht nur der Spannungsbogen trotz ruhiger Erzählart oben, sondern auch ein Gesprächsthema für später übrig. In Zeiten gesellschaftlicher Zerwürfnisse kann so spielerisch mit dem Thema Menschlichkeit hantiert werden, wo es sicherlich interessant ist zu hören, was sein Partner oder Freund dazu zu sagen hat. Spannend demonstriert wird das in der Serie unter anderem mit dem traurigen Schicksal eines kleinen Mädchens – das die meisten von uns mehr bemitleiden werden als die 2,6 Milliarden toten Menschen, die gerade von Außerirdischen ausgelöscht wurden.

Handwerklich kann der Adaption mit ihrem offenkundigen Ziel nicht allzu viel angekreidet werden. Sicherlich würde einem das Sci-Fi-Herz an manchen Stellen noch stärker aufgehen, wäre der visuelle Anspruch etwas gehobener. Doch anstatt es zu übertreiben, wählte Overman einen guten Weg gegangen und lässt diese Version deutlich realistischer und menschlicher wirken als viele seiner Vorgängerprojekte. Wer daran keinen Gefallen findet, könnte bei der BBC fündig werden. Dort startet in naher Zukunft ebenfalls eine neue "Krieg der Welten"-Serie, die aber - an den Roman angelehnt - Ende des 19. Jahrhundert spielt. Dort wird es dann auch wieder die dreibeinigen Kampfmaschinen geben.

Die erste Staffel von "Krieg der Welten" läuft immer mittwochs um 21:00 Uhr in Doppelfolgen bei FOX. Im Anschluss gibt's die Folgen über Sky Go, Sky Ticket, Magenta TV sowie Vodafone Select und GigaTV on Demand.