Seitdem die Serie von Sendern und Streamingdiensten zur Königsdisziplin gemacht wurde und das vielbesagte Golden Age of Television begründete, haben sich auch die Serienkritiken vervielfacht. Medien, die früher Fernsehproduktionen und besonders deutsche Programme selten und wenn dann gerne mit der Häme des von Harald Schmidt geprägten Begriffs Unterschichten-Medium besprachen, liefern sich längst Schönschreib-Wettbewerbe um die beste Serienkritik, mitunter durchaus verschwurbelt.


Oder man macht es kurz und nimmt gleich vorweg: Gebt mir endlich die nächste Folge! Ja, so gut sind die ersten Episoden von "Rampensau", der neuen Vox-Serie. Die enorme Vielzahl der verfügbaren Serien - und jener, die wir alle noch auf unserer Liste haben - hat es einer Produktion nicht leichter gemacht, Zuschauerinnen und Zuschauer für sich zu gewinnen. Wer nicht auf Anhieb überzeugt, hat es schwer. Viel Geduld mit einer neuen Serie bringen nur noch wenige auf. Hier punktet die neue Vox-Serie mit Jasna Fritzi Bauer in der Hauptrolle.

Sie ist ein Brüller, die Serie und im wortlichen Sinne auch die Hauptdarstellerin. "Rampensau" ist schnell, sperrig, nah dran und direkt. Vier Qualitäten, die sich aus dem Zusammenspiel einer sehr präsenten Hauptdarstellerin, starker Regie und einem guten Buch aus der Feder des Autoren-Duo Arne Nolting und Jan Martin Scharf in Zusammenarbeit mit Valentina Brühning ergibt. Möglicherweise wirkt das Attribut sperrig nicht wie eine Qualität, doch nach den beiden letzten Serienversuchen "Milk & Honey" und "Das Wichtigste im Leben" ist es eine.

Die Stripper-Story in Brandenburg war ganz nett, die Familienserie mit Jürgen Vogel auch. Handwerklich gut, aber das eine wäre als TV-Movie letzlich knackiger gewesen, das andere vielleicht als ZDF-Familienserie durchaus progressiv. Für Vox, sofern man dort den Anspruch hat, eine eigene Handschrift zu entwickeln, waren beide Serien allerdings zu bieder. Es wirkte als wiederholte man dabei den zuvor schon in der Non-Fiction gemachten Fehler und kuschelte sich zu sehr im Wohlfühlfernsehen.

Das ist "Rampensau" nun wirklich nicht. Die Serie von UFA Serial Drama ist drängend, mitunter gar anstrengend. "Die Serie muss nicht jedem gefallen", sagt auch Vox-Geschäftsführer Sascha Schwingel im Gespräch mit DWDL.de. Die Wucht mit der Jasna Fritzi Bauer die Rolle der 30-jährigen Shiri spielt, haut um. Als Schauspielerin und gelegentliche Kellnerin schlägt sich Shiri durchs Leben, muss in der ersten Folge gleichzeitig Jobverlust und Trennung vom Freund verarbeiten. Das tut sie laut und emotional.

Keine Szene beschreibt die Serie so gut wie das sich wiederholende Bild der wütenden Shiri, die durch die Straßen von Berlin stampft. Bei ihr trifft Frust auf Tatendrang. Sperrig wird die Serie, weil sie die Erzählung gleich von Beginn an in mehrere Handlungsstränge auffächert, die im Laufe der Folgen zueinander finden. Dazu kommt ein ganz enormes Erzähltempo. Damit verlangt "Rampensau" dem Publikum mehr ab als manche harmlosere Vox-Serie zuvor. Im positiven Sinne ist die Serie eine Zumutung. Hier bügelt niemand nebenbei.

Sehr überzeugend und erwähnenswert ist die Inszenierung, eingefangen von den Regisseuren Dustin Loose, Christian Werner, Florian Knittel. Sie bleiben oft in Nahaufnahme dran und sorgen so überhaupt erst dafür, dass sich die aufdrängende Energie von Jasna Fritzi Bauer aufs Publikum überträgt. Mehr als einmal würde man als Zuschauer eigentlich gerne einen Schritt zurück machen um Abstand zu gewinnen zu den energischen Wutausbrüchen, etwa wenn ihr Freund Jonas (gespielt von Benjamin Lillie) wegen Drogenbesitzes verhaftet wird.

Daraus ergibt sich in den ersten beiden Folgen dann die hauptsächliche Storyline der späteren Folgen: Um ihrem Freund zu helfen, soll Shiri für die Polizei undercover an einer Schule ermitteln. Diese Crime-Story ist die eine und etwas gewöhnlichere Seite der Serie, die sich erst später entfaltet. Der Auftakt überzeugt, weil die Serie Zeitgeist und aktuelle gesellschaftliche Themen (z.B. #metoo) in das private Chaos von Shiri mixt und ein krasses aber reales Bild zeichnet. In jenen Momenten begeistert "Rampensau" als rasantes Roadmovie über das Leben.

Nach dem Überraschungserfolg von "Club der roten Bänder" kamen zwei durchschnittliche Vox-Serien. Ob das Publikum also jetzt noch aufhorchen wird, wenn Vox wieder einmal einen Serienvorschlag macht? Es wäre wirklich schade, wenn man "Rampensau" verpassen würde.

"Rampensau" läuft mittwochs um 20:15 Uhr bei Vox.