Oberkomissarin Lisa Armstrong (Morven Christie, “The A Word”) wird blitzartig von ihrer beinahe gelösten Drogendealer-Ermittlung abgezogen, als in der britischen Seebadregion Morecambe zwei Kinder vermisst werden. Ähnlich muss es auch vielen Filmemachern gehen, die gerade dabei sind, ein Drehbuch zu einem neumodischen Krimi zu schreiben, dann aber eingetrichtert bekommen, dass entführte Kinder auf Publikumsseite immer noch die meisten Emotionen entlocken. In dieser Hinsicht ist das jetzt auf Sat.1 Emotions startende “The Bay” also alles andere als überraschend und das Ziel ist klar: Herausfinden, was mit den Kleinen passiert ist, mit allerlei Stolpersteinen. “The Bay” liefert mit Ermitterlin Armstrong jedoch eine echte Figure mit Ecken und Kanten und überrascht in der Hinsicht, dass alteingefahrene Muster mit einer kleinern Detailveränderung spannend werden können. 

Armstrong wird als teilweise völlig überforderte und unqualifizierte Frau der Exekutive dargestellt. So genehmigt sie sich eines abends ein unbedachtes Techtelmechtel auf offener Straße, wo sie doch genau wissen sollte, das dies Erregung öffentlichen Ärgernisses darstellt. Außerdem ist Großbritannien die Heimat der CCTVs, die selbst die kopulierenden Ratten in der Gasse zählen. Ärgerlich ist das vor allem deshalb, weil sie ausgerechnet den Stiefvater der vermissten Kinder beglückt - genau in der Nacht, in der sie verschwinden. 

Als sie besagten Fall also übernimmt, fängt ihre Ermittlung erst einmal damit an, diesen Vorfall unter den Teppich zu kehren. Ehe sie merkt, dass der Vorzeigevater ein Alibi braucht. Nachdem er beginnt, um den heißen Brei zu reden, wird Armstrong langsam stutzig und wundert sich: “Wir waren doch auch nur zehn Minuten zusammen, wo warst du die restliche Nacht?”

Diese Kombination aus Armstrongs langsamer und oft naiver Leitung und einem mysteriösen Gegenspieler, sorgt dafür, dass der von ITV in Auftrag gegebene Krimi tatsächlich einen Gewinn für das Genre darstellt. Das liegt vor allem daran, dass selbst der skeptischste Zuschauer für immerhin einige Minuten in “The Bay” hängenbleibt. Ob nun wegen der faszinierenden Hauptcharaktere - oder eben doch wegen der teilweise arg überzogenen Dialoge, die jeden Feierabend versüßen können, wenn man sich auf der Suche nach Abschaltfernsehen befindet. 

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“Ich sollte mich nicht einmischen”, als Kommentar der Oma der verschwundenen Kinder, auf die Frage der Kommissarin, ob sie mit Informationen weiterhelfen könnte, beispielsweise. Oma sollte wissen, dass sie sich mit ihrer Sichtweise einzumischen hat. Noch viel besser sollte es die ausgelernte Polizistin Armstrong, die sie jedoch mit einem verständnisvollen Lächeln von dannen ziehen lässt. Oder auch die Antwort einer Schülerin auf die Frage eines Mitschülers, ob es ihr gut gehe: “Hol dir einen runter, du Wichser!”. Ein Klassiker. Oder wie es der Freund des beleidigten sagen würde: “Der war gut!”. 

Wer darüber lachen kann und die Vorzüge der Protagonisten genießt, wird mit “The Bay” seinen Ratespaß haben. Auch, weil die von Daragh Carville (“6Degrees”) erdachte Serie mit wunderschönen Bildern aufwartet. Die Bucht im Nordwesten Englands wird als exotische Traurigkeit inszeniert, die mit grauen Meerblicken unter die Kuscheldecke einlädt. Die perfekte Szenerie für vermisste Kinder, altbewährtes Krimi-Handwerk und schlechtgelaunte Briten. Fans werden sich angesprochen fühlen.

Die erste Staffel von "The Bay" läuft montags um 20:15 Uhr in Doppelfolgen bei Sat.1 Emotions. Eine zweite Staffel wurde von ITV bereits bestellt. Sat.1 Emotions ist ab sofort ebenfalls via Joyn PLUS+ empfangbar.