"Ich will meinen Vater nicht mehr sehen", kommt es entschieden aus Anni heraus. "Nie mehr. Ich wünschte, er wäre tot." Worte, die ein Mensch selbst nach intensiver Überlegung nicht einfach so aussprechen sollte. Dass Anni gerade einmal acht Jahre alt ist, macht diese Aussage umso eindringlicher. Doch das Mädchen hat ein entschiedenes Ziel: Mit allen Mitteln will sie verhindern, dass ihr Papa Tom das Sorgerecht zugesprochen bekommt, um das er nach der Trennung von Mama Julia kämpfen muss. Gut so, könnte man meinen. Es ist zwar nicht schön, dass Anni einen solch schlimmen Vater hat. Doch immerhin hat das Kind seine Wahl getroffen.

Wenn es denn Annis freie Wahl gewesen wäre. Wie der vom SWR verantwortete Spielfilm "Weil du mir gehörst" mit Bravour vorführt, gibt es tief greifende Gründe für diese schockierende Aussage. Wie diese aussehen, führt Regisseur Alexander Dierbach ("Passagier 23") in nicht immer leicht zu ertragenen 88 Minuten gründlich aus: Anni ist nicht mehr als ein Rachespielzeug der Mutter, die alles in ihrer Kraft stehende dafür gibt, dass ihr Ex-Mann nie wieder die Freude erfährt, seine lachende Tochter im Arm zu halten.


Harter Tobak, den es hier zur Primetime zu sehen gibt. 20 Minuten vergehen, bis der Zentrale Punkt der Geschichte eingeleitet wird, in denen ständige Sticheleien von Mutter gegen Vater (eindrucksvoll verkörpert von Julia Koschitz und Felix Klare) vorgeführt werden, die die eigene Halsschlagader des Öfteren zum Pulsieren bringt. Dazu kommt, dass sie seine Elternzeit unter anderem damit stört, schier unendlich lange mit Anni (Lisa Marie Trense) telefonieren zu wollen. All das schlägt im weiteren Verlauf der Handlung in puren Psychoterror um, der sich im heimlichen Umzug in eine neue Wohnung, blockierte Arufe und gefälschten Aussagen ausdrückt. Papa, so lautet die Sage, ist nicht da, "weil er etwas Besseres vorhat."

Es fällt schwer, sich vor dem Fernseher nicht zu krümmen - schnell entsteht ein Gefühl von Hilflosigkeit, muss der Zuschauer doch mit ansehen, wie hier ein kleines Kind auf perfide Art manipuliert wird. Tiefe Narben entstehen, äußerlich und innerlich. Narben, die nicht mit dem herbeigeführten Hass auf den einst geliebten Papa enden. Dierbach regt diese Gedanken nicht nur bei anderen Eltern an, sondern im besten Fall bei allen vor dem Fernseher. 

Weil du mir gehörst

Der Titel "Weil du mir gehörst" hätte kaum passender gewählt werden können. Was Anni möchte, steht nie zur Debatte. In Wahrheit geht es nur darum, was die Erwachsenen für das Richtige halten - nicht für das Kind, sondern für sich selbst. Hier greift Regisseur Dierbach zum Spiegel und hält ihn dem Publikum gnadenlos vor. Er präsentiert eine vielfältige Reihe von Personen, die in dieser Situation allesamt versagen und mit denen sich der Zuschauer abgleichen kann: Der Vater, der sich zu spät an die richtigen Stellen wendet, die Mutter, die manisch auf Rache sinnt, die Oma, die ihren Schwiegersohn-Hass nicht gezügelt bekommt, und der Opa, der sich nach etwas Gegenwind sofort den Mund verbieten lässt.

Auch die Behörden agieren zutiefst verstörend. Während der Anwalt der Mutter dazu rät, möglichst viele Konflikte "passiv oder aktiv" zu befeuern und die Psychologin Aussagen des Kindes so dreht, dass sie ausschließlich positiv für die Mutter gelten, erkennen die Hilfskräfte auf Seite des Vaters schnell das Problem – und sehen doch nur zu. 

Dass die gesamte Geschichte nicht aus Sicht des Kindes erzählt wird, war eine bewusste Entscheidung der Drehbuchautorin Katrin Büling, weil "die juristischen Auseinandersetzungen der Eltern und die gut verdienende Scheidungsindustrie", wie sie sagt, sonst keinen plausiblen Fokus bekommen hätten. So kann man nur erahnen, was in dem achtjährigen Mädchen vor sich gehen muss. Das genügt aber schon für einen bleibenden Eindruck. Glücklicherweise ist das übergeordnete Ziel nach eindringlichen eineinhalb Stunden erreicht: Jeder Zuschauer wird sich die Worte von Scheidungskindern aus seiner Umgebung noch einmal durch den Kopf gehen lassen, bevor er urteilt. 

Und so entlässt der Film, produziert von FFP New Media Produktion, das Publikum nachdenklich in die Nacht. Womöglich ist es nicht die schlechteste Idee, dass die ARD im Anschluss an den Spielfilm noch einen Talk hinterherschiebt. Schade nur, dass dieser ausschließlich in der Mediathek zu sehen sein wird.

"Weil du mir gehörst" ist am Mittwoch um 20:15 Uhr im Ersten zu sehen. Darüber hinaus steht er bis zum 12. Mai in der ARD-Mediathek zum Abruf bereit. Dort läuft zudem am Mittwoch um 21:45 Uhr ein begleitender Talk zum Film.