Das Coronavirus und der Umgang mit ihm dominiert seit Monaten die Schlagzeilen, der Ton in der Debatte wird dabei zunehmend rauer. Und damit sind nicht irgendwelche Spinner gemeint, die auf Telegram durchdrehen und von einer wie auch immer gearteten Verschwörung einer angeblich internationalen Elite fabulieren. Inzwischen mehren sich die Stimmen von Wissenschaftlern und Ärzten, die sich gegen die weitreichenden Corona-Maßnahmen aussprechen oder die zumindest aufzeigen wollen, dass durch diese Maßnahmen neue Probleme entstehen. 


Der österreichische Sender ServusTV will den kritischen Stimmen eine Plattform bieten und hat daher im September die neue wöchentliche Talk-Sendung "Corona-Quartett" eingeführt - zu sehen gibt es die auch auf dem deutschen ServusTV. In dem Format gehe es nicht um einen "emotionalen Schlagabtausch", so der Sender. Im Fokus stehe der Erkenntnisgewinn. Das Problem an der Sache: Der Erkenntnisgewinn der Diskussionsrunden tendiert gegen null, weil die Streitparteien in der Sendung ziemlich ungleichmäßig verteilt sind. Da wären zum einen der pensionierte Infektionsepidemiologe Sucharit Bhakdi, der mit seinen Thesen in der Wissenschaft seit Wochen für Kopfschütteln sorgt, aber auch der Finanzwissenschaftler Stefan Homburg, den die "Süddeutsche Zeitung" als "Prof. Dr. Verschwörung" bezeichnete. Zusammen mit der ehemaligen österreichischen Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky empfangen sie einen weiteren Experten.

Und weil es in den ersten Wochen des "Corona-Quartetts" keinen Moderator gab, reden immer mindestens Homburg und Bhakdi auf den jeweiligen Gast ein, der in der Regel eine andere Meinung als sie selbst vertritt. Bhakdi etwa vertritt grundsätzlich die These, dass die Pandemie bereits zu Ende und alle Maßnahmen sinnlos seien. Kinder seien vom Tragen der Masken "psychisch gestört", sagt er. Und als Florian Thalhammer, Infektiologe und Mitglied im Beraterstab der Coronavirus-Taskforce der österreichischen Bundesregierung, an einer anderen Stelle erklärte, man könne nicht alles in einen Topf werfen, erwiderte Bhakdi: "Doch, wieso nicht?". Der pensionierte Infektionsepidemiologe spricht von einem "Labor-Tsunami" und verheddert sich immer wieder in seltsamen Vergleichen, die es Laien nicht unbedingt einfacher machen, ihm zu folgen. 

Einseitige Diskussionen

Auch Homburg ist kein Gewinn für die Sendung. Er unterbricht die Gäste und dreht ihnen immer wieder die Worte im Mund um. Aufmerksame Zuschauer erkennen das und dankenswerterweise weisen auch die Gäste ihn immer wieder darauf hin, dass das, was Homburg gerade sagt, Humbug ist. Besonders eloquent in der Sendung ist Richard Greil, Ärztlicher Leiter Corona-Krisenstab Salzburg. Er rechnet der Runde vor, dass man nach 14 Tagen schon 240 beatmungspflichtige Patienten gehabt hätte (bei 40 Betten), wäre der Lockdown im März nicht gekommen. Das alles interessiert Homburg und Bhakdi aber herzlich wenig. 

Eine Diskussion kommt so leider nur selten zustande, das hat man offenbar auch bei ServusTV verstanden und ab Ausgabe drei Michael Fleischhacker als Moderator eingesetzt. Der steht allerdings weit weg von der Diskussionsrunde und hat so seine liebe Not, die Diskutanten an der kurzen Leine zu halten. Als es in einer Ausgabe um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Maßnahmen ging, fangen die Teilnehmer immer wieder an, von anderen Dingen zu sprechen. Fleischhacker hat mit den Diskutanten viel Arbeit, mit ihm ist die Sendung aber immerhin ein bisschen besser geworden, weil es jemanden gibt, der zumindest versucht einen roten Faden aufrechtzuerhalten. 

Michael Fleischhacker im Corona-Quartett © Screenshot ServusTV Moderator Michael Fleischhacker steht abseits des Geschehens.

Das alles ist ziemlich schade, denn im Prinzip steht hinter dem "Corona-Quartett" eine gute Idee. Es könnte seriös und unaufgeregt darum gehen, wie aussagekräftig Infektionszahlen wirklich sind, wenn die Anzahl der Menschen in den Krankenhäusern nicht oder nur sehr wenig steigt. Oder darum, wie groß die wirtschaftlichen und sozialen Schäden sind, die durch die Maßnahmen entstehen. Stattdessen setzen vor allem Bhakdi und Homburg auf Polarisierung. "Ich vertrete die wissenschaftliche Standardmeinung", sagt die Wirtschaftsjournalistin Ulrike Herrmann in einer Ausgabe, nur um danach von Homburg vorgeworfen zu bekommen, dabei handele es sich um die "Staatsmeinung". 

Homburg ist zudem ein Meister der Illusion, der zwar gut reden kann, hinter dessen Aussagen oft aber einfach keine Substanz steckt. Der anerkannte Virologe Hendrik Streeck sei ja auch ihrer Meinung, platzt es irgendwann aus ihm heraus. Also aus Homburg, der behauptet, der Preis an Toten und schwer Erkrankten, den man für einen wirtschaftlichen Shutdown zahlen müsse, liege bei "fast 0". Bhakdi wiederum kann seine Verachtung gegenüber anderen Meinungen kaum zurückhalten, er schüttelt immer wieder mit dem Kopf und atmet genervt aus. So als wären alle anderen Wissenschaftler Idioten und nur er habe die Weisheit mit Löffeln gefressen. 

Durch diese Art der Diskussionsführung ist das "Corona-Quartett" auf ServusTV auch gefährlich. Denn immer schwingt mit: Alle Maßnahmen sind sinnlos und übertrieben. Pandemie? Was für eine Pandemie? Damit wird so getan, als verfolgen etliche Regierungen auf dieser Welt ein "höheres Ziel" und würden einfach so und ohne Grund ihre Wirtschaft in Teilen lahm legen. Das ist Wasser auf die Mühlen der Telegram-Spinner und sonstigen Covidioten, die solche Thesen regelmäßig in die Welt posaunen. 

"Markus Lanz" macht vor, wie es besser geht

Dass es auch anders geht, zeigt etwa "Markus Lanz", wo schon seit Monaten über das Coronavirus und seine Folgen diskutiert wird - und das durchaus kritisch. Auch der von Stefan Homburg angesprochene Hendrik Streeck war hier jüngst zu Gast und blickte kritisch auf die aktuelle Situation, ohne aber die Gefahr des Virus grundsätzlich kleinzureden. Viel mehr noch: Er erkennt, wie die allermeisten Wissenschaftler, den Nutzen von Masken an. Ob er also tatsächlich der Meinung der zwei ServusTV-Experten ist, wie von Homburg behauptet, darf man stark anzweifeln. 

Dass ServusTV ausgerechnet den umstrittenen Sucharit Bhakdi zum festen Bestandteil des "Corona-Quartetts" gemacht hat, kommt übrigens nicht von ungefähr. Schon im Frühjahr führte ServusTV-Chef Ferdinand Wegscheider höchstselbst ein Interview mit Bhakdi. Auch da behauptete er schon, die Pandemie sei bereits vor dem Inkrafttreten des Lockdowns am abebben gewesen. Es gebe keinen Grund anzunehmen, dass die Pandemie wieder aufflackere, so Bhakdi damals. Die Krise habe nie existiert und sei nur von den Politikern selbst herbeigeführt worden. "Wir haben keine Freiheit mehr", stellt er irgendwann fest. Und was macht Journalist Wegscheider? Er nickt fleißig mit dem Kopf und stellt keine kritischen Fragen. Stattdessen fragt er, ob es nicht auch ein Grund für die Krise sei, dass unkritisch nur das weitergegeben wird, was die WHO sage. Und man möchte ihn am liebsten auf seine eigene journalistische Fehlleistung aufmerksam machen. 

Mainstream-Medien, Plandemie und linke Lohnschreiber

Ferdinand Wegscheider © ServusTV Ferdinand Wegscheider
Wegscheider trägt aber auch noch auf einem anderen Weg zur Polarisierung in der Debatte bei. In "Der Wegscheider" präsentiert er wöchentlich bei ServusTV einen satirisch gemeinten Wochenrückblick, auch dort gibt es seit einiger Zeit oft nur ein Thema: Corona. Nun ist bestimmt nichts gegen eine laute, konservative Stimme zu sagen. Aber Wegscheider spricht permanent von "Mainstream Medien", einer "Plandemie", kritisiert eine angeblich bewusste "Verängstigung der Bevölkerung" (zu welchem Zweck?) sowie "linke Lohnschreiber". Wer sich nicht dem "Meinungsdiktat" unterordne, werde als Spinner gebrandmarkt oder ins rechtsextreme Lager gerückt. 

Nun ist Ferdinand Wegscheider weder ein Covidiot noch ein Rechtsextremist, aber mit seiner Sprache und dem "Corona-Quartett" hat er sich und ServusTV aus einem anständigen, gesellschaftlichen Diskurs auf Augenhöhe entfernt. Bei seinem Boss rennt Wegscheider damit aber ganz bestimmt offene Türen ein: Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz sprach schon 2017 in einem Zeitungs-Interview (sic!) von einem "Meinungsdiktat". Vielleicht meinte er damit aber auch nur die Mitarbeiter mit eigener Meinung, die ein Jahr zuvor einen Betriebsrat bei ServusTV gründen wollten. Mateschitz kündigte daraufhin die Einstellung des Senders an und die Mitarbeiter ließen von ihren Plänen ab.

Mit dem Ziel, den Zuschauern "Erkenntnisgewinn" zu liefern, ist ServusTV auf ganzer Linie gescheitert. Dazu ist das "Corona-Quartett" zu einseitig aufgestellt. Andere Sender und Formate berichten deutlich gehaltvoller und seriöser über die aktuelle Corona-Lage und, das ist vielleicht das wichtigste, tun sie nicht als Hirngespinst ab. Bei der ersten Ausgabe des "Corona-Quartetts" muss die österreichische Ex-Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky nach rund 20 Minuten sicherheitshalber nachfragen: "Wir sind uns alle einig, dass es das Virus gibt?". Und als alle Diskussionsteilnehmer das bejahen, herrscht auch vor dem TV-Bildschirm plötzlich Erleichterung: Immerhin darauf kann man sich bei ServusTV einigen.