Was Männer über #MeToo so denken, bleibt meist schon deshalb rätselhaft, weil sie entweder als Täter persönlich betroffen, also voreingenommen sind, völlig ahnungslos, gar nicht gefragt werden oder – was zugegeben eher selten ist – alles zusammen wie der fiktive Produzent Ralf Kroll. Eine Figur, die fast zu absurd ist, um wahr zu sein, aber real existiert und dummerweise nicht nur einmal. "Wenn Sie in den letzten drei Jahrzehnte einen erfolgreichen deutschen Film gesehen haben", stellt er sich zu Beginn einer neuen Online-Serie mit Raubtierblick in die Kamera vor, "hatte ich da meine Hände im Spiel". Erkannt, wer das sein könnte? Nein?

Noch ein Tipp.

Ein paar Folgen von "Therapie wie noch nie" später, sagt der Wolf im Wolfspelz: "Ich dachte, #MeToo heißt, ihr Frauen wollt alle nicht". Na? Genau: Ohne es direkt auszusprechen, ist Ralf Kroll unverkennbar ein Hybrid aus Harvey Weinstein und Dieter Wedel, besser noch: aus all den selbstgerecht-misogynen Alphakerlen der Erde, die glauben, Frauen seien feministisch blockiertes Freiwild, das man nur hart, also männlich genug anpacken müsse, dann folge es glücklich seinem Unterwerfungstrieb.

Wie gesagt: solche Typen der chromosomal mutierten Weibchen-Variante Mann gibt es zur Genüge. Überall. Die Filmbranche ist damit ähnlich prall verfüllt wie Vorstandsetagen oder Fußballclubs. Mit einem Unterschied: Im Alltag treffen deren Leithengste nicht auf bissige Stuten wie Lin und Gloria. So heißen zwei Gefängnisausbrecherinnen, die den Herren der Schöpfung ab heute unterm Hashtag #heuldoch der ZDF-Mediathek fünf knackige Episoden lang zeigen, wie schlaff der Hammer des angeblich starken Geschlechts hängt, wenn das vermeintlich schwache die Hosen anhat.

Auf ihrer Flucht versteckt sich das Duo nämlich in der abgelegenen Villa von Charlotte Scharf, deren Darstellerin Belinda Ruth Stieve fünf Folgen lang dadurch brilliert, tot in der Tiefkühltruhe zu liegen. Denn bei der Begegnung mit den zwei Eindringlingen, bricht sich die Diplompsychologin vor Schreck das Genick, weshalb Lin und Gloria kurz darauf mit vier ihrer Patienten konfrontiert sind, die Dr. Scharf therapieren sollte, besser noch: zwangstherapieren. Um ihre Strafen für sexuellen Misshandlungen jeder Art zu mindern, wurden Kobe, Julian, Ferdinand und Ralf ins sozialmedizinische Blockseminar geschickt – wo sie allerdings keine Expertin für Verhaltensstörungen erwartet, sondern die feministische Mörderin Lin und ihre leicht reizbare Komplizin Gloria.

Was demnach in der nächsten Stunde passiert, hat es vermutlich noch nie gegeben am hiesigen Bildschirm. Mit beherzter Lust am Tabubruch drehen Isabell Šuba und Lilli Tautfest die gestörte Geschlechteridentität ihrer männlichen Charaktere beherzt durch den Fleischwolf der Emanzipation und drehen das uralte Machtverhältnis damit kurz mal um: Lin und Gloria – spürbar idealistisch verkörpert von Karin Hanczewski und Bärbel Schwarz – geben sich nämlich als doppelte Dr. Scharf aus und schicken ihre Schutzbefohlenen ins feministische Bootcamp.

Anstatt das strafmildernde Wochenendseminar in routinierter Einzeltherapie abzureißen, müssen Fußballprofi Kobe (Karim Ben Mansur), App-Programmierer Julian (Sebastian Brandes) und Frauenarzt Ferdinand (Steffen C. Jürgens) mit Filmproduzent Ralf (Nikolaus Kühn) folglich im Schlamm der ostdeutschen Pampa Abbitte leisten für das, was Männer mit zu viel Einfluss offenbar so machen: ungefragt Pimmelbilder verschicken oder anal penetrieren, heimlich 13.505 Vaginas fotografieren oder 87 Frauen unverblümt sexuell missbrauchen.

Eigentlich wollen die Flüchtigen bei aller Freude am umgedrehten Spieß täglicher Demütigungen zwar nur ans Geld der Probanden, um sich damit ins Ausland abzusetzen; doch je tiefer sie ins Innere dieser vier Frauenverächter blicken, desto mehr wird der Rollentausch zur Haltungsfrage. Was anfangs reiner Pragmatismus war, gerät bis zum bizarren Showdown peu à peu zur Rache der Erniedrigten. Daneben allerdings möchte ZDF-Redaktionsleiterin Claudia Tronnier ebenfalls erkunden, was aus Männern wird, "die objektiv des sexualisierten Machtmissbrauchs überführt sind?" Genauer: "Ist die Rehabilitation möglich, hilft eine Therapie?"

Weil sich #heuldoch zuallererst als Groteske versteht, eskaliert die Beantwortung zwar gelegentlich im gediegenen Klamauk. Und warum er ständig mit ulkigem Pianogeplödder unterlegt werden muss, weiß man ohnehin nur am Lerchenberg. Aber wenn die beratungsresistenten Machos nach zarter Läuterungstendenz beim abendlichen Besäufnis Klartext ("was früher eine ganz normale Besprechung war, ist heute eine Vergewaltigung") reden, lässt die Regie den Schwanzvergleich in Affengeschrei übergehen und zeigt damit, wie lang der Weg zur Emanzipation mit diesen Männern noch ist.

Da ist es Florian Frei und Viktoria So Hee Alz zu verdanken, dass ihr Drehbuch erhobene Zeigefinger vermeidet. "Deine Solidarität endet, wenn deine Libido sich meldet", klagt Lin, als Gloria einem der jungen Lustgreise nachgibt. Das macht #heuldoch bei aller Heiterkeit zum achtbaren Sittengemälde einer Gesellschaft, die selbst nach 100 Jahren Frauenwahlrecht rätselt, was schon auch lustig ist am Geschlechterverhältnis und was bitterer Ernst. "Wir erlauben uns bunt zu sein", meint Regisseurin Šuba, "und wir überhöhen". In der trüben Welt männlichen Machtmissbrauchs ein durchaus heilsamer Ansatz.

Die fünf 15-minütigen Episoden von "#heuldoch - Therapie wie noch nie" ststehen ab sofort in den Mediatheken von Arte und ZDF bereit. Ein Zusammenschnitt aller Folgen ist am Montag, 23. November 2020, 0.05 Uhr, im Kleinen Fernsehspiel des ZDF zu sehen.