Wäre "Täglich frisch geröstet" ein Lebensmittel, dann hätte die neue TVNow-Show gute Chancen, mit dem Goldenen Windbeutel, einem Preis für Verbrauchertäuschung, ausgezeichnet zu werden. Denn die Sendung, hinter der Stefan Raab als Produzent steht, läuft nicht täglich, ist alles andere als frisch und ernsthaft geröstet wurde bislang auch niemand. Die Hoffnung, dass der Streamingdienst die deutsche Light-Night-Durststrecke beenden würde, scheint sich so schnell nicht zu erfüllen – und auch die anderen Neustarts, die seit einigen vergangenen Wochen versuchen, dieses Genre mit seinen komplexen Spielregeln zu erobern, wirken bislang nicht so, als könnten sie auf absehbare Zeit eine neue Ära an klassischen Spätshows prägen.

Insbesondere der erschreckend schwache Einstand von "Late Night Alter" bei ZDFneo zeigt, dass es nicht genügt, eine Hochhaus-Kulisse ins Bühnenbild zu klöppeln, um eine gute Late-Night-Show auf die Beine zu stellen, wie man sie zuhauf aus dem amerikanischen Fernsehen kennt, wo Stars wie Stephen Colbert oder Jimmy Kimmel riesige Erfolge feiern. Immerhin wirkt das Format, das die schwere Bürde trägt, auf dem bisherigen Böhmermann-Sendeplatz zu laufen, dank einer Studio-Band und besserer Einspieler mittlerweile etwas runder. Glücklicherweise haben die Verantwortlichen in der vierten Woche gemerkt, dass es besser ist, die Sendung nicht mit dem immer gleichen Einstiegsfilmchen beginnen zu lassen. Es sind erste, zaghafte Wege in die richtige Richtung.

Erheblich erschwert wird der Start für die Hosts von "Late Night Alter" und "Täglich frisch geröstet" allerdings, dass – bedingt durch Corona – derzeit kein Studio-Publikum dabei sein kann. Weil die Reaktionen ausbleiben, verpufft bislang fast jeder Gag im Nichts. Womöglich hätte es beiden Formaten geholfen, erst später und damit unter besseren Rahmenbedingungen loszulegen. Und Jan Böhmermann? Nach der holprigen Premiere, die ohne roten Faden und ohne gute Witze daherkam, war die zweite Ausgabe des "ZDF Magazin Royale" schon deutlich stimmiger. Hier fehlt das Publikum weit weniger, weil Böhmermanns Selbstbewusstsein auch die stillen Momente überlagert. Allein, eine echte Late-Night ist auch seine neue Show nicht.

Rituale und Routine

Streng genommen hat seit dem Abschied von Harald Schmidt und Stefan Raab kein Sender mehr getraut, dieses wunderbare Genre ernsthaft neu zu beleben. Sicher, Klaas Heufer-Umlauf macht mit "Late Night Berlin" inzwischen gewiss eine gute Show, doch der wöchentliche Rhythmus verhindert eine engere Bindung des Publikums an das Format, schließlich lebt Late Night nicht zuletzt von der Tagesaktualität. Sich vom Moderator oder der Moderatorin vor dem Zubettgehen den Tag erklären zu lassen, ist elementarer Bestandteil einer solchen Show. Ganz davon abgesehen, dass es bei wöchentlicher Dosierung viel länger dauert, bis sich so etwas wie Routine einstellt. 

Late Night Berlin © ProSieben / Richard Hübner "Late Night Berlin" mit Klaas Heufer-Umlauf

Routine aber ist elementar für das Gelingen: Wer regelmäßig sendet, hat es leichter, zu abendlichen Ritual zu werden. Das ist wahrscheinlich auch ein Grund dafür, warum Markus Lanz so viel erfolgreicher ist als die wechselnden Nacht-Talks der ARD. Auch Oliver Pocher kämpft nach stundenlangen Serien-Wiederholungen mit seiner RTL-Show regelmäßig auf verlorenem Posten. Ganz zu schweigen von Pierre M. Krause, der zwar seit vielen Jahren mit kleinem Budget eine erstaunlich gute wöchentliche Late-Night liefert, versteckt im Dritten Programm aber beinahe chancenlos ist, für die Aufmerksamkeit zu sorgen, die seine Show verdient.

Ein Mann, der sicher wüsste, wie eine echte Late-Night-Show funktionieren kann, ist auch Luke Mockridge. Wer das Studio seiner "Greatnightshow" in Köln-Mülheim betritt, merkt sofort: Diese imposante Kulisse wäre – ähnlich wie jene von "Täglich frisch geröstet" – geradezu prädestiniert für eine tägliche Show, die darauf ausgelegt ist, zu später Stunde das Publikum zu unterhalten. Leider bleibt es beim Konjunktiv. Anstelle eine gute Show am späten Abend zu stemmen, muss Mockridge zur besten Sendezeit fast drei Stunden füllen, in denen er einem möglichst breiten Publikum gefallen muss.

Dabei musste vor mehr als zehn Jahren schon US-Altmeister Jay Leno feststellen, dass ein Late-Night-Konzept in der Primetime nicht trägt. Während Leno nach einem kurzen Intermezzo wieder auf seinen alten Sendeplatz zurückkehrte und bis zum Ruhestand noch ein paar Jährchen die traditionelle "Tonight Show" präsentierte, ist Luke Mockridge inzwischen dazu übergegangen, seine "Greatnightshow" mit Musik-Castings oder Spielshow-Ideen zu füllen. Late-Night-Atmosphäre? Fehlanzeige. Eine ziemlich verpasste Chance.

Dass es in Deutschland keine tägliche Late-Night-Show nach amerikanischem Vorbild mehr gibt, hängt womöglich auch damit zusammen, dass die großen Sender das Risiko scheuen, seit Anke Engelke einst mit dem Versuch scheiterte, die Nachfolge von Harald Schmidt anzutreten. Gut gemacht, ist eine Sendung dieser Art schließlich nicht zum Schnäppchenpreis zu bekommen. Dem steht im Erfolgsfall jedoch ein echter Image-Gewinn gegenüber. Bloß den steinigen Weg bis dorthin will offenbar kein Sender gehen. So bleibt der Versuch, sich der Faszination Late Night zu nähern, in Deutschland auf absehbare Zeit ein halbherziger.

Mehr zum Thema