Sie sei nichts für schwache Nerven, war im Vorfeld schon über die neue ZDFneo-Serie "Unbroken" zu lesen und dramatisch geht es los: Polizistin Alex Enders taucht nach Tagen blutverschmiert und desorientiert wieder auf. Ihr Baby hat die zuvor hochschwangere Frau verloren, doch erinnern kann sie sich an nichts. Als alle hoffen zur Normalität zurückzukehren, will die Polizistin der Sache auf den Grund gehen, aus privater und beruflicher Motivation. Die Prämisse verspricht Dramatik und eine im positiven Sinne verstörend verstörend spielenden Hauptdarstellerin Aylin Tezel macht den Zugang zur Geschichte sehr persönlich. Doch der starke Auftakt flacht schnell ab. Plötzlich wirkt die mysteriös angeteaserte Serie sehr gewöhnlich. Ungebrochen muss jetzt der Wille sein, dran zu bleiben. Denn es wird besser. Nicht nur der Schmerz von Hauptfigur Alex Enders, auch die Serie. Man versucht es nur - mutmaßlich nicht absichtlich - anfangs gut zu verstecken.

Man wollte eine Geschichte ohne Klischees schreiben, gaben die Serienschöpfer und Drehbuchautoren Marc O. Seng und Andreas Linke in einem Interview mit dem Deutschlandfunk zu Protokoll. Tragisch, dass genau das Gegenteil oft passiert ist: "Unbroken" beginnt mit oft gesehenen Umfeldern und überzeichneten Figuren, ob in der Polizei-Dienststelle oder im privaten Umfeld von Alex. Ihre Kollegen sind alle entweder planlos oder vor allem menschlich regelrecht furchtbar, ihr Freund wirkt so harmlos wie verständnisvoll für jeden noch so plötzlichen Wutausbruch, ihr Ex-Freund dagegen ein cooler, unnahbarer Kampfsportler. Aufgebaut werden Fallhöhen und Erwartungen, die so gewöhnlich sind wie die spätere Erkenntnis, dass nicht alles so ist wie es scheint. Eine Floskel, die offenbar immer noch für Produktionsaufträge reicht.

Die Geschichte von "Unbroken" wird in sechs Folgen erzählt, die ZDFneo heute und morgen in Dreierpacks an zwei Abenden versendet. Einmal mehr gilt: Die lineare Ausstrahlung spielt längst kaum noch eine Rolle, aber rein rechtlich muss halt mal linear über den Sender gehen, was aus dessen Budgettopf kommt, um dann in der Mediathek zu landen. Das führt zur lieblosen wie planlosen Programmierung der vermeintlichen "Neoriginals". Ein Sender, dessen Programm längst mehr als einst einmal geplant aus Wiederholungen des Hauptprogramms besteht, gibt sich größte Mühe, dass neue Programme nicht auffallen. Auch "Sløborn" wurde letzten Sommer schnellstmöglich versendet, vielleicht um das betagte Publikum, das den Sender inzwischen für sich entdeckt hat und mehr von dem Bekannten aus dem Hauptprogramm erwartet, nicht zu lange zu stören.

Wobei "Unbroken" in dem Sinn nicht mal stören würde. Network Movie präsentiert solide Krimi-Kost, wie sie auch im Hauptprogramm laufen könnte, mit einer spektakulären Ausnahme: Aylin Tezel, die ihre Rolle der Alex mit einer Ungeduld und regelrechten Sucht nach Gerechtigkeit und Aufklärung auflädt, dass selbst stille Sequenzen bei der Polizei-Psychologin oder am Tisch mit der Verwandtschaft in denen Alex nicht einmal spricht, mit Mimik und Körpersprache mehr sagen als man für möglich hält. Es ist das Mitgefühl für Alex, was einen durch die Geschichte zieht, auch wenn es beim Zuschauen immer wieder schmerzt, was man dafür in Kauf nehmen muss. Mitunter Dialoge aus dem Lexikon der Kriminal-Klischees und zahlreiche Flashbacks, immer wieder in den moosbewachsenen Wald, in dem Alex verloren umhertorkelt. 

Mystisch sollen sie wirken, diese Szenen, die seit Wochen in Trailern und auch im Intro der Serie benutzt werden. Auch der Packshot der Serie, die blutverschmierte Alex, suggeriert Mysteriöses. All das versprach eine Atmosphäre, die sich weitgehend nicht wiederfindet. Stattdessen typisch deutsche Krimikost. Selbst das serielle Erzählen vermisst man anfangs: Nach den ersten 45 Minuten hält sich die Zugkraft noch in Grenzen. Wenn dann am Ende der zweiten Folge endlich Spannung entsteht, wird deutlich: Das hier wollte ein Dreiteiler werden. Geschrieben und geschnitten auf drei 90-Minüter. Umso schräger, dass ZDFneo es dann weder als Serie, noch als Dreiteiler sondern in zweimal 135 Minuten ausstrahlt. So sieht egales Fernsehen aus. 

Immerhin: Mit der dritten Folge zieht "Unbroken" das Tempo an, wird die Geschichte endlich so drängend wie es die Hauptrolle von Beginn an verkörpert. Aus einem behäbigen Krimi wird doch noch ein Thriller. Aber es dauert eben diese 90 Minuten bis es Fahrt aufnimmt und sich rund um die furiose Aylin Tezel dann endlich eine Geschichte entblättert, die verfängt. Das ist nicht schlecht, aber nicht gut genug um erklärtermaßen anders zu sein, was die Neoriginals vom ZDF bzw. ZDFneo nun einmal sein sollen. Als Dreiteiler im ZDF-Hauptprogramm wäre es besser aufgehoben gewesen. Auf das Umfeld sollte man besonders achten. Das weiß auch Polizistin Alex Enders.

"Unbroken", Dienstag und Mittwoch um 21:45 Uhr in ZDFneo, sowie schon jetzt in der ZDF-Mediathek

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