Wer an diesem Donnerstagabend den Fernseher einschaltete, konnte Armin Laschet zeitweise gleich doppelt begegnen. Während sich der Unions-Kanzlerkandidat im ZDF den vermeintlichen "Klartext"-Fragen des Publikums stellte, trat er im Programm von Sat.1 in eher ungewöhnlicher Mission auf. Da stand Laschet nämlich, ebenso wie Grünen-Chefin Annalena Baerbock und Vizekanzler Olaf Scholz, vor einer Schulklasse und musste sich Fragen stellen, die er für gewöhnlich in Interviews eher selten zu hören bekommt.

"Wären Sie sauer, wenn Ihre Kinder Sie nicht wählen wollen?", lautet eine dieser Fragen, und eine andere: "Haben Sie Freunde in der Politik – und wenn ja, wer?" Da gerät Laschet kurz ins Grübeln. Sicher, es gebe in der Politik "eine Menge, auf die ich mich sehr verlassen kann", antwortet er, doch sein Fokus richtete sich vor allem an viele Freunde außerhalb der Politik, denn: "Es kann auch mal sein, dass du verlierst." Wahre Worte, die im Lichte der aktuellen Umfragewerte eine ganz eigene Bedeutung bekommen.

"Kannste Kanzleramt?", so der Titel des Formats, dem sich international unter anderem schon Emmanuel Macron stellte, liefert auf Basis einer simplen Idee einen gleichermaßen ungewöhnlichen wie interessanten Einblick in die Politik und vor allem in diejenigen, die sie repräsentieren. Interessant ist die Produktion von Redseven Entertainment auch deshalb, weil sie wegen der acht im Klassenzimmer versteckten Kameras einen einigermaßen unverstellten Eindruck ermöglicht. Dazu kommt, dass es hier eben nicht genügt, mit vorgefertigten Standardsätzen um die Ecke zu kommen. Im Zweifel heben die Kids im Alter zwischen 8 und 13 Jahren ihre Kellen und sagen, dass sie etwas nicht verstanden haben.

Ohnehin empfiehlt es sich nicht, sich zu sicher zu fühlen. Denn wer das tut, muss damit rechnen, im nächsten Moment Begriffe wie "konservativ", liberal" oder CO2 an der Tafel erklären oder gar das eigene Wahlprogramm in nur einem Satz zusammenfassen zu müssen. "So eine schwierige Frage habe ich von einem Journalisten noch nie bekommen", gibt Annalena Baerbock sichtlich erstaunt zu Protokoll. Auch als sie später von der Klasse gefragt wird, ob sie denn ein schlechtes Gewissen wegen des Abschreiben ihres Buches habe, muss die Politikerin für einen Moment durchatmen.

Zwischen Basketball und Blockflöte

Ins Straucheln gerät aber auch SPD-Mann Olaf Scholz bei der Frage, ob er das deutsche Wort für "konjugieren" nennen könne und ob er denn wisse, wie viele Nullen eine Dezilliarde hat. Dass es 63 sind, weiß Scholz nicht, macht daraus aber auch keinen Hehl. "Ich hatte Mathe-Leistungskurs", sagt der Politiker und scherzt: "Merkt man nicht, oder?" Immerhin: Kurz darauf schafft er es, drei Töne aus einer Blockflöte zu bekommen und selbst beim Basketballspiel macht der Finanzminister zum Ende seines Schulausflugs eine passable Figur.

Laschet wiederum tut sich eher schwer beim gemeinsamen Singen, lässt sich dafür aber spontan darauf ein, einen anderen bekannten Politiker anzurufen, sodass nach einigen Sekunden plötzlich Jens Spahns Stimme über den Lautsprecher des Ministerpräsidenten-Smartphones den Klassenraum ausfüllt. All das mag nicht wahlentscheidend sein, doch die Art, wie unterschiedlich Laschet, Baerbock und Scholz mit den Kids interagieren, lässt Rückschlüsse darauf zu, wie die drei wohl reagieren, wenn sie sicheres Terrain verlassen müssen.

Und so zeigen sich im Laufe der zwei Stunden eben nicht nur inhaltliche Unterschiede, sondern auch ganz persönliche. Wovor sie am meisten Angst habe, wollen die Kinder von Annalena Baerbock wissen, woraufhin diese in der Mutter-Rolle antwortet: "Dass meinen Kindern was Schlimmes passiert." Olaf Scholz dagegen gibt sich, konfrontiert mit derselben Frage, gänzlich staatsmännisch: Er habe "Sorge, dass es in der Welt nicht friedlich zugeht". Unterschiedlicher hätten die Antworten kaum ausfallen können.

Die schönsten Aussagen liefern aber ohnehin die Kinder selbst: Scholz, so sagt es ein Schüler am Ende, habe "nicht so alt gewirkt wie er wirklich ist". Laschet wiederum, der im Vorstellungsfilm irgendwo zwischen Mitte 40 und Mitte 70 gehalten wird, sei dagegen "ein sympathischer Kerl" und seine Politik auch "ganz okay". Und Baerbock, die zumeist im Stile einer Grundschullehrerin durch die etwas andere TV-Schulstunde manövriert, sei "liebevoll, kreativ - und auch ein bisschen verrückt". Nur schade eigentlich, dass die Kinder in wenigen Wochen noch nicht selbst ihr Kreuzchen machen dürfen.