Wenn Fernsehmacherinnen und -macher sagen, dass sie Sendungen auf Augenhöhe produzieren wollen, meinen sie damit in aller Regel, dass sie nah dran sein wollen an den Menschen. Man will keine abgehobenen Diskussionen führen, sondern sich damit beschäftigen, was viele Menschen umtreibt. Insofern ist es vielleicht nicht die schlechteste Idee von Vox gewesen, RedSeven Entertainment eine Sendung unter dem Titel "GewissensBISSE - Das Fleischexperiment" produzieren zu lassen, in der es um das Verhältnis zwischen Mensch und Tier geht. 

Nach wie vor wird in Deutschland extrem viel Fleisch gegessen. Unter welchen Bedingungen Tiere oft gehalten und geschlachtet werden, ist immer wieder Gegenstand von journalistischer Berichterstattung. Bei Vox will man es nun erlebbar machen: Familien bekommen für vier Wochen jeweils zwei Tiere nach Hause und leben mit ihnen. Nach dieser Zeit müssen sie entscheiden, ob die Tiere geschlachtet werden oder ihren Lebensabend auf einem Gnadenhof verbringen dürfen. In letzterem Fall soll sich die Familie anschließend aber nur noch vegetarisch ernähren. Hier fängt das Problem schon an, denn langfristig überprüft wird letzteres im Rahmen der Sendung nicht. Und so schwingt immer das Gefühl mit, hier einer Inszenierung für die Kameras aufzusitzen. 

"Was, wenn plötzlich alle Gefühle für die Tiere entwickeln?", dröhnt es aus dem Off und jeder Mensch mit einem Hauch Empathie kann sich die Frage wohl selbst beantworten. Natürlich wird es den Familien schwer fallen, die Tiere, mit denen sie zuvor zusammengelebt haben und um die sie sich kümmern mussten, zum Schlachter zu führen - sei es auch ein "mobiler Schlachter", um das Töten möglichst schonend zu betreiben. 

Und so gibt’s zum Auftakt auch erst einmal schöne Tierbilder auf dem Hof von Joey Kelly und seiner Familie. "Ich bin schockverliebt", sagt seine Frau, als zwei Kälber aus dem Transporter auf die Wiese stürmen. Die zwei Tiere erhalten schnell einen Namen und gehören zur Familie. Als einer der Söhne einen Bauern fragt, wie lange die Tiere leben, dreht sich die Stimmung. Unter trauriger Musik wird erklärt, wie lange die Tiere leben. Normalerweise beträgt die Lebenserwartung von Rindern 25 Jahre. Und, ach du Gott: Wenn sie geschlachtet werden, leben sie weniger lang. Für Kalbfleisch werden die Tiere noch früher getötet. 

Die Familien, in der ersten Ausgabe der dreiteiligen Reihe ist das auch noch die Familie Ripka, die zwei Hühner bekommt, erfahren von Tier-Experten einiges über Haltung und Nutzung der Tiere, begleiten im Falle von Joey Kelly aber auch eine Schlachtung. Familie Ripka besucht einen Legehennenbetrieb. "Bisher sah das Hähnchenfleisch auf dem Teller immer so unschuldig aus. Doch das hier ist die Realität", heißt es wieder bedeutungsschwanger aus dem Off. 

Kein Experiment, sondern Aktivismus

Zwar kommen in der Sendung auch der Schlachter und der Betreiber des Legehennenbetriebs zu Wort - und doch schwingt über die 90 Minuten Sendezeit immer eine Botschaft, mal subtil und mal weniger subtil, mit: Fleisch essen ist ganz, ganz schlimm. Überlegt euch das lieber nochmal! Und natürlich kann man das machen, dann sollte man eine Sendung aber vielleicht nicht als Experiment verkaufen, sondern als das was sie ist: Ein Stück Aktivismus, um den Fleischkonsum in Deutschland zu minimieren. 

Durch das Aufeinandertreffen von Mensch und Tier ist die Sendung arg gefühlsduselig und natürlich sollte jeder wissen, woher das Fleisch auf seinem Teller kommt. Dazu muss man das Tier vorher aber nicht in seinem Garten gehalten haben. Denn natürlich entsteht so eine persönliche Bindung, durch die es einem schwer fallen wird, das Lebewesen töten zu lassen. 

Vox gleitet ab ins schmierig-boulevardeske

Und so ist "GewissensBISSE", übrigens eine Sendung, die auf Vorlage des britischen "Meat the Family" umgesetzt wurde, leider oft zu oberflächlich und erinnert eher an eine mehrteilige Reihe bei "taff" oder "Extra". An einer Stelle dreht Vox sogar ab ins schmierig-boulevardeske. "Am Ende trifft die Familie eine Entscheidung, mit der wohl niemand gerechnet hätte", heißt es da zu Beginn über die Kellys. Nun wird ihre Geschichte erst in der dritten Folge aufgeklärt. Das Ergebnis ist eigentlich überhaupt nicht überraschend, nur der tragische Weg dahin, der aber nichts mit der Sendung zu tun hat. So kann man sich im Verlauf einer Sendung natürlich auch vergaloppieren und die Zuschauerinnen und Zuschauer zum Narren halten. Vom vielbeschworenen "voxigen" Gefühl ist an dieser Stelle jedenfalls gar nichts zu spüren. 

Mit der ständigen Moralkeule im Hintergrund ist "GewissensBISSE" leider kein gutes Beispiel für eine ausgewogene Sendung, die abwägt und das mündige Publikum am Ende selbst entscheiden lässt. Das ist vor allem deshalb schade, weil ausgerechnet Vox-Gesicht Tim Mälzer mal in einem Format zu sehen war, in dem er ein Tier ausgenommen hat und dabei authentischer wirkte als diese 90 Minuten Moral-TV. Der Autor dieses Textes hat die Sendung damals gesehen - und isst seither gezwungenermaßen deutlich weniger Fleisch. "GewissensBISSE -  Das Fleischexperiment" wird wohl keinen solchen Impact erzielen. Hier stand offenbar schon vorher fest, was man erreichen will. Und so macht man keine Sendung auf Augenhöhe.