Reporter sind die Aasgeier der Fernsehnation. Während ihnen das Kino ab und an noch beigegraue Denkmäler setzt, haben sie am Bildschirm in der Regel weder Anstand noch Ethos, geschweige denn Skrupel, dafür aber massig schlechte Manieren, Klamotten, Marotten. Reportersätze à la "wir arbeiten so schnell wie möglich und sorgfältig wie nötig", hört man dort daher so selten wie "wenn’s Ihnen um Geld geht, sind wir die Falschen, aber wenn’s ihnen darum geht, dass die Geschichte sauber recherchiert und damit nachhaltig ist, können wir weiterreden".

"Wir", das sind zwei Redakteure der "Süddeutschen Zeitung", denen drei Wiener Halbschattengewächse eine Geschichte von epochaler Wucht vermitteln – so frevlerisch, so bizarr, so kriminell, dass sich Österreichs Demokratie glücklich schätzen darf, in Bastian Obermayer und Frederik Obermaier ausgesprochen höfliche, diskrete, akkurate Journalisten mit Anstand, Skrupel, Ethik gefunden zu haben. Sie sind sogar derart untadelig, dass man beide namentlich in einer dokumentarischen Spielfilmserie zitieren darf: "Die Ibiza-Affäre".

Unter dem Titel wurde im Mai 2019 ein Video publik, das die Alpenrepublik bis heute erschüttert: FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, damals stramm nationalistischer Vize-Kanzler des rechtspopulistischen – unlängst ebenfalls über Korruptionsvorwürfe gestrauchelten – Sebastian Kurz, ließ sich heimlich dabei filmen, wie er einer falschen Oligarchin beim fingierten Insel-Gelage auf den Leim ging. Für erleichterten Marktzugang auf Staatskosten, das belegen sechs Stunden Mitschnitt, hätte der selbsterklärte Freund kleiner Leute ihr Vaterland bedenkenlos an Milliardäre aus Russland verkauft – ein perfekter Stoff für Realsatiren.

Den als erster der österreichische "Tatort"-Regisseur Christopher Schier verfilmt. "Die Ibiza-Affäre" heißt sein Vierteiler so schlicht wie präzise. Bei Sky rollt er diesen Fall illegaler Parteispenden, gepaart mit Straftaten von Veruntreuung bis Vorteilsnahme, fiktional auf. Aber was heißt hier fiktional: auf Basis des gleichnamigen Sachbuches der Enthüllungsjournalisten Obermayer & Obermeier, zu Drehbüchern verarbeitet von Stefan Holtz & Florian Iwersen, produziert in der Ideenfabrik Wiedemann & Berg, wird aus der wilden Politikerjagd zweier Desperados ein Stück Serienunterhaltung mit Niveau, wie man es selten erlebt am Bildschirm. Und das hat gute Gründe.

Der beste heißt wie so oft, wenn Bigotterie und Hybris am Fernseher Haut und Haare kriegen: Nicholas Ofczarek. Als realexistierender Privatdetektiv Julian Hessenthaler treibt er HC Strache (Andreas Lust) und seinem FPÖ-Spezi Johann Gudenus (Julian Looman) mithilfe des Wirtschaftsjuristen Ramin Mirfakhrai (David A. Hamade) über vier Folgen hinweg in die Grube einer Ferienfinca, wo sie der Fake-Milliardärin Aljona (Anna Gorshkova) Österreichs größte Boulevardzeitung und andere Investments im Tausch für Gefälligkeitsartikel anbieten.

Nun wäre Ofczarek nicht Ofczarek, bliebe es bei dieser politischen Intrige, die ja nicht nur unter österreichischen Demokratieverächtern gang und gäbe ist. Auf dem Weg zum geldwerten Scoop hurt sich sein Ermittler in eigener Sache natürlich noch bildgewaltig durch das Wien der Reichen und Schönen, die an einem Abend im Nobelclub den Gegenwert von vier Sozialhilfesätzen in Vodka umsetzen und deren fünf in Dreisternemenüs. Mit offenem Hemd, Schmerbauch und Schnauzer, begleitet er das Publikum in eine Oberschicht, die den Pöbel darunter allenfalls als Servicekräfte duldet.

Ofczareks Sittengemälde allein hätte "Die Ibiza-Affäre" also bereits zum beispiellosen Streamingereignis gemacht, das der persische Österreicher Mirfakhai nebenbei ins Zwielicht einer rassistischen Mehrheitsgesellschaft auf dem Weg zur rechtspopulistischen Kleptokratie rückt. Wirklich bedeutungsvoll wird es allerdings erst durch den Kontrast zur Eskalationsspirale in Gestalt der journalistischen Aufarbeitung. Während sich vier Alpharüden auf dem Weg zum Balearen-Showdown aus grundverschiedenen Motiven heraus umkreisen wie gierige Löwen, die Frauen allenfalls Nebenrollen von Lockvogel über Gattin bis Hure lassen, grundieren Bastian Obermayer und Frederik Obermaier das Machtspiel mit dem, was diese Gesellschaft trotz rechtsextremer Disruptionen noch einigermaßen am Laufen hält: professionelles Pflichtbewusstsein, gepaart mit journalistischer Haltung.

Optisch, akustisch, ästhetisch nah an glamourösen Heist-Movies wie "Ocean’s 11-13", orientiert sich "Die Ibiza-Affäre" dabei unverkennbar am oscarprämierten Watergate-Drama "Die Unbestechlichen" von 1976, als Robert Redford und Dustin Hoffman gegen alle Widerstände den Dreck am Stecken von Straches Vorläufer Richard Nixon kratzten. Das internationale Renommee der beiden Hollywoodstars dürfte Patrick Güldenberg und Stefan Murr zwar lebenslang verwehrt bleiben; mit welch staunendem Aufklärungseifer sie ihre investigativen Reporter verkörpern, ist jedoch ein wunderbares Plädoyer für unabhängige Medien, ohne deren Vertreter zu überhöhen.

In Zeiten "Lügenpresse" grölender Denkverweigerer von halbrechts bis rechtsaußen ist das fast noch mehr wert als einer der originellsten Politthriller seit Barry Levinsons tragikomischem Prachtexemplar "Wag the Dog" von 1997. Denn hat Christopher Schier die Geschichte ja nicht nur sauber und nachhaltig recherchiert, sondern mit überbordender Fantasie zur geistreichen Realsatire aufgeplustert. Trotz demokratiezersetzender Faktenlage ist "Die Ibiza-Affäre" schließlich vor allem eines: unglaublich aufregend.

Die vier Folgen von "Die Ibiza-Affäre" laufen am 21. und 28.10. jeweils in Doppelpacks ab 20:15 Uhr bei Sky Atlantic HD. Alle vier Episoden sind zudem via Sky Ticket und Sky Q abrufbar.