Das Licht am Ende des Tunnels dient vielen bekanntlich als Hoffnungsschimmer. Wäre dieser Tunnel, sagen wir: der ARD-Sechsteiler „Ein Hauch von Amerika“ – seine Zuschauer sollten sich zügig aufs hellste Licht darin zubewegen: Elisa Schlott. Ein halbes Leben, nachdem sie als Tochter der „Frau vom Checkpoint Charlie“ Meriten gesammelt hatte und für radikalreale Figuren wie die drogensüchtige Rita im Kieler „Tatort“ Lobeshymnen, hellt Deutschlands imposanteste Schauspielerin ihrer Generation ja selbst dunkelste Stollen der Fernsehunterhaltung auf. Warum also nicht auch diesen.

Mit einer trotzigen Verzweiflung, die niemand beherzter mimt als die 27-jährige Berlinerin, verkörpert Elisa Schlott das karge Dasein der pfälzischen Bauerstochter Marie. Aufopferungsvoll kämpft sie Anfang der Fünfziger gegen Not und Elend, Männergewalt und Frauenschwäche, Tradition und Moderne, alles vereint in der einer Besatzungsmacht, die den Eingeborenen das Leben versauert. Während ihr Freund Siegi (Jonas Nay) in Russland verschollen ist, will Colonel McCoy (Philippe Brenninkmeyer) die US-Kaserne ausgerechnet auf dem Land der Kastners erweitern – jener trockene Acker, in dem gerade ein Blindgänger den Hofhund zerrissen hat. Und dann fährt auch noch ein US-Panzer die Kartoffelernte platt.

Böse Befreier – wäre der Fahrer nicht ein freundlicher GI namens George (Reomy D. Mpeho), der den Schaden wiedergutmachen will und nebenbei das Herz von Marie erobern. Schon hier erweist sich das vielversprechende Licht am Ende des Tunnels also als heranrasender Zug. Denn die ARD ist sich weder reaktionär noch bieder, geschweige denn blöde genug, um die politisch knallharte Nachkriegszeit zwischen Diktatur und Wirtschaftswunder in sämiger Soße melodramatischer Geschichtsklitterung weichzukochen.

Während Kaltenstein – das kaum zufällig ans Nonnenkloster Kaltenthal der Vorabendserie „Um Himmels Willen“ an gleicher Stelle erinnert – sechs Jahre nach Adolf Hitlers Ende verblüffend nazifrei zu sein scheint, füllt Regisseur Dror Zahavi sein Serienland mit US-Soldaten, die den unsichtbaren NS-Schergen in Sachen Niedertracht locker das Wasser reichen. Nach Drehbüchern des Writers Rooms um den Historytainer Jo Baier („Stauffenberg“), sind fast alle weißen Amerikaner hier rassistische Sexisten, die Schwarze Kameraden wie Maries Lover George – Nachname, Tättäh: Washington – permanent demütigen und ihre freiheitsliebende Freundin Erika (Franziska Brandmeier) gruppenvergewaltigen.

Beigegraue Belanglosigkeit

Im Dorfkrug stehen zwar stets ein paar Einwohner auf, wenn die frisch gelieferte Musicbox für die GIs und ihre Frauleins das spielt, was sie – unterm Vorspann-Verweis, es spiegele die Sprache jener Tage wider – entrüstet „Nigger-Musik“ nennen. Wenn Erikas fromme Mutter (Anna Schudt) ihre lasterhafte Tochter im Nonnenkloster auf den Pfad der Tugend zurückprügeln lässt, thematisiert „Ein Hauch von Amerika“ zudem die zeitgenössische Bigotterie. Insgesamt aber sind die Befreier meist schlimmer als alle Befreiten. Und als Siegis unverhoffte Rückkehr im 3. Teil die genretypische Dreiecksgeschichte einläutet, schäumt der Dreiteiler endgültig im geschichtsvergessenen Pathos der Ära Guido Knopp auf.

Zum Glück aber fährt der herannahende Zug zwischenzeitlich aufs Nebengleis und das Licht am Ende des Tunnels entspringt wieder der Sonne. Während sich die ARD-Zielgruppe der Sisi-Ära wohl schon aufs Hochzeitsglockenfinale vorbereitet, erinnert der geflohene Wirt (Samuel Finzi) sein Umfeld nämlich daran, dass Kaltenstein für Juden wie ihn vor 1945 wohl doch kein ganz so sicheres Pflaster war. In einem Anflug historischer Präzision, konfrontiert er Bürgermeister Strumm (Dietmar Bär) mit dessen Vergangenheit, zu der das Dorf gern weiter geschwiegen hätte. Kurz scheint es da, Regisseur Zahavi hätte sich seiner israelischen Herkunft besonnen und aus „Ein Hauch von Amerika“ etwas Differenziertes wie das Reich-Ranicki-Biopic „Mein Leben“ gemacht. Leider besinnt er sich eher auf sein nazifreies Kitschfeuerwerk „Die Luftbrücke“ und taucht viele der 270 Minuten in beigegraue Belanglosigkeit.

Wie in gefühlt 1933 Reanimationen der Vor- bis Nachkriegszeit zuvor, legt die ARD also mehr Gewicht auf dekorative als menschliche Authentizität und bevölkert ihre Kulissen mit Accessoires statt Charakteren. Dietmar Bär zum Beispiel ist als Kriegsgewinnler mit arisiertem Baustoffhandel etwa so glaubhaft wie sein lächerliches Haarteil. Bei Anna Schudts Theaterkurs-Pietismus würde sich Ruth Leuwerik im Grab umdrehen. Und warum der angeblich alteingesessene Landwirt Kastner im Berlinerisch seines Darstellers Aljoscha Stadelmann durch die West-Pfalz pöbelt, bleibt ein ähnliches Besetzungsgeheimnis wie all die Amerikaner, denen deutsche Schauspieler Akzente am Rande der Parodie verpassen.

Selbst der begabte Jonas Nay nervt nach der 1945. Hosenträgerrolle mehr, als ihr Gehalt zu verleihen. Und weil den Verantwortlichen der Fuhrpark antiquierter Autos wie immer in hiesiger Geschichtsunterhaltung wichtiger war als dramaturgische Akkuratesse, geht auch Elisa Schlott bis zum fortsetzungstauglichen Geigenabspann unter im stereotypen Brei einer Hochglanzproduktion, für die man das Erste trotz aller Versuche, Rassismus und Misogynie anzuprangern, hart bestrafen müsste. Vorschlag: alle im Tunnel einsperren und die Ausgänge mit Bildschirmen verbarrikadieren, auf denen sämtliche Hitler-war’s-allein-Dokudramen seit 1999 in Endlosschleife laufen. Schlimmer als „Ein Hauch von Amerika“ wäre das nicht…

Alle sechs Folgen stehen bereits in der ARD-Mediathek zum Abruf bereit. Das Erste zeigt jeweils zwei Folgen am Mittwoch, 1.12, Samstag, 4.12. und Mittwoch 8.12. ab 20:15 Uhr