Schnell muss es gehen beim von Odeon Entertainment produzierten RTLzwei-Neustart "Family Project: Kampf durch die Wildnis", damit a) niemand die Lust verliert und b) auch ja keine Zweifel am zweifelhaften Therapiemodell für zweifelsfrei gestörte Familienkonstellationen aufkommen. Keine halbe Stunde der Sendung ist vorbei, da sagt Mama Vanessa in die Kamera, sie konnte sich fallen lassen und total auf ihre Tochter verlassen. Dabei ist zwischen Vanessa und der erst 15 Jahre alten Mia gar nichts gut – und Ähnliches trifft auf zwei weitere Eltern-Kind-Duos zu, wie die Moderierenden oder der Off-Sprecher im "Family Project" fast im Fünf-Minuten-Takt wiederholen. 

Nicht nur Mia und Vanessa haben sich auseinander gelebt, Reibereien grundsätzlicher Natur gibt es auch zwischen Linus (16) und Melanie. Die ist sich nicht zu schade, ihren Sprössling im Fernsehen ein "Arschlochkind" zu nennen und berichtet von Sorgen über möglichen Drogenkonsum und zu spätes Nach-Hause-Kommen. In all diesen Fällen soll ein mehrtägiger, gemeinsamer Wildnisaufenthalt für Linderung sorgen. Während dieser Zeit gilt es immer wieder vertrauensbildende Aufgaben zu bestehen, die ein ums andere Mal die extrem geringe gegenseitige Frustrationstoleranz zu Tage fördern.

Gefühlsschwangere Musik

Damit auch niemandem was durchrutscht, werden alle Aktionen im raschen Wechsel etwa mit dramatischem Tusch und folgender schrecklich trauriger Klaviermusik unterlegt, nur um kurz danach Bilder bestandener Aufgaben mit locker-fröhlichen Chart-Hits zu untermalen. Wer also den Inhalt dieser Sendung nicht verstanden hat, kann immerhin an der Musik ableiten, ob irgendetwas in diesem Programm gerade den richtigen oder den falschen Weg geht. Das gilt auch für den emotionalen Höhepunkt der Episode, als Kandidat Ingo in Folge von Überanstrengung zu hyperventilieren beginnt und die offensichtliche Gefühlslage seines Sohnes Mikel haarklein aus dem Off erklärt wird. Wenn Bilder nicht für sich sprechen, kann nachgeholfen werden – "Family Project" überdreht aber mit der zudem stets erschlagenden Musik und den später nochmals nachhakenden und erklärenden Moderierenden Miriam Höller und Survival-Profi Sven "Flosse" Schulz.

So ist der Neustart eine dauerhafte Unterforderung der Intelligenz des Publikums – und dürfte angesichts einiger in der Tat schwieriger Eltern-Kind-Duos auch keine dauerhafte Lösung bieten, insbesondere dann nicht, wenn die Protagonistinnen und Protagonisten diese Extremsituation samt Kameras verlassen und wieder in ihrem Alltag zurück sind. Hier dürfte "Family Project" noch weniger Wirkung entfachen als frühere Projekte, die renitente Kids zur Vernunft bringen sollten ("Ab ins Kloster", "Endstation Wildnis").

 

"Family Project" ist Familiencoaching in der Wildnis, dessen Extremsituation schnelle Erfolge zum Vorschein bringt, die dem Publikum aber durch schwülstige Off-Texte ("Melanie und Linus haben etwas wiedergefunden, was sie vor langer Zeit verloren haben") kaputt gemacht werden. Wenn es am Ende der Folge plötzlich heißt, dass es "jetzt funktioniert wie es sein sollte" zwischen Mutter und Tochter, dann bleibt nur zu hoffen, dass die Beziehungsverbesserung nicht nur auf sehr kurzfristiger Basis besteht. "Family Project" hingegen funktioniert als Format nicht so wie es sollte, weil es dem Publikum a) zu wenig zutraut und b) zu wenig Zeit investiert, um tiefergehend Probleme offenzulegen und auszuräumen.

RTLzwei zeigt vier Folgen von "Family Project: Kampf durch die Wildnis" mittwochs um 20:15 Uhr.