Der erste Begeisterungssturm erfasst das Kölner Residenz-Kino, als Moderatorin Miriam Davoudvandi den bevorstehenden Premierenabend vom sonst üblichen TV-Geschehen abgrenzt: "Unser Fernsehen ist immer noch sehr weiß, sehr alt, sehr akademisch und sehr verstaubt." In den folgenden zwei Stunden wird der Saal vor Jubelschreien und Partystimmung nur so beben. Denn auf der Leinwand ist das krasse Gegenteil von all dem Typischen zu sehen. Große Teile der rechtsrheinischen migrantischen Hip-Hop-Community feiern Szene für Szene, wie sie ihr ureigenes Lebensgefühl in eine Serie transportiert haben.

"Hype" firmiert als "Rap-Musical-Serie", die Köln-Porz auf die Karte bringen will, und bedient sich dazu authentischer Figuren mit alltagsnahen Schicksalen. Erzählt wird die Geschichte des leidenschaftlichen Rappers Musa (Soufiane El Mesaudi), der von der großen Karriere träumt, aber ständig zwischen die Fronten gerät: auf der einen Seite Drogendealer Emo (Leonidas Emre Pakkan), der den Porzer Hochhausblock kontrolliert, auf der anderen die Polizei. Die aufstrebende Influencerin Naila (Nora Henes) hat es derweil dank ihres Erfolgs aus dem Viertel heraus auf die andere Rheinseite geschafft, doch ihr scheinbar perfektes Leben steht im Widerspruch zu ihrer Herkunft. Dass ihr Jugendschwarm Emo im Zentrum krimineller Machenschaften steht, ahnt sie nicht. Im Lauf der fünf rund 20-minütigen Folgen müssen Naila und Musa für ihren Platz in der Welt hart kämpfen.

"Uns geht es darum, unsere eigene Geschichte zu erzählen", sagen Esra und Patrick Phul, die Autoren, Regisseure und Produzenten von "Hype", sichtlich bewegt auf der Premierenbühne. "Was wir im Hip-Hop seit Jahren machen, tragen wir jetzt auch in die Filmbranche." Dass junge deutsche Kreative mit türkischen, arabischen und afrikanischen Wurzeln vor und hinter der Kamera wie selbstverständlich eine Stimme bekommen, ist eben leider immer noch – alles andere als selbstverständlich. "Hype" gelingt ein lautstarkes Plädoyer für die Kraft dieser Vielfalt, ganz ohne verkopftes Bemühen um Political Correctness. Was dieses lebensfrohe Low-Budget-Werk zum integrativen Fest macht, ist sein unverstelltes Selbstbewusstsein, sein präziser Sinn für Herz und Heimat sowie die ansteckende Musikalität.

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Die Plattenbauten von Porz, denen es mitunter an Reinigung und Reparatur mangelt, werden hier weder zum "Ghetto" abgestempelt noch als "Hood" glorifiziert, sondern mit erfahrenem Blick von innen als Ort der Alltagsrealität in all seinen Schattierungen beschrieben. Ebenso geht das Showrunner-Ehepaar Phul mit seinen Figuren um – jenen Jugendlichen, die Talent haben, aber selten Gelegenheit, es zu zeigen; die von ihren weißen Mittelschichtsfreunden beäugt oder bemitleidet werden; die Zusammengehörigkeitsgefühl in der Isolation entwickeln; und denen die schiefe Bahn manchmal wie der schnellste Ausweg erscheint. Ungefiltert, aber nicht verherrlichend, stellt die Serie Gewalt und Kriminalität neben Liebe und Stolz und lässt damit plastisch nachempfinden, wie sich widerstreitende Gefühle im Rap Bahn brechen.

Auch für Nicht-Kenner der Szene erschließt sich die Emotionalität der Songs sehr schnell und unmittelbar. Das liegt an den eingängigen Beats von Samuele "Frio" Frijo und daran, dass die echten Rapper um El Mesaudi und Pakkan ihre eigenen Lyrics performen – oftmals begleitet von energisch-druckvollen Tanz-Choreografien von Dayan Raheem. Die Schauspieltechnik mag längst nicht bei allen im Cast perfekt sein, doch die spürbar authentische Leidenschaft macht das mehr als wett. "Sehr oft habe ich den Vorteil, dass ich Szenen, die ich gerade spielte, mit Szenen vergleichen kann, die in der Vergangenheit wirklich passiert sind. Dann konnte ich mich super auf diesen Mood einstellen", gibt El Mesaudi zu Protokoll, der im wahren Leben unter dem Künstlernamen Safo rappt. Ein zentraler Satz seiner Rolle Musa in der Serie: "Jungs wie wir begehen trotz guter Absicht leider schlechte Taten."

Angesichts des überzeugenden Ergebnisses kann man von Glück sagen, dass Esra und Patrick Phul die 1Live- und Cosmo-Programmchefin Schiwa Schlei kannten und sie mit einem in Eigenregie entstandenen Trailer für "Hype" begeisterten. "Die Serie vereint alles, was unser junges, internationales Kulturangebot ausmacht", so Schlei bei der Premiere: "Diversity, Innovation, Authentizität, kulturelle Vielfalt und gute Unterhaltung – unter anderem für ein Publikum mit Migrationsgeschichte." Dass sie die Kollegen der WDR-Fiction und die Produktionsfirma eitelsonnenschein an Bord holte, machte das hoffentlich beispielhafte Projekt erst möglich.

"Hype", in der ARD-Mediathek, im YouTube-Kanal von WDR Cosmo und am 12. Mai um 23:10 Uhr auf One