Wer einmal das gesamte Internet ausdrucken will, bräuchte dafür unzählige Milliarden Blätter Papier. Und vermutlich bräuchte es gleich mehrere Leben, um alle Videos zu sehen, die jemals im Netz hochgeladen worden sind. Da kann man sich also schon mal schnell verirren. In die ZDF-Mediathek beispielsweise. Oder besser gesagt in die "besseresser"-Rubrik, die irgendwo angedockt ist an das Doku-Label "ZDFzeit", das seit zehn Jahren für alles und gar nichts steht.

Wo es gerade noch um den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ging, kommt in der nächsten Woche plötzlich Harald Lesch um die Ecke, um Fakten über UFOs zu erklären, und den Sprung von Roland Kaiser über Herzogin Kate bis hin zu Wladimir Putin meistert "ZDFzeit" ebenfalls bravourös. Am besten aber kommen beim Publikum für gewöhnlich jene Sendungen an, in denen der TV-Koch Nelson Müller wahlweise den sogenannten Fett- oder Zucker-Kompass herauskramt, oder sein Kollege, der Produktentwickler Sebastian Lege, innerhalb einer Dreiviertelstunde die vermeintlichen "Tricks der Lebensmittelindustrie" aufdröselt.

Lege ist offenkundig auch so etwas wie der heimliche Star der besagten "besseresser"-Rubrik, mit der sich das ZDF seit geraumer Zeit daran versucht, den TV-Erfolg der Lebensmittel-Dokus ins Internet auszudehnen – und sich dabei nicht zu schade dafür ist, die Messlatte möglichst weit nach unten zu hängen. Dafür hat sich der Sender die "besseresser Challenge" ausgedacht, eine Art "Kitchen Impossible" für Anspruchslose. In jeder der rund 13-minütigen Clips bekommt Lege ein Industrieprodukt vorgelegt, um es möglichst detailgetreu nachzumachen.

Das könnte, wie die Vox-Show in etwas abgewandelter Show zeigt, gleichermaßen interessant wie unterhaltsam sein. Doch aus unerfindlichen Gründen macht Lege zusammen mit seinem Aufgabensteller namens Flo jede, aber auch wirklich jede Folge zur Lachnummer. Völlig aufgedreht und überdreht lacht oder brüllt der gelernte Koch mit bewundernswerter Schmerzfreiheit in die Kamera – und wenn es ganz schlecht läuft, macht er sogar beides zusammen. Das Zusammenspiel zwischen beiden Protagonisten soll vermutlich lustig gemeint sein, wirkt in den meisten Fällen aber bestensfalls wie das halbgare Bühnenprogramm eines mittelprächtigen Nachwuchskomikers. Warum Lege, der einst schon in der längst vergessenen Kabel-Eins-Show "Quiz mit Biss" den Koch-Clown mimte, immerzu zum Comedian avancieren muss, wo seine Stärken doch ganz offensichtlich im Kulinarischen liegen, bleibt im Unklaren.

Sebastian Lege © ZDF Sebastian Lege mit vollem Einsatz.

Schon die Vorschaubilder, mit der ZDF in seiner Mediathek und auf YouTube auf die von Story House produzierten Challenges aufmerksam machen will, geben einen Einblick in diese Video-Welt des Schreckens: Lege mit weit aufgerissenen Augen neben Toaster-Strudel, Lege mit halben Donuts an seinen Ohren, Lege mit Benjamin Blümchen im Mund. Nein, das ist wahrlich nichts für schwache Nerven. In einer Folge, in der von Lege verlangt wird, Instant-Tee herzustellen, offenbart ihm sein Aufgabensteller Flo, mittlerweile Angst vor ihm zu haben, woraufhin der Koch ihn streichelt und schließlich ein lautes Lachen ausstößt – das von der Produkion nachträglich mit einem Hall-Effekt versehen wurde, mutmaßlich, um das Ausmaß der Qual noch weiter zu verdeutlichen.

In einer anderen Episode muss sich Sebastian Lege vor dem der Challenge vorangestellten Produkt-Ratespiel eine mit großen Katzenaugen versehene Maske aufgesetzen, was ihn zu der Frage verleitet: "Sag mal, macht dich das ein bisschen geil?". Kurz danach bekommt er von Flo eine kleine Menge Sprühkäse in den Mund gespritzt, die Lege im nächsten Moment direkt wieder auf den Tisch spuckt. Kaum besser wird es, wenn sich Lege und sein Kompagnon beim Nachbacken von Neapolitaner-Waffeln bemühen, das Video mit einem Wiener Dialekt zu beginnen, der vermutlich jedem echten Wiener die Ohren bluten lässt.

Das alles ist leider so schlimm wie es sich anhört, und es ist völlig unklar, welche Zielgruppe diese Videos auch nur im Ansatz lustig finden soll. "Der haut hier einen raus wie beim Laientheater", sagt Sebastian Lege in der Neapolitaner-Folge über Flo. Streng genommen trifft seine Feststellung jedoch tragischerweise auf die gesamte Sendung zu, die, wann immer sie interessant zu werden droht, schlagartig ins Lächerliche kippt. Dass die Videos mit Titeln wie "Ulkige Ufonauten", "Glutamat Gangster" oder "Dreister Döner" in veraintveenöser Alliteration daherkommen, überrascht dann auch nicht weiter.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass irgendein Zauber von Leges verstörenden "besseresser"-Videos ausgehen muss. Besagte Spühkäse-Folge (natürlich übeschrieben mit "Schräger Sprühkäse") bringt es bei YouTube auf mehr als 700.000 Abrufe, dazu werden noch einige weitere in der ZDF-Mediathek hinzukommen. Die Produktion weiterer Folgen steht also zu befürchten. Und wer weiß, vielleicht folgt sogar eine Comedyshow mit dem Koch. "Die Kochenshow" vielleicht? Oder "7 Tage, 7 Töpfe"? Vom Humor käm's hin.