Und jetzt reicht's auch mit Online-Events: Zu dieser Erkenntnis konnte man nach den Corona-bedingt erstmals ins Digitale verschobenen Screenforce Days schon vor einem Jahr gelangen, wie an dieser Stelle nachzulesen ist. Die erneut ausschließlich gestreamten Streamings in diesem Jahr lassen daher nur einen Schluss zu: Jetzt reicht's mit Online-Events - und zwar erst recht!

Um es direkt vorweg zu schreiben: Schlecht waren sie nicht, die diesjährigen Screenforce Days, die an diesem Donnerstag mit einem Österreich- und Schweiz-Schwerpunkt noch in die Verlängerung gehen, sieht man mal von den mitunter arg kurz bemessenen Mittagspausen ab. Immer wieder war zu sehen, wie viel Mühe sich die Sender und ihre Vermarkter gaben; wie sie oft mit großer Liebe für kleine Details in ihren Inszenierungen sorgten. Wahr ist aber auch, dass die Magie, die die Gattungsinitiative Screenforce so gerne beschwört, ein Stück weit verloren geht, wenn sich die Branche im Büro oder Homeoffice vor Monitoren versammelt und nicht im großen Fernsehstudio, wo TV-Stars ein Feuerwerk abfackeln, um die Werbekunden davon zu überzeugen, den einen oder anderen Euro mehr auszugeben.

Wie groß die Diskrepanz sein kann, wurde in diesem Jahr nirgends sichtbarer als bei El Cartel. Wohl keiner hat es seit 2017 bei den Screenforce Days so sehr krachen lassen wie der Vermarkter von RTLzwei. Ob nackte Männer oder Scooter - ein ums andere Mal sorgte El Cartel für große Überraschungen auf der Bühne. Diesmal jedoch gaben sich die Verantwortlichen erstaunlich zurückhaltend und uninspiriert, setzten RTLzwei-Chef Andreas Bartl im Gespräch mit Moderatorin Collien Ulmen-Fernandes als nachdenklichen Fernsehphilosophen in Szene und erweckten dadurch mitunter den Eindruck, nicht einmal selbst für das eigene Programm zu brennen.

Auch RTL Deutschland setzte in seinem Screening am Mittwoch immer wieder auf ernste Gespräche, ließ Stephan Schäfer, Matthias Dang und Henning Tewes im Gespräch mit Pinar Atalay aber doch vorwiegend nur das erzählen, was ohnehin längst bekannt war. Da ging's ganz viel um die Marke im Allgemeinen und erstaunlich wenig um das Programm im Speziellen, sodass nach einer Stunde kaum hängen blieb, mit welchen Highlights RTL, Vox oder auch der Streamingdienst RTL+ eigentlich in der neuen Saison glänzen wollen. Immerhin: Die Idee, die Talks in eine an RTL angepasste Version des Film-Klassikers "Zurück in die Zukunft" mit Laura Wontorra und Daniel Hartwich einzuspannen, hatte großen Unterhaltungswert - auch, weil die beiden Protagonisten eine erstaunliche Spielfreude an den Tag legten.

Screenforce Days RTL-Screening © RTL Laura Wontorra und Daniel Hartwich gehen für RTL "Zurück in die Zukunft".

Deutlich klarere Programmansagen machte da schon die Seven.One Entertainment Group: Eingebettet in eine amüsante Screenforce-Version von "TV total" kündigte Doppel-Senderchef Daniel Rosemann im Gespräch mit Moderator Sebastian Pufpaff neue Eigenproduktionen an, die den traditionellen Sonntagabend-Blockbuster bei ProSieben ersetzen sollen, und sprach über seine Umbaupläne für das Tagesprogramm von Sat.1. Kabel-Eins-Chef Marc Rasmus wiederum, zuvor sportlich über die Feuerwehrstange ins Studio gekommen, stellte einen weiteren Abend mit deutschen Formaten in Aussicht und Sixx-Chefin Ellen Koch hatte frische Shows im Gepäck.

Vermarktungschef Thomas Wagner spulte zwischendrin zwar seine obliagtorischen Botschaften an die Werbekunden ab, profitierte dabei aber von passenden Unterbrechungen durch Pufpaffs berühmtes Nippelboard. Die Lacher hatte er damit auf seiner Seite. Dass Entertainment-Vorstand Wolfgang Link, von Pufpaff als "Chef der Chefs" angekündigt, zu Beginn die Anmoderation standesgemäß von der großen Pappe ablas, versteht sich von selbst. 

Wolfgang Link bei den Screenforce Days 2022 © Seven.One Entertainment Group Wolfgang Link als Ansager bei "TV total".

Interessantes Detail: Sowohl ProSiebenSat.1 als auch RTL Deutschland setzten bei der Umsetzung ihrer Screenings auf die Expertise aus der Banijay-Gruppe. Dazwischen boten die diesjährigen Screenings viel Erwartbares: Sky Media und Disney überzeugten mit ansehlichen Filmen und das Team von ARD Media erarbeitete sich zumindest eine Tapferkeitsmedaille, weil das vermarktungsfähige Programm zwischen Quiz, Krimis und Fußball schlicht gewohnt überschaubar ausfiel. Cool wie immer präsentierte sich am ersten Tag zudem die Visoon-Truppe, die ihren Screenforce-Rap allen, die nicht davon genug bekommen konnten, anschließend sogar zum Download anbot. 

Das stimmigste Screening bot in diesem Jahr allerdings ohne Zweifel Warner Bros. Discovery, das seine kleine Senderfamilie fast schon Hollywood-like präsentierte - nicht zuletzt ein Verdienst von Sales-Chef Markus Spangler, der eine erstaunliche Spielfreude an den Tag legte und sich nicht mal dafür zu schade war, sich in bunten Fummeln zu präsentieren, um seiner Begeisterung für den hauseigenen Frauensender TLC Nachdruck zu verleihen. Am Ende konnte man nicht nur über das mittlerweile stark angewachsene Senderportfolio von Warner Bros. Discovery staunen, sondern hatte auch noch einige Neuigkeiten zum Programm mit auf den Weg bekommen - allen voran den Starttermin des Streamingdienstes Discovery+.

Unterm Strich blieben die ganz großen Wow-Effekte bei den Screenforce Days 2022 aber aus, was auch damit zusammenhängt, dass die eigentliche Idee der Programm-Screenings in den Hintergrund rückte und von den Vermarktern stattdessen leider oft die jeweiligen Marken in den Vordergrund gerückt wurden. Vor allem aber lebt eine Verkaufsshow wie die Screenforce Days auch von großen Auftritten, auf die die Branche auch diesmal wegen des Digital-Formats verzichten musste. Und so sollte es doch - kleiner Gruß nach Unterföhring - außer Frage stehen, dass die Veranstaltung im kommenden Jahr endlich wieder in Präsenz stattfindet, schließlich reicht's uns doch allen mit Online-Events. Jetzt erst recht.