Seit Jahren zeigen "Die Höhle der Löwen" und "Goodbye Deutschland – Die Auswanderer" ihrem Sender Vox, was es heißt, verlässlich gute Quoten zu liefern. Allzu verständlich also, dass das Management-Team des Privatsenders besonders hellhörig wird, wenn es um Ideen geht, die in eine ähnliche Richtung gehen. So war das wohl auch bei dem konzeptuell reichlich interessanten neuen Format "Das spanische Dorf", das RTL Studios für den Sender umgesetzt hat. Im Kern behandelt es das auch in Deutschland bekannte Thema der Dorfflucht; umgesetzt wird es allerdings irgendwo im wunderschönen Nirgendwo in Spanien. Günstige Immobilienpreise sollen dort nun zum Magnet für kreative Geschäftsleute sein - und dem traumhaften Rubite somit neues Leben einhauchen.

Naja, wie wunderschön das kleine Bergdorf wirklich ist, mag auch ein wenig im Auge des Betrachters liegen. Denn das Publikum des Vox-Neustarts bekommt in der doch etwas zähen Anfangsphase vor allem zu sehen, wie einige der insgesamt neun teilnehmenden Paare von einer Bruchbude in die nächste spazieren und sich lediglich ausmalen können, ob es irgendwie möglich erscheint, ihre Vision darin umzusetzen. Bruchbuden und Visionen – das Format bewegt sich im Spannungsfeld dieser vermeintlichen Gegensätze. 

Das spanische Dorf © RTL / RTL Studios Einige Behausungen in Rubite haben ihre besten Jahre sehr deutlich hinter sich.

Rubites Bürgermeister, der mit rauchiger Stimme sprechende Arsenio, macht klar: Sein Dorf braucht zum Überleben neue Projekte, "die Profit bringen". Denn derzeit begrüßt eine leerstehende Gastronomie die wenigen Touristen am Ortseingang, nicht einmal eine kleine Kneipe hat Rubite zu bieten. Kreativität und Gründergeist ist also gefragt, und kommen soll der von Menschen aus Deutschland. Gesucht sind, wie es im Laufe der ersten Folge heißt, nicht weniger als die "besten Auswanderer der Welt". Und so spazieren in dem Dorf neun Paare durch den Ortskern, wollen dort Roof-Top-Bars, Erste-Hilfe-Kurse, Yoga-Stunden, Reit-Unterricht anbieten oder gar ein neues Hotel aufbauen.

Ähnlich wie bei "Goodbye Deutschland" zeigt sich, dass beim Traum vom Auswandern in ein anderes Land immer auch ein bisschen Enttäuschung in der Heimat, Wagemut und ein Stück Optimismus mitschwingen muss. Günstig erwerbbare Bruchbuden werden eben nicht über Nacht zur Luxusimmobilie. So ist es genau diese Herausforderung, die "Das spanische Dorf" grundsätzlich zum spannenden TV-Experiment macht – eines aber, das besonders in der ersten Episode unter seinem Storytelling leidet. Denn während das erste Paar, Sebastian und David, bereits den Zuschlag für ihre Wunsch-Immobilie und ihr Projekt erhalten haben, sind andere Duos noch nicht einmal vorgestellt. 

Die Entscheidungen des Dorfrates werden so über weite Strecken der 92 Minuten verteilt. Was eigentlich dazu dienen soll, während der Auftaktfolge immer wieder erzählerische Höhepunkte zu konstruieren, hinterlässt einen leicht chaotischen Beigeschmack. Schade ist auch, dass der Dorfrat, der letztlich entscheidet, wer sich in Rubite verwirklichen darf und wer nicht - anders als die Löwen bei "DHDL" - im Verborgenen tagt und seine Entscheidungen letztlich auch nur reichlich schmallippig erklärt. Das lässt das Gefühl aufkommen, dass bei den Ergebnissen auch eine ordentliche Portion Bauchgefühl mitschwingt. In den kommenden fünf Episoden dürfte sich das Format nun aber ohnehin nochmals wandeln. In diesen wird es für die fünf auserwählten Duos schließlich darum gehen, ihre Visionen im spanischen Bergdorf in die Tat umzusetzen, ein Teil der Dorfgemeinschaft zu werden und noch die ein oder andere Schwierigkeit zu meistern.

Untermalt sind die Bilder indes mit spanischen Cover-Versionen von bekannten internationalen Charthits, die teils ein echter Hinhörer sind. Während die Grundidee nicht nur spannend ist, sondern sich problemlos auf weitere idyllische Flecken der Erde ausweiten ließe, bleibt zu hoffen, dass in den weiteren Episoden nicht nur das Erzähltempo anzieht, sondern auch, dass die fünf auserwählten Duos mit ihren teils nicht allzu ausgefallenen Ideen wirklich etwas Besonderes auf die Beine stellen. Davon würde Rubite, gleichermaßen aber auch das Fernsehpublikum, profitieren. 

"Das spanische Dorf", freitags, 20:15 Uhr, bei Vox.