Im Erwerbsleben sind Quereinstiege so heikel wie unterhaltsam – das konnte man gerade gut beim Werdegang von Christine Lambrecht sehen. Innerhalb weniger Monate wurde sie von der Justiz- über die Familien- zur Verteidigungsministerin und dort gerade als untauglich ausgemustert. Pferde geben halt keine Milch, weil sie vier Beine haben. Ähnliches gilt offenbar auch für Rapper. Ihr Talent zur Wortverkettung im Rampenlicht qualifiziert sie keineswegs als Schauspieler – was drei Kinokatastrophen mit Sido zeigen oder fernsehreihenweise radebrechendes Bauerntheater des früheren Deichkinds Ferris MC.

Es war daher ein Risiko für Kida Khodr Ramadan, Koder Alian aka Xidir als Held seiner Serienpremiere "Asbest" zu besetzen. Das HipHop-Talent verkörpert das Fußball-Talent Mohammed, genannt Momo, dem ein Profivertrag bei Hertha BSC alle Türen vom Neuköllner Plattenbau ins Grunewalder Villenviertel zu öffnen scheint – wäre er nicht Teil des Berliner Clans von Onkel Amar (Stipe Erceg), der ihn für einen Raubüberfall ins Gefängnis bringt, wo er den unschuldig Verurteilten zum Dealer umschulen will. Einen Ausweg bietet ihm nur ein Knastfußballteam, in dem Momo gegen alle Widerstände Halt findet.

"Asbest" ist somit ein fünfteiliges Kiezkammerspiel hinter Stacheldraht, das der gesellige Kida Khodr Ramadan bis unter den Rand mit Superstars spickt und damit zu einem noch größeren Wagnis für seine Hauptfigur macht. Doch wie heißt es schön: Wer wagt gewinnt! Denn trotz fehlender Reife und Qualifikation, schafft es der 21-Jährige, sich zwischen David Kross, Claudia Michelsen, Wotan Wilke Möhring, Jasmin Tabatabei, Frederick Lau, Nicolette Krebitz, Detlev Buck oder wie sie alle heißen, zu behaupten. Mehr noch.

Authentische Würde, die selten ist

Sein wortkarges Spiel verleiht der Figur des Justizopfers im JVA-Dschungel eine Art authentischer Würde, die selten ist im drehbuchpapierknisternden Milieustudienfach. Xidir sei zwar "null Gangster", erklärt der blutige Regie-Rookie die Eignung des noch viel blutigeren Fernsehanfängers. Dafür habe er "eine Radikalität in sich, einen Impuls, den du brauchst, um dich gegen alle alteingesessenen Schauspieler und Schauspielerinnen zu behaupten". Es ist in etwa derselbe, mit dem sich auch Ramadan selbst von tief unten nach weit oben gezogen hat und damit Pantaleon Films überzeugt. Zum Glück!

Denn die Idee, den abgrund-, aber nicht führungserfahrenen Darsteller Dutzender Filme und Serien mit Juri Sternburgs Adaption vom Selbsterfahrungsbericht "Fairplay mit Mördern" des Knastfußballtrainers Gerhard Mewes zu betrauen, war betongoldrichtig. Von Fatih Akins "Kebab Connection" über "4 Blocks" bis hin zum Ex-Knacki seines Regiedebüts "In Berlin wächst kein Rosenbaum" vor drei Jahren hat der libanesische Kreuzberger schließlich oft genug bewiesen, wie glaubhaft er soziale Abseiten erzählt. Klar, dass er auch in "Asbest" mitspielt. Als inhaftierter Clan-Chef, Ramadans Paraderolle. Trotz allem.

Alle Folgen von "Asbest" stehen in der ARD-Mediathek zum Abruf bereit. One zeigt sie im linearen Programm am Freitag, 20. Januar in einem Rutsch ab 21 Uhr.