Realityshows mit nackter Haut gibt es wie Sand am Meer, nicht zuletzt RTL+ hat dieses Genre in den vergangenen Jahren befeuert wie kaum ein anderer Anbieter. Doch auch die internationalen Streaminganbieter sind längst auf den Zug aufgesprungen und nun veröffentlicht Netflix mit "Too Hot to Handle: Germany" die erste deutsche Staffel seiner erfolgreichen Dating-Reality. Das amerikanische Original umfasst bereits vier Staffeln, Ableger gibt es in Brasilien und Mexiko. Nun bringt Lana also auch das Liebesleben von deutschen Singles durcheinander. 

Too Hot to Handle Germany © Netflix Lana hat alle Regelverstöße im Blick
Lana ist der Name einer kegelförmigen Sprachbox, die als eine Art Supercomputer durch die Sendung führt. Der vermeitliche Clou: Anders als in anderen Datingshows ist es den Kandidatinnen und Kandidaten von "Too Hot to Handle" strikt untersagt, körperlichen Kontakt zu pflegen. Verboten sind unter anderem Küssen, Sex, Petting und Selbstbefriedigung. Wer gegen die Regeln verstößt, schmälert das Preisgeld in Höhe von 200.000 Euro. Allein schon dieser Betrag ist in der deutschen Reality-TV-Landschaft selten. 

Netflix und die verantwortliche Produktionsfirma UFA Show & Factual müssen aber natürlich keine Angst haben, die Summe auch wirklich auszuzahlen. Die Regelverstöße gehören nämlich zum Konzept der Show und so sinkt das Preisgeld auch in der deutschen Version in den ersten drei vorab gesichteten Ausgaben in einem rasanten Tempo. Zunächst wurden die Singles noch in dem Glauben gelassen, sie würden sich in einer Show mit dem Titel "Tropical Desire" (UFA Show & Factual hat unter diesem Titel auch die Teilnehmenden gecastet) befinden, in Folge eins wird die Scharade allerdings aufgedeckt und es dauernd anschließend eine knappe halbe Stunde, bis es zum ersten Regelverstoß kommt. 

Konfliktpotenzial ist vorhanden

Im Original ist immer wieder die Rede von "deep and meaningful connections", die die Singles durch den Sexverzicht in der Show knüpfen sollen. Aber Sie erraten es vermutlich schon: Das klappt nicht immer und so gibt es auch bei "Too Hot to Handle Germany" zunächst nur ein Gesprächsthema: Wie können wir nun doch irgendwie Sex haben? Hier steht die deutsche Version dem amerikanischen Original in nichts nach, was natürlich auch am Cast liegt. Dankenswerterweise haben Netflix und UFA Show & Factual hier auf neue Gesichter gesetzt und nicht auf solche, die schon durch 100 andere RTL-Realitys getingelt sind. Dennoch wird die Diskrepanz zwischen einigen Teilnehmenden schnell deutlich: Die Paare, die sich schnell gefunden haben, wollen mehr und bringen das Preisgeld in Gefahr. Und die, die alleine geblieben sind, fordern mehr Zurückhaltung von den anderen, weil sonst das Geld schwindet. Hier liegt eine gehörige Portion Konfliktpotenzial.

Ebenfalls gut: "Too Hot to Handle: Germany" ist, wie das Original, schnell geschnitten und es vergeht kaum eine Minute, in der es nicht irgendein Drama gibt. Diesen Trend gehen inzwischen zwar viele Realitys, aber es ist noch gar nicht so lange her, da wäre ein freiwilliger Auszug eines Singles in vielen Formaten Grund genug gewesen, um das Thema minutenlang auszuschlachten. UFA Show & Factual macht es zum Glück anders: Als ein Kandidat die Show verlässt, wird das in wenigen Sekunden abgehandelt. 

Hin und wieder zu amerikanisch

An anderer Stelle hat man sich allerdings zu sehr an das Original angelehnt. In der US-Version machen die Wortwechsel zwischen Lana und der Erzählerin einen großen Teil des Charmes aus, durch den Part der Erzählerin gibt es außerdem einen Blick "von außen" auf das Geschehen. Das Treiben in der Villa wird hier meist bissig kommentiert. Hier hinkt die deutsche Version erheblich nach, als Erzählerin fungiert Larissa Rieß. Die versucht sich an einer amerikanischen Erzählweise und betont dabei immer alles sehr extrem, was oft gewöhnungsbedürftig wirkt. Vielleicht hätte man gleich alles auf Englisch drehen sollen, denn die Kandidatinnen und Kandidaten sprechen immer wieder so. Da ist alles tasty, hot, awkward, interesting, funny oder meant to be. Generation Z lässt greetings da. 

Too Hot to Handle Germany © Netflix Regelverstöße schmälern das Preisgeld, das gefällt nicht allen Singles

Um den Zuschauenden zu zeigen, dass man es mit dem Retreat und den ehrlichen, emotionalen Beziehungen auch ernst meint, müssen die Singles immer wieder Workshops besuchen, um zu lernen, wie sie ihr körperliches Verlangen in den Griff bekommen. Das klappt mal mehr und mal weniger gut, bringt aber in jedem Fall Schwung in die Sendung. So wie übrigens auch die neuen Singles, die immer mal wieder in die Villa kommen (und auch nicht wissen, wo sie da eigentlich gelandet sind). 

Optisch ist "Too Hot to Handle" eine Produktion der Extraklasse, das hohe Production Value sieht man in jeder Kameraeinstellung. Inhaltlich ist die Show ebenfalls stark und liefert den Zuschauenden durch den Spin, das Sex und alle anderen Dinge, die vermeintlich Spaß machen, nicht erlaubt sind, einen neuen Blickwinkel. Aber auch Reality-Fans der alten Schule kommen auf ihre Kosten. "Finger weg!", so die frühere Übersetzung von "Too Hot to Handle" ins Deutsche, die Netflix glücklicherweise irgendwann aufgegeben hat, ist jedenfalls keine Beschreibung, die man der Realityshow zukommen lassen will. Dafür sind die Sprüche ("Wenn ich mit meiner Morgenlatte aufwache, brauche ich meine vier, fünf Meter") zu doof, die Optik zu stark und die schnelle Erzählweise zu gut in einem Genre, von dem man denken könnte, man habe schon alles gesehen. 

Alle Folgen von "Too Hot to Handle: Germany" stehen ab dem 28. Februar bei Netflix zum Streaming zur Verfügung.