Wer sich in diesen Tagen Spielshows mit Ulla Kock am Brink ansieht, der könnte zu dem Schluss kommen, die Inflation sei an Deutschlands Fernsehsendern vorbeigegangen. Im vorigen Herbst ließ RTL in der neu aufgelegten "100.000 Mark Show" tatsächlich um die seit über 20 Jahren abgeschaffte Währung spielen – und bei der "Perfekten Minute", die Sat.1 neuerdings nach mehrjähriger Pause wieder auf Sendung schickt, gibt’s für die Kandidaten-Teams gerade mal noch ein Zehntel dessen zu gewinnen, was der Sender vor mehr als zehn Jahren als Hauptpreis auslobte. Weniger statt mehr, lautet offenbar die Devise.

Natürlich sind 25.000 Euro auch im Jahr 2023 noch immer viel Geld, doch wenn's in der ersten Runde bloß um einen Hunni geht, die Hotel-Übernachtung also mutmaßlich teurer ist als der Preis der ersten Gewinnstufe, dann drängt sich schnell der Eindruck auf, es mit einer Spar-Version zu tun zu haben.

Dass das Show-Comeback etwas überschaubarer ausfällt als einst, hängt freilich in erster Linie damit zusammen, dass "Die perfekte Minute" nicht mehr als Primetime-Format angelegt ist, sondern sich so gut wie irgend nötig im arg gebeutelten Sat.1-Vorabendprogramm beweisen muss, wo zuletzt schon die Daily-Version von "Mein Mann kann" scheiterte. Abgesehen von der Höhe des Gewinns fällt es jedoch glücklicherweise nicht zu sehr auf, dass die Show möglichst kostengünstig daherkommen soll, schließlich gehörte die Einfachheit seit jeher zum Markenkern der "Perfekten Minute".

Und so macht die Spielshow einfach dort weiter, wo sie einst aufhörte: Mal wird von den Teams verlangt, kleine Cocktail-Schirmchen in Zuckerhäufchen zu drapieren, ein anderes Mal gilt es, einen Turm aus Seifenstücken zu bauen und kurz vor dem Schluss schmiert sich eine Kandidatin Vaseline auf die Nase, um damit Wattebausche über die halbe Bühne zu transportieren. Höher, schneller, weiter? Das galt für "Die perfekte Minute" noch nie – und daran hat sich auch im Frühjahr 2023 nichts geändert.

Ulla Kock am Brink © Sat.1/Willi Weber Ulla Kock am Brink moderiert auch die Neuauflage der Sat.1-Gameshow.

Das Problem des Comebacks liegt womöglich eher in der hohen Schlagzahl: Für sich genommen wirkt die Banijay-Produktion stimmig – aber trägt das simple Konzept, das sehr stark von der Integration diverser Alltagsgegenstände lebt, wirklich für eine tägliche Ausstrahlung? In einer Zeitschiene, in der der Fernseher vor allem nebenbei läuft, könnten es die Minispielchen schwer haben, die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich zu ziehen. Erst recht, wenn die finanzielle Fallhöhe gerade zu Beginn einer jeden Spielrunde ziemlich überschaubar ist. Es drängt sich also weiter die Frage auf, weshalb Sat.1 davor zurückschreckt, eine klassische Daily-Gameshow ins Vorabendprogramm zu nehmen, zumal die Rechte an geeigneten Formaten wie "Jeopardy!" oder "Geh aufs Ganze!" bekanntlich in Unterföhring liegen.

Immerhin, mit Ulla Kock am Brink setzt Sat.1 bei der "Perfekten Minute" glücklicherweise wieder auf die Ursprungsbesetzung. Ehrlich an den Kandidatenpaaren interessiert, fiebert die Moderatorin bei den Spielen so mit, wie man es von ihr kennt und auch so, wie man sie auch schon vor wenigen Monaten beim Konkurrenten RTL sehen durfte. Alleine dafür hat sich das Vorabend-Comeback schon gelohnt.

"Die perfekte Minute", montags bis freitags um 19:00 Uhr in Sat.1