Ist der Patient Sky Deutschland "kurz vorm Ende", eigentlich "praktisch tot“? Das zumindest sind Umschreibungen des Medienkonzerns Sky Deutschland, die in diesen und den vergangenen Wochen zu hören waren, wenn man mit Personen sprach, die in die aktuellen Geschehnisse rund um den zum Verkauf stehenden Pay-TV-Anbieter involviert sind. Ein Verkauf des deutschen Pay-Anbieters soll seitens Konzernmutter Comcast dem Vernehmen nach schon seit vergangenem Jahr forciert werden, gestaltet sich aber schwierig. Nun ist es bei Weitem nicht das erste Mal, dass in Sky oder dessen Vorgänger Premiere ein schwieriger Patient gesehen wird.

Mitarbeitende, die schon lang dabei sind, kennen Zeiten der Ungewissheit. Diesmal hat die Sky-Krise aber eine andere Qualität. Denn egal wie schlecht es in den Nuller-Jahren lief und wie viel Geld damals verbrannt wurde, war von ganz oben die Überzeugung gegeben, das Ruder herumreißen zu können. Man hatte es in Unterföhring schließlich selbst in der Hand. Das ist inzwischen anders, weil sowohl die Comcast-Führungsriege in Philadelphia als auch Sky in UK sich schon länger nicht mehr spürbar für Sky Deutschland erwärmen oder begeistern können. Es fehlt an einer Vision - und (mal wieder) an Kleingeld.

Und genau das dürfte den Comcast-Aktionären schwer zu verkaufen sein, war die europäische Sky-Gruppe beim Comcast-Kauf vor fünf Jahren doch über 30 Milliarden Euro teuer. Und jetzt braucht Sky Deutschland neues Geld?! In Unterföhring dürfte die Erkenntnis eingekehrt sein: Mit einem Eigentümer, dem ein Unternehmensteil lästig bis egal zu sein scheint, lassen sich neue Pläne nur schwerlich aushecken. Auch deshalb, hört man, sind Entscheidungen strategischer Reichweite in Unterföhring seit vielen Monaten ein Ding der Unmöglichkeit. Man muss den handelnden Personen in Bayern angesichts dessen große Tapferkeit im täglichen Geschäft attestieren. 

Ausgeheckt wurde in Unterföhring in den zurückliegenden Jahren schon so einiges. Und es ist unschwer zu erkennen, dass ein Unternehmen, dessen potentiellem Käufer nun angeblich sogar eine Mitgift angeboten werden soll, bei Weitem nicht alles richtig gemacht haben kann. Nicht alle aktuellen Probleme lassen sich auf die Unlust in UK oder USA zurückführen. Es sind auch selbstverschuldete Fehler. Vom Weg abgekommen ist Sky, wie mehrere Beobachter schon seit Jahren erzählen, mit dem Ausscheiden der Familie Murdoch, also mit dem 100-prozentigen Verkauf an das damalige BSkyB, heute Sky Plc in London, vor acht Jahren.

Ein harter Brocken

Zwischen 2009 und 2015 hatte sich die amerikanische News Corp. und dabei insbesondere James Murdoch dem deutschen Pay-TV-Riesen angenommen. Als Murdoch einstieg, war Premiere verschuldet, machte Tag für Tag mehr Miese. Murdoch aber sah Chancen im deutschen Pay-TV-Markt, hatte Visionen für Premiere. Direkt am Anfang sagte er in einem "Spiegel"-Interview, das bis dahin in Deutschland mit Premiere vieles nicht ausprobiert worden sei. Vor allem aber wusste er, mit was er es zu tun hat. "Uns war von Anfang an klar, dass das ein harter Brocken wird und dass wir Zeit brauchen, aber wir kriegen das hin", war einer der Kernsätze jenes „Spiegel“-Interviews.

Es kam das Rebranding und eine Phase der Investitionen. News Corp. sicherte etwa den teuren Start von Sky Sport News ab, investierte in technische Innovationen, in erster Linie also in eine neue Receiver-Generation. Ähnlich wie bei BSkyB wurde zudem ein Haufen Geld für exklusive Sportrechte, insbesondere im Fußball, zur Verfügung gestellt. Unter der Führung des neu installierten CEOs Brian Sullivan sorgte das einst in den Medien hauptsächlich als defizitär wahrgenommene Premiere in den Jahren nach 2009 - und unter der Marke Sky - plötzlich für positive Schlagzeilen.

Weil Sky in den Jahren unter Brian Sullivan in zwölf Monaten teils eine halbe Millionen Kundinnen und Kunden hinzugewann, legte BSkyB 2015 schließlich mehr als sechs Milliarden Euro auf den Tisch, um Sky Deutschland und im gleichen Zug auch Sky Italia komplett zu erwerben. Ein Deal, den die Murdochs freilich wollten, um sich ihr Investment vergolden zu lassen. Ein Deal aber mit tiefgreifenden Folgen, wie sich spätestens erahnen ließ, als mit Brian Sullivan einer der Architekten des Sky-Erfolgs in Deutschland von dannen zog. Sein Abgang war der erste, aber bekanntlich nicht der letzte in der zur bayerischen Filiale degradierten Dependance in Unterföhring.

Brian Sullivan © Imago / Stephan Görlich Als Sky noch strahlte: Brian Sullivan war CEO von Sky Deutschland zwischen 2010 und 2015. Inzwischen arbeitet er für Fox Networks.

Recht schnell gab es offiziell auch keine genauen Geschäftszahlen für Sky Deutschland mehr. Doch nicht nur Nebensätze in den Berichten von Sky plc ließen ab 2016 ein immer deutlicheres Stottern des Wachstumsmotors erahnen. Inzwischen hatten mit Netflix und Prime Video die ersten internationalen Streamingdienste Deutschland erreicht und das gerade durchaus auch dank stolzer Preise profitabel gewordene Pay-TV in eine Falle geführt: Die neuen Wettbewerber kosteten einen Bruchteil pro Monat.

Mit dem (zu) hohen Kaufpreis und jenen Marktgegebenheiten gingen bald erste Sparrunden einher, diktiert aus London, von Managern, denen nur geringe deutsche Marktkenntnis nachgesagt wird. Ganze Abteilungen wurden abgezogen, was teils zu abenteuerlichen Entscheidungen führte wie der, die Leitung des Werbevermarkters Sky Media, für die Kenntnis und Nähe zur deutschen Werbeindustrie nötig ist, nach Mailand zu verlagern. Die Zusammenarbeit zwischen England und dem kontinentaleuropäischen Sky – hier insbesondere Deutschland, sie wird an vielen Stellen als stetiges Missverständnis beschrieben.

Es sind Anekdoten über Fehleinschätzungen von britischen Managern, die angesichts ihrer Marktmacht auf der Insel kein Gefühl dafür hatten, dass Sky insbesondere in Deutschland viel kleinere Brötchen backt. Wäre all das eine private Beziehung, es wäre wohl davon die Rede, dass es einfach nicht vibed. In den Jahren nach 2015 verließ viel lokales Know-How die Medienallee in Unterföhring. Manchmal entnervt, manchmal aber auch, weil es schlicht an Perspektiven fehlte. Wenn es um Beförderungen im Top-Managementkreis ging, dann waren es zumeist Italiener, die länderübergreifende Aufgaben übernahmen oder langjährige Führungskräfte von Sky UK. Für das deutsche Top-Personal von Sky Deutschland sollte das eigene Sky stets das Limit bleiben.

Einst Innovationstreiber, und nun?

Was passierte? Sky war nach der Übernahme durch die Briten schnell nicht mehr Innovationstreiber - mitunter, aber nicht nur aus eigenem Verschulden. Die Musik spielte plötzlich bei Netflix, bei DAZN oder all den Firmen, die mit viel Geld und dem Rückenwind des "goldenen Streaming-Zeitalters" das Feld bestellen wollten; eine Wette auf die Zukunft eingingen. Ein gründerischer Wagemut, der auf ein in die Defensive gedrängtes Sky traf, das viel zu lange festgefahren war in den einst einmal etablierten Angeboten.

Während Netflix und Co. längst monatlich kündbar und ebenso schnell wie spielend einfach zu installieren und abonnieren waren, brauchte Sky nicht zuletzt auch wegen der kostenintensiven und langfristigen Sportverträge die Sicherheit, die fixe Laufzeitverträge über 24 Monate mit sich bringen. Auch hielt man lange daran fest, dass ohne die schwarze Box – inzwischen ein vergleichsweise zeitgemäßer SkyQ-Receiver – nichts geht. Selbst 2023 ist Sky in der Handhabung schwerfällig. Das weiß jeder, der Sky-Inhalte beispielsweise mal über einen klassischen PC abspielen wollte.

Sky Glass © Sky In Deutschland weiterhin nicht in Sicht: Ein Fernseher von Sky, der sich gegen etablierte Marken wie Samsung oder LG hätte durchsetzen sollen.


Diese Erkenntnis ist inzwischen auch in London angekommen und doch scheint das Management in der Ära nach dem als Receiver-Verfechter geltenden CEO Jeremy Darroch nicht die richtigen Schlüsse gezogen haben. Mit Sky Glass sollte ein eigener Fernseher all den etablierten Playern von Samsung über LG bis Sony Marktanteile strittig machen. Was Sky nicht einmal mit seiner Marktdurchdringung in UK gelang (das Gerät sei alles andere als ein Verkaufsschlager, heißt es), dürfte Sky auch hierzulande nicht helfen. Ob Sky Glass überhaupt jemals nach Deutschland kommt, ist schon seit Monaten ungewiss. Cleverer wäre gewesen, Sky Q-Apps flächendeckend anzubieten, auch auf Konkurrenz-Geräten wie dem Fire-TV, da aber steht bis heute das britische Selbstverständnis im Wege.

Lokaler Content, der lokal bleibt

Hinzukommt eine merkwürdige Markenführung, denn im zukunftsträchtigen Streamingmarkt mit monatlicher Kündbarkeit setzt Sky nach einem späten Rebranding auf die Marke Wow, die wohl nur in begrenzten Kreisen unmittelbar mit Sky in Verbindung gebracht wird. Diese Entscheidung ist fast ebenso erstaunlich wie die Tatsache, dass die riesige Sky-Gruppe so manche PS schlicht nicht auf die Straße bekommt. Output-Deals und einige Sportrechteverträge werden inzwischen für alle Märkte abgeschlossen, Sky-Originals für alle Länder koordiniert. Doch auch hier zeigen sich wieder Schwierigkeiten, die unterschiedlichen Länder in Einklang zu bringen.

Während Netflix mit dem britischen "The Crown" einen allumfassenden Hit gelandet hat, sind britische Sky-Serien in Italien oder Deutschland eher Ladenhüter. Gleiches gilt für die meisten deutschen Sky-Serien auf der Insel. Und so bleiben die zahlreichen Bemühungen, lokalen Content abseits des Sports zu kreieren, eben eine ziemlich lokale Sache - so hochwertig und wertvoll für den Heimatmarkt Serien wie "Der Pass" oder Doku-Produktionen wie "Juan Carlos" auch waren. Die Lage droht sich zuzuspitzen, sollte Warner Bros. Discovery in zwei Jahren wirklich entscheiden, HBO-Produktionen von Sky abzuziehen.

Der Pass S3 © 2022 Sky Deutschland / W&B Television Hochgelobt und begeisternd - in Deutschland: "Der Pass". Ein echter paneuropäischer Serienerfolg steht für Sky aber weiter aus.
 

Dass die meisten Studios inzwischen selbst zum Inhalteanbieter geworden sind, wie Disney+, Paramount+ oder in einigen Ländern auch (HBO) Max zeigen, setzt Sky unter Druck. Da wäre Kreativität und der Wille für Innovationen gefragt. Eine ganz überzeugende Antwort ließ sich nicht finden. Die am wenigsten überzeugende aus Deutschland war in den vergangenen Jahren übrigens die, dass sich Sky stets versucht hat, als Aggregator für die vielen unterschiedlichen Apps zu positionieren, aber offenbar nie verstanden hat, dass halbwegs moderne Fernsehgeräte diese Rolle inzwischen ohne Zusatzkosten übernommen haben. Alle Apps an einem Ort, das ist nur bedingt ein Verkaufsargument und schon recht nicht, wenn es gar nicht alle sind.

Teurer Spitzensport: Die Geister, die Murdoch rief

Mehr und mehr Entertainment-Plattform wurde Sky freilich auch, um sich unabhängiger vom Spitzensport und insbesondere Fußball zu machen. Dort waren die Preise im vergangenen Jahrzehnt explodiert, eine Entwicklung übrigens, die insbesondere das Murdoch-Sky einst eingeleitet hatte, weil man Live-Sport als wesentliches Steckenpferd des klassischen Fernsehens in einem sich zunehmend wandelnden Marktumfeld ausgemacht hatte. Nicht nur in England selbst schossen die Rechtekosten in die Höhe, auch in Deutschland machte Sky zeitweise über eine Milliarde Euro an Rechtekosten pro Saison für Bundesliga und Champions League locker.

Zu viel, sagten manche. Mittlerweile hat Sky diese Ausgaben um mehr als ein Drittel reduziert, wobei unklar ist, ob sich das für den Sender bezahlt gemacht hat. Denn genau das wird sich Sky in den kommenden Wochen und Monaten, wenn es die neue Bundesliga-Ausschreibung vorzubreiten gilt, fragen müssen: War der Schritt, seit Sommer 2021 noch 200 der 306 Bundesliga-Einzelspiele anzubieten und die Champions League sausen zu lassen, wirtschaftlich sinnvoll? Und wie sieht die Sky-Strategie abseits des runden Leders aus?

Dafür, dass es in Deutschland neben Fußball kaum eine richtig massentaugliche Sportart gibt, kann Sky freilich nichts. Der Formel 1, die inzwischen exklusiv im Pay-TV fährt, mag der nächste deutsche Hoffnungsträger fehlen, Handball oder Eishockey sind eher regionale Erscheinungen, der Wintersport ist stark im öffentlich-rechtlichen Fernsehen verankert. Die Möglichkeit, sich die insbesondere in jüngerer Zielgruppe stark wachsende NFL zu sichern, verpasste Sky. Ein Fehler, selbst wenn man die Rechte mit einem starken Free-TV-Partner hätte teilen müssen. Und so ist eben die Bundesliga damals wie heute wichtigster Abotreiber in Unterföhring.

Die sehr kostspieligen Sportrechte sind letztlich ein Grund, warum Sky weiterhin im Vergleich eher teuer und bekannt kompliziert geblieben ist. Wer "alles von Sky" haben will, zahlt laut Webseite unter Nutzung eines 156-Euro-Sparvorteils 35 Euro monatlich statt 48 Euro, aber nur für zwölf Monate und danach dann 58 Euro. RTL+ ist als Premium-Variante für sieben Euro zu haben.

Die aktuelle Lage von Sky Deutschland als Vertreter des "alten Pay-TV", sie ist teils selbst verschuldet, teils eine Folge von externen Faktoren. Kann es noch einmal gelingen den Pay-TV-Platzhirsch zu revitalisieren wie einst 2009? Die Historie belegt, dass es dafür zunächst einmal ein oder mehrere Gesellschafter mit einer klaren Vision und der Bereitschaft zu investieren, braucht. Lokale Expertise im Management wäre auch wünschenswert, mindestens aber Entscheidungsträger mit dem Willen, sich mit deutschen Markt und seinen Gegebenheiten zu beschäftigen.

Comcast ist dafür augenscheinlich nicht der richtige Partner. Zu groß, zu global, zu wenig bereit, sich in Details des fernen Deutschlands reinzufuchsen. Dass das erkannt wurde, ist eigentlich ein guter Schritt. Wenn potentielle Käufer sich nun vor Augen führen, wie man Sky eben nicht führen sollte, dann braucht es neben dem nötigen Kleingeld auch noch einen Spirit, wie ihn einst James Murdoch mitbrachte. Dann könnte es beim Patient Sky auch wieder erste Anzeichen von Besserung geben.