"The World's Most Dangerous Show" beginnt genau so, wie man das befürchten musste. "Er suchte die ultimative Herausforderung", donnert es aus dem Off und Joko Winterscheidt ist in zahlreichen, brenzligen Situationen zu sehen, nur um kurze Zeit später zu sagen, er habe mit dem Gedanken gespielt, das Projekt abzubrechen. Ich muss zugeben: Nach 30 Sekunden der neuen Doku-Reihe auf Prime Video war ich auf 180 und hatte diese Kritik gedanklich schon fertig geschrieben. Bitte nicht noch eine Sendung, in der das "Duell um die Welt"-Konzept plattgetreten wird. 

Aber es sollte zum Glück alles ganz anders kommen. 

Schon nach etwas mehr als einer Minute meldet sich Joko Winterscheidt in einer Art Meta-Ebene zu Wort. Er sagt, dass sich so wahrscheinlich viele sein neues Amazon-Projekt vorgestellt hätten. Dass er es aber ganz anders machen will. Man wolle sich der Klimakrise nähern und Antworten finden, ob man diese überhaupt noch stoppen könne. Es gehe um mögliche Lösungen der Krise und Ideen, so könne man den Menschen Hoffnung machen. "Kann man so ein beschissenes Thema wie die Klimakrise irgendwie anders erzählen?", fragt der Moderator. 

Die Antwort auf diese Frage nach Ansicht der sechs Ausgaben umfassenden Staffel lautet: Ja. Und das ist in erster Linie Joko Winterscheidt selbst, aber auch dem bewährten Team hinter den Kulissen zu verdanken. Neben der Florida TV stehen die kürzlich mehrheitlich übernommene Doku-Schmiede K2H sowie 27km Entertainment hinter dem Projekt. Und gemeinsam haben die Macherinnen und Macher etwas geschaffen, das es so tatsächlich noch nicht gab. 

In den sechs Folgen beleuchtet man verschiedene Facetten der Klimakrise. Als vermeintlicher Naivling führt Joko durch die Episoden und spricht mit Menschen, die an Lösungen arbeiten. Nicht selten kommt dabei ein "Sendung mit der Maus"-Gefühl auf: Vermeintlich komplexe Zusammenhänge werden so heruntergebrochen, dass hoffentlich alle sie verstehen. Und die Gallionsfigur des "einfachen Zuschauers" ist Joko, der selbst immer wieder betont, dass das ja ganz schön viel Input ist und der auch immer wieder Zweifel hat - an der Machbarkeit einer allumfassenden Lösung, aber auch am eigenen Handeln. Da spricht er etwa mit Bill Gates, nur um sich danach zu fragen, ob es sich für dieses eine Gespräch gelohnt hat, in die USA zu fliegen. 

Joko, der personifizierte Saftladen

In "The World's Most Dangerous Show" geht es um die Frage, ob technische Innovationen die Klimakrise aufhalten können, aber auch um Auswirkungen der Ernährung auf das Klima, Greenwashing, verschiedene Perspektiven des Klimawandels, den Faktor Wirtschaft und einen möglichen Systemwandel zur Rettung des Klimas. Umgesetzt sind die Folgen völlig unterschiedlich. Zum Thema Ernährung lädt Joko Personen mit verschiedenen Hintergründen an einen Tisch zum Essen, beim Perspektivwechsel erzählt Aminata Belli eine Geschichte über Uganda und Joko macht eine "Safari" zu den wichtigsten Stationen des Kolonialismus. Als es um die Wirtschaft geht, wird Joko zur Veranschaulichung für die Zuschauerinnen und Zuschauer zum Eigentümer einer Saftladen-Kette. 

Die Zugänge sind also unterschiedlich - und die Unterhaltung kommt trotz des ernsten Themas nie zu kurz. Dabei helfen auch viele Gaststars: Christoph Maria Herbst spielt etwa Mr. Kapitalismus, Uwe Ochsenknecht stellt verschieden Phasen von Klimaschutzverhinderung vor und Oliver Kalkofe nimmt Joko selbst und seine scheinbare Doppelmoral immer wieder aufs Korn (eine Klima-Doku? Bei AMAZON?). Das alles hilft auch dabei, dem Publikum kein schlechtes Gewissen einzureden - was vermutlich dem Ziel der Sache, Awareness zu schaffen für die Klimakrise, abträglich wäre. 

The Worlds Most Dangerous Show © Paul Ripke/Prime Video Bilder, die sich einbrennen: Joko schaut auf ein riesiges Feld mit Ölförder-Anlagen.

Zu einem gewissen Teil ist also auch Show Bestandteil der Klima-Dokureihe. Dabei beweisen die Macherinnen und Macher oft einen scharfen Sinn für die richtige Balance. Jokos allseits bekannte Höhenangst ist kurz Teil der Sendung, wird aber dankenswerterweise nicht ausgeschlachtet wie in anderen Formaten bei ProSieben. "The World's Most Dangerous Show" kippt nie ins Lächerliche, sondern findet bei allem Klamauk immer wieder schnell den Weg zurück zum Ernsthaften. Den Witz, dass man nun ja eigentlich die Lösung für alle Probleme gefunden habe und die Sendung nun beende (und dann auch tatsächlich ein Abspann kommt), macht man allerdings mehr als einmal, was ein bisschen so wirkt, als seien den Verantwortlichen irgendwann die Ideen ausgegangen. 

Auch optisch macht die Doku-Serie einiges her. Bildgewaltige Aufnahmen von Natur und Naturkatastrophen sind hier ebenso zu sehen wie grafische Spielereien, um bewusst Gegenpunkte zu setzen zu den ernsten Themen, die der Klimawandel mit sich bringt. Am meisten in Erinnerung bleiben aber solche Aufnahmen, in denen die Realität längst wie eine ferne Fiktion wird. In den USA beispielsweise, wo riesige Ölförderanlagen direkt neben einer Stadt oder mehr als 100.000 Rinder auf einer Wiese stehen. In Deutschland verschlägt es den Moderator zum Tagebau Hambach, wo es heute schon aussieht wie auf dem Mond. 

Balance zwischen Info und Unterhaltung glückt

Und dann trifft Joko auch zahlreiche engagierte Menschen, die sich in großen und kleinen Projekten gegen die Klimakrise stellen. Mit einer Nachhaltigkeits-Managerin von Amazon hätte er nicht unbedingt sprechen müssen, dafür ist der Input von Aktivistinnen und Aktivisten auf der ganzen Welt wertvoll. Gut gelöst hat man auch das Problem, dass der Chef von Blackrock Deutschland vor allem mit schön klingenden Phrasen um sich geschmissen hat. Nach ihm traf Joko nämlich auch noch den ehemaligen Chief Investment Officer für Sustainable Investing der Beteiligungsgesellschaft, der heute mit Kritik an Blackrock auf sich aufmerksam macht und und vielen Konzernen Greenwashing vorwirft. 

"The World's Most Dangerous Show" schafft also den Balanceakt zwischen Informationsvermittlung und Unterhaltung. Gleichzeitig wird nie das große Ganze aus den Augen gelassen: Was ist die Lösung in diesem ganzen Schlamassel? Und am Ende muss sich Joko selbst eingestehen, dass es diese eine Lösung vermutlich gar nicht gibt. Da hat die Doku-Reihe den Zuschauerinnen und Zuschauern aber hoffentlich schon oft genug den Spiegel vorgehalten, damit das Publikum einerseits sich selbst und die eigenen Verhaltensweisen, aber auch das Thema an sich reflektiert. Und da sind wir wieder am Beginn dieses Textes. Nach den sechs Folgen ist es nämlich gut möglich, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer auf 180 sind. Nicht wegen des Einstiegs in die Doku, sondern wegen der Auswirkungen der Klimakrise auf Menschen und Natur. 

"The World's Most Dangerous Show" ist ab sofort auf Prime Video verfügbar.