Womit will man den realgrassierenden Wahnsinn rechter Hetze auf allen Kanäle bekämpfen? Wie lassen sich Ignoranz, Dummheit, Verblendung bloß besiegen? Was bleibt den Vernunftbegabten noch, wenn die angriffslustige Torheit Geländegewinn um Geländegewinn feiert? Werner Finck machte sich da bei aller Anspannung locker: "Wenn der Spaß aufhört", sagte der Kabarettist einst im Angesicht faschistischer Menschheitsverbrechen, "beginnt der Humor".

Vielleicht hatte Jan Bonny Komiker wie ihn im Kopf, als er sein Entsetzen über rechten Spuk und liberales Zaudern, NSU-Morde und AfD-Erfolge, Höckes Werk und Hitlers Beitrag in einer ZDFneo-Serie verquirlte, die unsere Realität zur Groteske verunstaltet und dennoch wahrhaftiger ist als manche Talkshow. "Von Montagsdemos bis Hanau und diese aufgerüschten Frankfurter Revolutionäre", meint der Regisseur, habe "uns die Wirklichkeit viel um die Ohren gehauen". Da könnte man nun verzagt sein und zynisch, verbittert, zornig, aber passiv.

Nach eigenem Drehbuch aber hat sich der Showrunner entschieden, so heiter wie möglich zurückzuhauen. Und wie. "Freiheit ist das Einzigste, was zählt" heißen "sechs szenische Miniaturen" auf jeweils knapp viertelstündiger Länge, die er mit Teilen seiner Stammbelegschaft an sechs Drehtagen hergestellt habe und die "uns nicht beruhigen, sondern durcheinanderbringen sollen". Das, so viel vorweg, klappt schon mal vorzüglich.

Denn in wackeligem Schwarzweiß beobachten wir ein knappes Dutzend reichsbürgerlicher Revolutionäre bei der Vorbereitung auf "Tag X" oder wie sie es abends mutterseelenallein über Feld, Wald und Flur brüllen: "Wir stürmen den Reichstag. Wir setzen unsere eigene Regierung ein. Wir verbrennen die Gutmenschen." Klingt jetzt nicht sonderlich amüsant. Als Schema einer rechten Kammerkomödie mit lustiger Kraft-durch-Freude-Seefahrt, das der/die Käpt’n Hans (Bibiana Beglau) im Hirschgeweihwald einer Dorfkneipe bei Düsseldorf aufführen lässt, sorgt es aber für Lachen, das zwar buchstäblich im Hals stecken bleibt, aber als fröhlich befreiender Auswurf endet.

Beteiligt: der pazifistische Waldorflehrer Dietrich (Ronald Kukulies), die linientreue Hellseherin Freya (Thekla Viloo Fliesberg), das kultivierte Bühnentier Georg (Thomas Schubert) oder ein seniler Weltkriegsveteran (Manfred Zapatka), zu denen sich zwischendurch Sibel Kekili als Neuzugang Ulli gesellt, aber zügig abgeschreckt wird von einer urbanen Einsiedelei souveränistischer Saufnasen ohne Impulskontrolle, die den Umsturz in etwa so diszipliniert durchführen wie Fünftklässler heimliche Silvesterböllereien.

Bonnys "deutsche Revolution in sechs Akten", die er stummfilmreif auf roten Schrifttafeln mit Sätzen wie "das Leben hat ihnen übel mitgespielt, nie wieder wollen sie sich von irgendwem irgendwas vorwerfen lassen" zerteilt, ist also von Anfang an zum Scheitern verurteilt und dennoch beunruhigend. Spürbar angelehnt an den Operettenputsch vom (aufgerüschten Frankfurter) Prinz Reuß und seiner Garnison trauriger Desperados, blicken wir ins Herz der Finsternis und wissen nie, ob das nun zum Fürchten oder furchtbar komisch ist.

Damit letzteres überwiegt, inszeniert Bonny den Freiheitskampf der Demokratieverdrossenen jedoch, als hätte sich Helmut Dietl mit Christoph Schlingensief bei Uwe Boll und Helge Schneider getroffen, um Marco Ferreris "Das große Fressen" zu modernisieren. Insgesamt 80 Minuten lang geht nämlich drunter und drüber, was von außen betrachtet ohnehin logischer Strukturen entbehrt. Bei jeder, wirklich jeder Gelegenheit geraten sich seltsam nonbinäre, wild durcheinander vögelnde, überhaupt ziemlich notgeile Revoluzzer ständig übers Revoltieren in die Haare.

Die explodierende Volksgemeinschaft ist eben ein Chaos implodierender Egos – was allerdings nicht heißt, dass der Showrunner im Soundtrack drollig marschierender Volksmusik nur auf laute Töne setzt. Wenn Hans-Jochen Wagners vulgärer Nazikommunarde Otto die Frage, ob er denn an Corona gestorben sei, verneint und Freya entgegnet, sie "kenne da einen", der am Vakzin gestorben sei, sagt er nur "echt?" und Ende einer Impfskepsis-Skepsis ohne Gift und Galle. Über etwas zu lachen, da würde Werner Finck zustimmen, wirkt nämlich befreiender, als es auszulachen. Um seine Figuren nicht nur vorzuführen, tut Jan Bonny daher gut daran, zwischen Witz und Wahn mitunter Dialoge zu streuen, in denen es um Angst oder Liebe der lieblos Angstschürenden geht, um alternative Fakten rechter Verschwörungsideologien und das aufrichtige Sinnieren darüber.

Nur so nämlich wird ihr Gedankengut vom absurden Theater zur leibhaftigen Gefahr. Als der genderfluide Hans sexuelle Avancen seines Ex-Manns Otto mit den Worten zurückweist, "wie kann man in Zeiten von Revolution glücklich sein wollen?", steckt darin also Mitgefühl, das den kleingeistigen Größenwahn der Empathielosen nur verdeutlicht. Und als drei Reichsbürger streiten, ob man "250.000 politische Gefangene" in Lager steckt oder erschießt, weil deren Verköstigung ja schwierig sei und verhungern inhumaner, ist die Befreiungsfarce alles andere als lustig – aber eben auch nicht akademisch, sondern aberwitzig.

Ob man die Menschenverachtung rechter Allmachtsphantasien so präsentieren muss? Natürlich nicht! Ob man darüber lachen darf? Natürlich schon! Jan Bonny hat sich für beides entschieden. Und die Resultate sind weder dauernd komisch noch immerzu sachlich, objektiv, gar zielführend. Was sie aber in jedem Fall sind: einer der originellsten Beiträge zum reaktionären Backlash der vergangenen acht Fernsehjahre.

Alle Folgen von "Freiheit ist das Einzigste, was zählt" stehen ab sofort in der ZDF-Mediathek zum Abruf bereit. ZDFneo zeigt sie im linearen Programm am Donnerstag, 3. August ab 0:30 Uhr