Der Premieren-Abend war klug gewählt: An Christoph Daums 70. Geburtstag stellte Sky am Dienstag in einem Kölner Kino seinen Dokumentarfilm über den wohl streitbarsten Trainer der Bundesliga-Geschichte vor – und viele Weggefährten waren der Einladung gefolgt, darunter Reiner Calmund, Michael Ballack, Thomas Häßler und Jens Nowotny. Rudi Völler, als Direktor der Nationalmannschaft derzeit gut beschäftigt, ließ es sich sogar nicht nehmen, dem Jubilar auf der Bühne persönliche Worte mit auf den Weg zu geben – und scherzte sogleich, dass der Daum-Film über dessen "Triumphe & Skandale", so der Untertitel, sicher unterhaltsamer werde als die jüngst gezeigte Dokuserie über das DFB-Team.

Nun, unterhaltsam war die "All or Nothing"-Doku von Prime Video über das deutsche WM-Debakel durchaus, auch wenn man das auch nachvollziehbaren Gründen beim DFB anders sieht. Der Film über Christoph Daum geht freilich ohnehin in eine andere Richtung und zeichnet einen sportlichen Werdegang nach, der so ungewöhnlich wie spannend ist. Erzählt wird Daums Lebensgeschichte mit viel Herzblut – was auch ein Verdienst des Protagonisten ist, der es nicht nur versteht, über seine eigenen Erfolge zu sprechen, sondern ganz wunderbar offen auch mit seinen Fehlern umgeht. Und von denen hat es gewiss nicht wenige gegeben.

Daums größten Fehler, die Kokain-Affäre, die ihn vor mehr als 20 Jahren das eigentlich sichere Bundestrainer-Amt kostete, macht Regisseur Marc Schlömer erst nach einer Dreiviertelstunde zum Thema. Ausführlich rollt er noch einmal auf, wie der Skandal ins Rollen geriet und nicht nur die Fußball-Branche in Aufruhr versetzte, sondern gefühlt das ganze Land. "Ich wusste ja, dass ich kein absolut reines Gewissen habe", sagt Daum rückblickend in der Dokumentation – und wirkt an dieser Stelle fast schon gelassen, gemessen daran, wie tief sein Sturz in Folge seiner positiven Haarprobe war.

Wie ein roter Faden zieht sich daneben Daums Dauerstreit mit Uli Hoeneß durch den Film: Angeführt von einer wilden Diskussion im "Sportstudio", die – nicht nur wegen der Anwesenheit von Udo Lattek – erstaunliche "Doppelpass"-Vibes versprüht, über die Rolle, die der langjährige Bayern-Manager in der Bundestrainer-Debatte führte, bis hin zum großen Aufeinandertreffen von Hoeneß und Daum, das von den Machern des Films vermutlich als großes Finale angedacht war. Tatsächlich ist die Begegnung der beiden Fußball-Legenden in der Nähe des Tegernsees allerdings der schwächste Moment in der Dokumentation, weil es ihr schlicht an Tiefgang fehlt.

Optimistisch, aber auch verletzlich

Die stärksten Momente entstehen immer dann, wenn es um den größten Kampf geht, den Daum zu führen hat; jenen gegen seine Krebserkrankung. Daum gibt sich optimistisch, aber auch verletztlich. Vor allem in den Szenen, die ihn in der Kölner Uniklinik bei der Chemotherapie zeigen. Weil das Filmteam von Sky und der Produktionsfirma Banijay Productions Germany ihn über eine derart langen Zeitraum begleitet haben, wird das Publikum auch Zeuge der körperlichen Veränderungen des legendären Meistertrainers; sieht, wie Daum zwischenzeitlich die Haare ausfallen und er eisern an seiner Genesung arbeitet.

Dazwischen werden pflichtgemäß Christoph Daums Trainer-Stationen nachgezeichnet, verbunden mit Reisen an die für seine Karriere prägenden Orte (Daum über sich selbst: "Der Christoph Daum ist türkischer als mancher Türke"), aber auch mit Kommentaren langjähriger Weggefährten, darunter Reiner Calmund und Rudi Völler. Mitreißend erzählt und grafisch ungewöhnlich inszeniert, ist "Daum – Triumphe & Skandale" ein schönes Geschenk für Christoph Daum, vor allem aber für Fußballfans. Ganz egal, ob sie ihn mögen oder nicht.

"Daum - Triumphe & Skandale", Freitag um 20:15 Uhr bei Sky Documentaries, sowie bei Sky und Wow auf Abruf