Vor ziemlich genau zehn Jahren hatte Michael Schumacher einen so schweren Ski-Unfall, dass er sich aus der Öffentlichkeit zurückziehen musste. Über den Gesundheitszustand des ehemaligen Rennfahrers gibt es seither keine detaillierten Infos, sondern allenfalls grobe Anhaltspunkte. Dass die Person Schumacher aber noch immer ein Stück weit im Interesse der Öffentlichkeit steht, beweisen regelmäßige Schlagzeilen rund um den mittlerweile 54-Jährigen. Vor rund zwei Jahren erschien eine Netflix-Doku mit dem Titel "Schumacher", nun legt der BR mit "Being Michael Schumacher" nach. 

Den direkten Vergleich der Schumi-Dokus gewinnt Netflix. Der Streamingdienst verstand es damals sehr gut, die mit Anekdoten und Meilensteine prall gefüllte Karriere von Schumacher in einen fast zweistündigen Film zu pressen. Der BR hat sich für eine Doku-Serie mit fünf Folgen à jeweils rund 30 Minuten Laufzeit entschieden. Damit ist die ARD-Produktion nur unwesentlich länger, wirkt aber ungleich zersplitterter und weniger im Fluss. 

Die große Stärke der Netflix-Produktion war damals aber auch, einen gewissen Neuigkeitswert zu schaffen. Schumachers Frau Corinna kam darin ebenso zu Wort wie seine Kinder Mick und Gina-Maria. Sie machten darin sehr deutlich, wie es um den siebenmaligen Formel-1-Weltmeister steht - und was das mit ihnen macht. Das sorgte damals für reichlich Presse und war ein echter Scoop für Netflix. 

"Being Michael Schumacher" kann solche Einblicken nicht liefern. In der Doku-Serie kommen zwar auch viele ehemalige und aktuelle Weggefährten von Schumacher zu Wort, dabei geht es aber meist um einen Blick in die Vergangenheit. Das ist ohne Frage auch spannend, allerdings schafft es die Reihe von BR-Autor Andreas Troll damit nicht, dem Mythos Schumacher etwas Neues hinzuzufügen. Viele Geschichten, die die BR-Produktion aufgreift, waren schon bekannt und werden jetzt einfach ein weiteres Mal erzählt.

Spannende Interviewpartner - und Smudo

Für Schumi-Fans und solche Menschen, die noch einmal in der Vergangenheit schwelgen wollen, ist die Doku-Serie aber ein schöner Blick zurück. Andreas Troll hat mit einer ganzen Reihe von Personen gesprochen, die einen guten Einblick geben in die Person Michael Schumacher. Neben verschiedenen Journalistinnen und Journalisten kommen auch ehemalige Weggefährten aus dem Kartsport und der Formel 1 zu Wort, gesprochen hat Troll auch mit Ralf Schumacher sowie Sabine Kehm, der langjährigen Managerin von Schumi. Der BR hat sogar den Formel-1-Fahrer aufgetrieben, dem Schumacher seine Premiere in der Königsklasse des Motorsports zu verdanken hat - weil der wegen einer Pfefferspray-Attacke auf einen Taxifahrer in einem Londoner Gefängnis saß und so nicht antreten konnte. 

Wirklich interessant sind aber vor allem die, zugegebenermaßen auch nicht ganz neuen, Aussagen von Florian König, der seinerzeit bei RTL durch die Formel-1-Übertragungen geführt hat und damit mitverantwortlich war, den Sport einem Millionenpublikum schmackhaft zu machen. "Wir haben in den Jahren Schumi-TV gemacht", sagt König in der Doku und bekräftigt, dass das die richtige Entscheidung gewesen sei. "Wir haben dem Affen Zucker gegeben und er hat die ganze Zeit performt", so König. Etwas wahllos erscheint dann aber ein Interview mit Smudo, der dann auch noch was über Schumacher erzählen darf. Während der Einsatz des Musikers in der wunderbaren BR-Reihe "Dirty Little Secrets" über die Musikindustrie gut gepasst hat, wirkt es jetzt ein wenig so, als sei Smudo die Notlösung für einen Gesprächspartner gewesen, der es leider nicht rechtzeitig zum Interviewtermin geschafft hat. 

Wir haben in den Jahren Schumi-TV gemacht
Florian König über die F1-Berichterstattung bei RTL


Wirklich problematisch ist die Doku-Serie des BR allerdings an anderen, ganz entscheidenden Stellen: Bei den Archiv-Interviews mit Schumacher selbst. Diese sind nämlich nicht als eben solches Archivmaterial gekennzeichnet. Nun ist Schumacher seit zehn Jahren nicht mehr in der Öffentlichkeit aufgetreten und seine Familie schirmt ihn konsequent von der Presse ab. Dadurch gibt es aber auch immer dieses kleine: Was wäre wenn? Und weil es keine aktuellen Fotos des ehemaligen Rennfahrers gibt, ist er eben noch mit dem Bild von damals in den Köpfen vieler Menschen abgespeichert. Wenn diese Person dann in der Doku plötzlich redet, wieso sie diese oder jene Entscheidung damals getroffen hat, wäre es journalistisch sauber gewesen, zumindest das Jahr einzublenden, in dem Schumacher das gesagt hat. 

Archiv-Interviews nicht als solche gekennzeichnet

Wenn Schumacher im Interview mit Alfred Biolek über seine Ambitionen spricht oder als 20-Jähriger ein Interview auf der Kartbahn gibt, muss das nicht gekennzeichnet werden. Aber bitte dann doch, wenn der gestandene Rennfahrer Schumacher vor neutralem Hintergrund spricht und das so gut und gerne auch ein aktuelles Gespräch sein könnte - oder von den Menschen als solches aufgefasst werden könnte. Zumal der BR ganz bewusst auch mit der Hoffnung auf eine Schumi-Rückkehr in die Öffentlichkeit spielt. Gleich zu Beginn der ersten Folge sieht man Schumacher im Halbdunkeln stehen, die Kamera ist extra ein bisschen verschwommen. "Los geht’s", sagt er dann in ein Mikrofon. In Folge zwei ist es ähnlich: "Klappe, die Zweite", sagt Schumacher da. Natürlich soll das Erwartungen auf ein aktuelles Interview schüren. 

Die BR-Sportredaktion sieht in der Vorgehensweise kein Problem. Gegenüber DWDL.de teilt sie zur Nicht-Kenntlichmachung der Archiv-Interviews mit Michael Schumacher mit: "Durch Kontext und Optik ist klar, dass diese aus der Vergangenheit stammen. Das Schicksal Michael Schumachers ist zudem allgemein bekannt und wird in der Dokuserie auch vollständig erzählt. In der Kommunikation haben wir explizit betont, dass Schumacher in ausgewählten Archivaufnahmen zu Wort kommt." Ob das wirklich alles so klar ist und ob der BR nicht doch mit den Hoffnungen der Zuschauerinnen und Zuschauer spielt, kann sich nun jeder selbst ansehen. 

"Being Michael Schumacher" steht ab sofort in der ARD-Mediathek zum Abruf bereit. Im Ersten sind alle fünf Teile am 28. Dezember ab 23:35 Uhr zu sehen.