Am Sonntagabend um 21:45 Uhr dürften viele Zuschauerinnen und Zuschauer des Ersten einige Fragezeichen gehabt haben. Da meldet sich plötzlich nicht mehr Anne Will nach dem "Tatort", sondern Caren Miosga. Wieso redet die neue Moderation plötzlich nur noch mit einer Person? Wieso sind da ein Kreis und ein Quadrat die ganze Zeit im Bild eingeblendet? Und was macht eigentlich diese Schreibtischlampe unter dem Tisch von Caren Miosga? Und während die Frage nach dem Quadrat und dem Kreis bis zum Ende unbeantwortet blieb, schaffte Miosga doch zumindest beim Rest schnell Klarheit. 

Also, jetzt mal der Reihe nach: Weil sich Anne Will dazu entschieden hat, ihre gleichnamige Talkshow nach 16 Jahren zu beenden, wurde Caren Miosga zu ihrer Nachfolgerin gekürt. Und an diesem Sonntag lief nun die Premieren-Ausgabe ihres Polit-Talks. Dabei versucht man sich ganz bewusst und wie bereits angekündigt, vom Vorgänger-Format zu unterscheiden. Das wurde direkt in Folge eins deutlich, als Miosga zunächst ausführlich ein Einzelgespräch mit CDU-Chef Friedrich Merz führte. 

So etwas hatte es bei "Anne Will" zuvor nur höchst selten gegeben. Wie effektiv solche längeren Einzelgespräche aber sein können, ist spätestens seit "Markus Lanz" klar. Später gab es zum Auftakt des neuen Polit-Talks im Ersten noch einen Einspielfilm über eine inzwischen zurückliegende Landratswahl in Thüringen samt Wählerbefragung, im Anschluss diskutierten Miosga und Merz auch noch mit "Zeit"-Journalistin Anne Hähnig und dem Soziologie-Professor Armin Nassehi über die Zukunft der CDU - das war nämlich das Thema der Sendung. 

Miosga will bekannte Muster aufbrechen

Die erste Ausgabe gibt damit wohl die Marschrichtung vor: In Zukunft will man aus dem bislang oft bekannten Muster ausbrechen, in jeder Sendung immer mehrere Politikerinnen oder Politiker aus unterschiedlichen Lagern sitzen zu haben. Das führte in der Vergangenheit nicht nur bei "Anne Will" zu der ermüdenden Erkenntnis, dass die Sendungen oft zu Abspielstationen politischer Stammtischparolen wurden, ohne dass eine echte Diskussion entstand. "Caren Miosga" will hier einen anderen Weg gehen und zumindest zum Start hat das gut funktioniert, weil der neue Aufbau mehr Dynamik und Spielmöglichkeiten bietet. "Caren Miosga" wirkt dynamischer und weniger starr als "Anne Will". 

Caren Miosga © Screenshot Das Erste Caren Miosga, Friedrich Merz, eine Schreibtischlampe (hier schon auf dem Tisch) und ein seltsames Sendungslogo, das die ganze Zeit im Bild eingeblendet war

Und so spricht die Gastgeberin mit dem CDU-Chef zunächst über die Demonstrationen gegen Rechts, die AfD, das Grundsatzprogramm der CDU, Atomkraftwerke, Angela Merkel und einige andere Themen. Caren Miosga macht das, obwohl zum Auftakt hier und da noch sichtlich angespannt, gut. Vor allem in der ersten Sendungshälfte, beim Einzelinterview mit Merz, geht sie noch ein wenig zu kumpelhaft mit ihrem Gesprächspartner um und lacht etwas zu viel, wenn sie Fragen stellt. Ein bisschen mehr Distanz und kritisches Beharren auf konkreten Antworten wäre da angebracht gewesen, ansonsten war es jedoch ein gelungener Einstand für die neue Moderatorin, die sich erst ganz zum Ende hin einmal verhaspelt, als sie sich eigentlich bedanken wollte und dann stattdessen sagt: "Ich darf mich begrüßen".

Ebenfalls eine merkbare Veränderung im Vergleich zu "Anne Will": Caren Miosga hat das Publikum zurück ins Studio geholt. Das ist durchaus überraschend, haben Will und gerade auch Markus Lanz doch gezeigt, dass ohne Publikum teilweise noch deutlich bessere Sendungen zu machen sind, weil Gäste bei populistischen Zwischentönen nicht mehr auf Applaus hoffen können. Zum Auftakt des neuen Polit-Talks im Ersten hat das Publikum nicht gestört, es hat die Sendung aber auch nicht weitergebracht. Immerhin hat Miosga ihre Ansage wahrgemacht, keine Claqueure der Parteien ins Studio zu lassen. Nun wird man in den kommenden Wochen sehen, welche Dynamik sich mit dem Publikum im Studio entwickelt. 

Mehr Dynamik, auch dank einer Lampe

Insgesamt war es eine gelungene Premiere, die Caren Miosga am Sonntagabend im Ersten gefeiert hat - und das vor allem auch deshalb, weil man sich in der Form deutlich unterscheidet vom Vorgänger-Format, das allzu oft wie festgefahren wirkte. Insofern ist Miosga und dem Team ihrer Produktionsfirma MIO Media ein Lob auszusprechen. Dem Ersten ist ein Talk-Neustart gelungen, dem zuzutrauen ist, neues Publikum anzusprechen, ohne gleichzeitig alteingesessene "Anne Will"-Fans zu verschrecken.

 

Und jetzt haben Sie sich bis hier hin durch unsere TV-Kritik zu "Caren Miosga" gekämpft und fragen sich natürlich zurecht: Was ist denn nun mit der Schreibtischlampe? Die war ein Gesprächsaufhänger für die Moderatorin. Sie wurde in Arnsberg gefertigt, also der Stadt, in der Friedrich Merz seit 30 Jahren lebt. Miosga befragte Merz nach Überreichen der Lampe zunächst zu seinen Heimatgefühlen und später zum Grundsatzprogramm der CDU. Da muss nicht allen ein Lichtlein aufgehen. Aber auch das ist ein Beweis dafür, dass der Sonntagabend im Ersten künftig wohl etwas dynamischer als bislang daherkommen wird.