Es ist gerade einmal anderthalb Jahre her, da galt die von Arnold Schwarzenegger vorgestellte Animationsserie "The Governator" als das Highlight der MIPTV 2011 in Cannes. Die Fernsehbranche hat sich von diesem Schreck erholt - Arnold Schwarzenegger bekanntermassen nicht. Die MIPCOM 2012 ist erfreulicherweise völlig anders mit hochkarätige Produktionen, besonders im Fiktionalen. Mit "House of Cards" und "The Americans" feierten gleich zwei brandneue Serien ihre Premiere vor Fachpublikum - und konnten begeistern. Für die US-Adaption der BBC-Miniserie "House of Cards" haben sich mit David Fincher und Kevin Spacey zwei hochkarätige Namen zusammengetan. Spacey, der nicht nur Produzent sondern auch Hauptdarsteller ist, sagte schon im Vorfeld der MIPCOM: "Wer die interessantesten Storys und Charaktere sucht, findet sie heutzutage im Fernsehen."

Doch Fernsehen ist nicht mehr Fernsehen. Das zeigt schon der Auftraggeber von gleich zwei Staffeln der Serie: Die US-VoD-Plattform Netflix. Dort wird die hochpolitische Serie am 1. Februar 2013 online gehen - und das gleich mit allen 13 Folgen der ersten Staffel. "Es scheint mir so als wäre das der neue Weg TV-Serien zu schauen. Zuschauer, die begeistert sind, wollen an einem Wochenende dann auch die Möglichkeit haben, durchzuschauen." Wie schon "Lillyhammer" von Red Arrow beflügelt diese Produktion die Fantasien der Branche - und das fast noch mehr als die LowBudget-WebTV-Experimente von YouTube, die am Montag vorgestellt wurden. Aber nicht nur das Screening von "House of Cards" überzeugte in Cannes - auch die für den US-Kabelsender FX produzierte Serie "The Americans" über zwei KGB-Agenten in den USA der 80er Jahre feierte eine gelungene Premiere. Weitere vielversprechende Serien-Projekte bei der diesjährigen MIPCOM sind "Rectify" von ITV Studios und "The Fall" von ZDF Enterprises.

Auch das neue Projekt von Jan Mojto und Nico Hofmann, eine achtteilige Serie basierend auf der Hitler-Biografie "Hitlers erster Krieg" von Historiker Thomas Weber, bekam in Cannes bereits einige Vorschusslorbeeren. Red Arrow International trat nicht nur erstmals selbst unter neuem Namen auf - sondern brachte auch die im Frühjahr noch als "Le Grand" vorgestellte europäische Koproduktion mit Jean Reno unter neuem Namen mit. "Jo" heißt die Krimiserie jetzt. Red Arrow-Chef Jens Richter freut sich jedoch nicht nur über das Interesse an dieser Produktion, auch die erneute Nominierung eines Katalog-Titels für die International Emmys - in diesem Fall die belgische Comedy "What if" - ließ seine Laune in Cannes steigen.

Der guten Laune schließt sich auch ZDF Enterprises-Chef Alexander Coridaß an. Die MIPCOM 2012 kommt zwar, so analysiert auch er die Messe, erneut ohne den großen neuen Trend aus - aber die Stimmung im Markt erholt sich weiter. Im Bereich der Fiction, so Coridaß, sei eine neue Kultur der Koproduktion etabliert, bei der endlich falsche Bedenken und Zurückhaltung fallen gelassen werden. Neue Partner im Markt sorgen da für Bewegung. Die ist zwar auch im Markt der Non-Fiction zu spüren, doch hier eher orientierungslos: Die Suche nach der Nadel im Heuhaufen, nach dem nächsten Trend in der non-fiktionalen Unterhaltung, geht weiter. Die Antwort auf die Frage, welche Formate dem internationalen Erfolg der Castingshows folgen könnte, bleibt in Cannes diesmal - abgesehen von einem Mini-Trend in Richtung Business-Dokusoaps als Folge des Erfolgs von "Undercover Boss" - auch diesmal unbeantwortet.

Und wenn es nach FremantleMedia geht, dann braucht es auch keinen Nachfolger für den Castingshow-Trend: Man feiert bei der MIPCOM über 50 lokale Produktionen von "Got Talent" - und sieht noch kein Ende gekommen. Doch die, die nach dem next big thing suchen, tun das inzwischen auch abseits der üblichen Märkte. Normalerweise gelten UK, US und unsere Nachbarn aus den Niederlanden hier als Treiber und Produzenten wie Shine, Eyeworks und Endemol haben genügend Ideen im Angebot, doch der große "Wow"-Faktor bleibt aus. Deswegen schauen sich inzwischen immer mehr Sender auch Produktionen aus jüngeren Märkten an. Gleich mehrere US-Adaption chilenischer Formate. So adaptiert NBC in den USA die chilenische SciFi-Serie "Gen Mishima", Syfy kauft das chilenische RealityTV-Format "Opposite Worlds" von Banijay. Woanders werden gleich kleine Produktionsfirmen gekauft.

Im Untergeschoss des Palais des Festival, wo sich traditionell auch die eher kleinen unabhängigen Firmen an manchmal recht bescheidenen Ständen präsentieren, machten diesmal auch deutsche TV-Macher häufiger Halt als noch zuletzt. Auch hier also eine neue Kultur der Gespräche und Kooperation, die dem Markt nur gut tun kann, auch wenn es im Ergebnis noch keine Neuigkeiten gibt. Fasst man die Erkenntnisse der MIPCOM jetzt und der MIPTV im Frühjahr zusammen, so bleibt als der Trend des Jahres 2012 nur eins festzuhalten: Eine neue Offenheit, die auch dank neuer Marktteilnehmer, für eine neue Kultur der Kooperation und Koproduktion sorgt. Und das nicht allein aus Not, sondern Überzeugung heraus. Es könnte schlechtere Signale geben.