Mit „Lilyhammer“ haben Sie die erste Drama-Serie für Netflix produziert. Ist das Arbeiten mit diesen neuen Plattformen immer noch so anders, wie u.a. Kevin Spacey kürzlich vorschwärmte?

Jens Richter: Netflix agiert mittlerweile sehr hands on. Sie sind zwar  nicht so involviert wie ein normales US-Network, aber sie wollen durchaus die Drehbücher sehen. Auch bei der laufenden Produktion sind sie stärker eingebunden – so möchten sie beispielsweise den Rohschnitt zur zweiten Lilyhammer-Staffel sehen. Und das ist auch gut so.

Jan Frouman: Netflix bekommt jetzt auch den Druck zu spüren, den klassische Sender schon immer hatten. Nach „Lilyhammer“, „House of Cards“ und „Orange is the new black“ ist es jetzt entscheidend, das erreichte Level an Qualität auch zu halten. Die Erwartungshaltung an Netflix steigt - da schaut man dann genauer hin. Besonders dann, wenn man inzwischen mehr Pitches bekommt als man je lesen könnte.



Und wie man liest, kommt jetzt mit „Bosch“ der erste Pilot einer Drama-Serie für Amazon. 

Jens Richter: (lacht) Wir sind bei Bosch in der Präproduktion – aber mehr darf ich Ihnen dazu noch nicht sagen. Aber grundsätzlich sind viele unserer Dramaprojekte für Plattformen wie Netflix und Amazon einfach ideal.

Was zeichnet denn Projekte aus, die sie sich anschauen?

Jens Richter: Wir gehen in Projekte rein, von denen wir glauben, dass sie vorverkaufbar sind. Projekte, die koproduzierbar oder kofinanzierbar sind. Es müssen also Projekte sein, die sich zur Markenbildung eignen. Wir brauchen dafür zum Beispiel starke Storys, vielleicht sogar existierende Romanvorlagen wie jetzt bei „Bosch“, wo Connelly schon 55 Millionen Bücher verkauft hat. Oder einen herausragenden Cast: Bei „Lillyhammer“ und „Jo“ hatten wir mit Steven van Zandt und Jean Reno bekannte Schauspieler in den Hauptrollen. Kurz gesagt: Die Properties müssen von vorneherein eine starke Programmmarke für den Sender sein. Das macht solche Serien vorverkaufbar. Wir reden zum Beispiel jetzt schon mit europäischen Sendern, u.a. in Schweden, über Vorverkäufe für die komplette Staffel von „Bosch“.

Und was macht diese Serien so ideal für VoD-Plattformen, wie sie es erwähnten?

Jens Richter: VoD-Plattformen stehen vor einer Herausforderung beim Marketing. Sie verfügen nicht wie lineare Sender über On-Air-Promotion-Power, sondern müssen neue Wege finden, um ihre Zuschauer zu erreichen. Mit bekannten Stars in der Hauptrolle oder einer Verfilmung extrem erfolgreicher Bücher ist das einfacher. Deswegen war „House of Cards“ ja abgesehen davon, dass es dann eine großartige Serie war, so gut für Netflix - weil Fincher und Spacey Aufmerksamkeit erzeugen.

Weil Sie es eben schon ansprachen: Was haben Sie denn aus der Jean Reno-Serie „Jo“ lernen können, die ja nicht ganz so funktionierte wie gedacht...

Jens Richter: Es gibt unterschiedliche Learnings. Die Quoten waren größtenteils ganz gut. Bei Sat.1 war man zufrieden. In Frankreich hatte es bei TF1 im Gesamtpublikum gut funktioniert, aber bei den jungen Frauen nicht so sehr. Für TF1 war es ein extrem teures Projekt, so dass die Messlatte eben höher lag. FOX International Channel war hingegen super happy, die haben es dann auch sehr bedauert, dass es nicht weitergeht. Ein Learning war vielleicht auch mit Blick auf die Zielgruppe der jungen Zuschauerinnen: Möglicherweise ist Jean Reno dann doch fünf, sechs Jahre zu alt für die Rolle und man hätte vielleicht doch mehr draußen drehen sollen, um den Charme von Paris ausspielen zu können.

In ihrem Messekatalog finde ich Fiction, Factual, Formate und dann das Kapitel Apps. Welche Rolle spielt das – ist das ein Buzz-Thema?

Jens Richter: Es ist definitiv ein Buzz-Thema. Wir standen vor der Entscheidung: Gehen wir selber in die Entwicklung rein oder suchen wir uns einen Partner. Das war gar keine Frage mehr als wir mit dem israelischen Cross-Media-Unternehmen Screenz ins Gespräch gekommen sind. Wir bieten gemeinsam mit Screenz Apps zu einzelnen Formaten an oder Genre-Apps. Das kann zum Beispiel eine „The Taste“-App sein - oder eine zum Thema Kochen allgemein, die dann auf einzelne Formate verlinkt. Aber es kann auch eine Super-Plattform wie  die Power App sein. Wir bieten Senderpartnern in einzelnen Ländern an, dass wir diese Ergänzung zum Format übernehmen oder sie bei der eigenen Umsetzung beraten. Die Sender bekommen so ohne viel Aufwand eine schnell verfügbare Markenverlängerung. Ganz klar ein Buzz-Thema - wird man damit großes Geld verdienen? Das werden die kommenden Jahre zeigen. Wir wollen sicherlich kein Geld damit verlieren. Aber die Sender sind gut beraten damit zu experimentieren. Ein großes TV-Format wie „The Taste“ auf anderen Plattformen unbegleitet zu lassen und es so zu verpassen, eine Marke bestmöglich aufzubauen, wäre geradezu sträflich.

Wir haben jetzt viel über nachgefragte Formate gesprochen. Doch welche Genres werden aktuell eigentlich weniger oder gar nicht nachgefragt?

Jens Richter: Kleine Sachen gehen schwierig. Durch die Fragmentierung sind die großen Sender in einer Verteidigungsposition. Dafür brauchen Sie die großen Programmmarken. Kleine, schöne TV-Ideen gehen da manchmal unter. International gesehen erreichen viele Kaufserien nicht mehr die ganz großen Sender, da diese zunehmend auf lokale Produktionen setzen. Eine nette Kaufserie ohne besonderen Aufhänger, die hat es schwer. So hat TF1 ja „CSI“ vom angestammten Sendeplatz verbannt und setzt mit „Falco“ lieber auf eine Eigenproduktion.

Letzte Frage dann dazu: Als ein Unternehmen, dass für Netflix und vielleicht auch bald Amazon produziert - würden Sie sich einen Marktstart beider Angebote in Deutschland wünschen?

Jens Richter: Wir müssen jetzt gehen (lacht).  Ernsthaft: Je mehr die Fernsehsender wieder in eigene lokale Produktionen investieren, desto harmloser würde das für sie werden. Schwieriger wird es dann für die kleineren Sender, die auf Reruns setzen. Da machen schon jetzt VoD-Portale starke Konkurrenz. Aber auch Pay-TV-Anbieter müssen sich klar gegenüber VoD-Anbietern positionieren.

Jan Frouman: Und das führt, wie wir es auch schon gesagt haben, hoffentlich dazu, dass auch kleinere Sender in Deutschland die Notwendigkeit erkennen, mit eigenen Formaten wiedererkennbar zu werden. Wir freuen uns auf mehr Nachfrage. Es ist generell gerade eine spannende Zeit im Produktionsgeschäft. Mehr noch natürlich im Fiktionalen, weil das wirklich gerade alle für sich entdecken. In den USA und auch als Koproduktion in Europa.

Herr Frouman, Herr Richter, herzlichen Dank für das Gespräch.