Crossing Lines 3© Tandem
Ein sonniger Mittag am Rande von Prag. In den ehrwürdigen Barrandov-Studios, wo schon "Mission: Impossible", "The Bourne Identity" oder "Borgia" entstanden, ist gerade Drehpause. Aus dem Catering vor Studio 7 kommt uns Donald Sutherland entgegen, streckt die rechte Hand zum Gruß aus, in der linken hält er ein Eis.

Nach einem kurzen Willkommen lobt er erst das Catering, dann die Frau, mit er jetzt seit dreieinhalb Monaten täglich am Set zusammenarbeitet: Rola Bauer, Chefin der Münchner Produktionsfirma Tandem – und Mutter von "Crossing Lines", der Krimiserie, deren dritte Staffel in Kürze abgedreht ist. Als für Sutherland die Arbeit vor der Kamera weitergeht, kann das DWDL.de-Interview mit der Produzentin beginnen.

Frau Bauer, Sie waren viele Jahre ein Unikum der TV-Branche: Als Kanadierin in Deutschland haben Sie von hier aus Filme und Serien international koproduziert und um die Welt geschickt. Neuerdings sind auch andere Produzenten auf den Geschmack gekommen und versuchen, deutsche Serien international auszurichten. Sind Sie jetzt nicht mehr so einzigartig wie vorher?

Stimmt, das habe ich auch schon gemerkt – und finde es super. Als wir 2003 "Die Nibelungen", die urdeutsche Heldensaga, auf Englisch drehen wollten, bekam ich zu hören: Bist du wahnsinnig? Wer soll das denn kaufen? Sechs Jahre später, bei "Die Säulen der Erde", hieß es dann: Wer kann eine achtstündige Miniserie programmieren? Heutzutage ist all dies viel selbstverständlicher geworden und das freut mich, da der kreative Spielraum vergrößert wird.

 

Keine Angst vor mehr Konkurrenz?

Natürlich gibt es jetzt mehr Konkurrenz – um die besten Stoffe, um die besten Köpfe. Für mich ist das Herausforderung und Ansporn zugleich. Je mehr Produzenten die Strategie der internationalen Koproduktion verfolgen, die wir bei Tandem seit 16 Jahren verfechten, und je mehr Sender uns dabei unterstützen, desto bessere Plätze bekommen wir im Programmschema. Als ich in Deutschland anfing, gab es im normalen Schema nur Platz für Einkauf oder Eigenproduktion. Mittlerweile wird die dritte Säule, die internationale Koproduktion, immer wichtiger.

Welche Folgen hat das für die Stoffe, die auf diese Weise ermöglicht werden?

Entscheidungen über Stoffe treffe ich aus dem Bauch heraus. Ich möchte Fernsehen machen, das sowohl 'entertaining' als auch 'enlightening' ist, also unterhaltsam und aufklärend zur selben Zeit. Mehr und mehr Kollegen möchten das offensichtlich auch. Das ist nicht ohne Risiko. Beispielsweise geht RTL mit "Deutschland 83" sicher ein gewisses Risiko ein, weil es nicht dem klassischen RTL-Programm entspricht. Natürlich braucht RTL "Cobra 11" und "Der Lehrer", aber zwischendurch muss man dem Zuschauer auch mal etwas Ungewöhnliches bieten. Gleichzeitig unterstützt der Sender damit deutsche Künstler vor und hinter der Kamera.

Crossing Lines 3© Tandem

Merken Sie denn bei Gesprächen mit Ihren internationalen Partnern, vor allem im US-Markt, dass die Begehrlichkeit nach Serien made in Germany wirklich nachhaltig wächst?

Außer "Deutschland 83" und "Unsere Mütter, unsere Väter" kenne ich bisher nicht viele rein deutsche Serien, die es in die USA geschafft haben. Bei Koproduktionen, wie wir sie machen, sieht das schon anders aus. Traditionell hat Deutschland das Image, selbstgenügsam zu sein. Peu à peu merke ich aber, dass eine neue Generation von Kreativen heranwächst und beginnt, universellere Geschichten zu erzählen. Und das ist der Punkt, an dem es für die internationalen Partner spannend wird. Berlin spielt dabei eine ganz wichtige Rolle als Begehrlichkeitsfaktor. Alle wollen dahin – nicht nur "Homeland". Viele meiner langjährigen US-Partner fragen mich: Können wir nicht irgendwas gemeinsam in Berlin machen?

"Wir behandeln jetzt mehr aktuelle, relevante Themen, die in Europa eine Rolle spielen"

Rola Bauer über "Crossing Lines 3"


Noch sind wir erstmal in Prag am Set der dritten Staffel Ihrer Crime-Serie "Crossing Lines", der Sie einen Relaunch verpasst haben. Was ist anders als in den ersten beiden Staffeln?

Es ist heutzutage eine echte Herausforderung, das Publikum einer Serie von Staffel zu Staffel zu halten und aufs Neue zu begeistern. Neben den beiden neuen Hauptdarstellern Elizabeth Mitchell und Goran Visnjic sowie einem komplett neuen, hochwertigeren Look der Serie haben wir auch bei der Entwicklung der Bücher eine etwas andere Richtung eingeschlagen – verkörpert durch unseren neuen Headwriter und Executive Producer Frank Spotnitz. Wir behandeln jetzt mehr aktuelle, relevante Themen, die in Europa eine Rolle spielen. Beispielsweise geht es in einer Folge um das allgemeine Wiedererstarken der politischen Rechten. Unser ICC-Team muss einen Rechtspopulisten retten, als er in Gefahr gerät – egal, was sie persönlich von ihm halten. Natürlich erzählen wir nach wie vor in erster Linie einen spannenden Krimi, möchten aber gern solche zusätzlichen Akzente setzen und ein wenig zum Nachdenken anregen.