Pünktlich zur MIPCOM ist das Zurechtruckeln erledigt: Studiocanal, der Produktionsarm der Canal+ Group, hat seinen Geschäftsbereich Worldwide Television umstrukturiert. An dessen Spitze steht M-K Kennedy, eine gebürtige Kolumbianerin, die zuletzt bei Netflix das europäische Produktionsgeschäft gesteuert hatte und voriges Jahr zu Studiocanal gewechselt war. Unter ihr verantwortet Alix Lebrat – zusätzlich zu ihrer Funktion als COO – nun alle Serienprojekte in Frankreich, Spanien, Italien, Griechenland und Lateinamerika. Im Heimatmarkt will man mit mehreren neuen Produktionslabels wachsen, während die spanische Tochter Bambu Producciones und deren neue Ausgründung Te Espero En Marte gezielt auf der anderen Seite des Atlantiks Fuß fassen sollen.
Auch für Nicolas Loock, der bisher als Geschäftsführer von Studiocanal Series in München für den deutschen Markt zuständig ist, gibt es zusätzliche Aufgaben. Als Senior Vice President für Nordeuropa kümmert er sich ab sofort auch um die Serienproduktion in Skandinavien, Benelux und Polen. Zusätzlich betreut er die im Aufbau befindlichen Aktivitäten in Asien. Dort wurde kürzlich eine Zusammenarbeit mit dem koreanischen Produktionshaus Mr. Romance vereinbart, um "The Red Circle", den Klassiker von Jean-Pierre Melville, neu zu verfilmen. In Singapur ist mit den Fremantle-Töchtern Beach House Pictures und Momo Film die groß angelegte Historienserie "Red Butterfly" in der Mache.
Von London aus soll Paul Gilbert als Senior Vice President, English-Language Series die Entwicklung und Produktion ambitionierter Projekte aus Großbritannien und den USA vorantreiben. Zu diesem Zweck wurde Studiocanal Television als weitere hauseigene Produktionsfirma gegründet. Gilbert ist ausführender Produzent der Politthriller-Serie "Army of Shadows" von Ronan Bennett ("MobLand"), die momentan vorbereitet wird, sowie des gerade abgedrehten "Apollo Has Fallen", der zweiten Serien-Adaption des unverwüstlichen "Has Fallen"-Franchises. Mit der Umstrukturierung wolle man "dem Markt klar machen, wer die Ansprechpartner für Serien aus Europa und anderen Teilen der Welt sind", so M-K Kennedy, und für einen "effizienteren und kooperativeren Ansatz" sorgen.
Die Betriebsamkeit dürfte ganz im Sinne von Aufsichtsratschef und 31-Prozent-Gesellschafter Yannick Bolloré sein. Der Spross der französischen Milliardärsfamilie hatte seit vorigem Jahr die Aufspaltung des Vivendi-Konzerns in vier separate, jeweils börsennotierte Einheiten durchgezogen – mit dem erklärten Ziel, mehr Finanzwert zu schaffen als einem Mischkonzern möglich ist. Unter dem alten Namen Vivendi firmieren inzwischen nur noch die Beteiligungen an MediaForEurope (19,8 Prozent), Banijay (19,2 Prozent) oder Universal Music (9,9 Prozent). Die Verlagsaktivitäten der Louis Hachette Group und die Werbeholding Havas operieren nun komplett getrennt vom Film- und Fernsehgeschäft.
Umsatz 2024: 6,4 Milliarden Euro Gesellschafter: Bolloré Group (31%), Morgan Stanley (5%), Merrill Lynch (5%), Vanguard Group (3%), Streubesitz (56%) Vorstand: Maxime Saada (CEO), Amandine Ferré (CFO), Jacques du Puy (Global Pay TV), Anna Marsh (Studiocanal) Produktionsfirmen: Bambu Producciones, Birdie Pictures, Dutch Filmworks, Kino Swiat, Lailaps Films, Opus TV, RED Production Company, SAM Productions, Strong Film & Television, Studiocanal Original, Studiocanal Series, Studiocanal Television, Sunnymarch TV, The Picture Company, Urban Myth FilmsCanal+ Group auf einen Blick
Seit der offiziellen Abspaltung am 16. Dezember 2024 ist die Canal+ Group an der Londoner Börse gelistet. In dieses Abenteuer hatte Bolloré sie mit hohen Nettoverlusten durch Restrukturierungsaufwand geschickt, nicht zuletzt verursacht durch Lizenzverlust und Schließung des französischen Free-TV-Senders C8 zum März dieses Jahres. Im ersten Halbjahr gingen die Umsätze der Gruppe um 3,3 Prozent auf rund 3,1 Milliarden Euro zurück, das operative Betriebsergebnis fiel um 21,6 Prozent auf 246 Millionen Euro. Zumindest zeigt ein deutlicher Anstieg des freien Cashflows auf rund 370 Millionen Euro, dass Canal+ seine internen Abläufe offenbar besser steuert und Kosten reduziert hat.
Ende September konnte die Gruppe zudem Vollzug bei der lange geplanten Übernahme der südafrikanischen MultiChoice Group vermelden. Die Transaktion mit einem Volumen von über zwei Milliarden Euro verschafft Canal+ die unternehmerische Kontrolle beim Pay-TV-Marktführer im englisch- und portugiesischsprachigen Afrika. Der Integrationsprozess soll in Kürze beginnen und nach Konzernangaben zu einem Gesamtvolumen von mehr als 40 Millionen Abonnenten in fast 70 Ländern führen. Der Deal bedeutet nicht nur einen geografischen Ausbau, sondern öffnet Zugänge zu neuen Märkten mit hohem Wachstumspotenzial sowohl in Bezahl-TV und Streaming als auch in lokaler Produktion. Die damit verbundene Diversifikation und geringere Abhängigkeit vom französischen Kernmarkt ist angesichts der massiven Konkurrenz durch globale Streamingdienste willkommen – ein Signal an die hohen Erwartungen der Investoren seit dem Spin-off.
Dass Studiocanal seine Serienproduktion in etlichen Territorien hochfährt, steht damit in unmittelbarem Zusammenhang. Um die Attraktivität gegenüber den Kunden zu sichern, muss Canal+ verstärkt auf eigene Produktionen, exklusive Serien und Filme setzen – sowohl in den für den Konzern neuen Märkten als auch in Frankreich, wo man mit dem Disney-Output und Uefa-Fußballrechten zwei wesentliche Assets verloren hat. Analysten gehen davon aus, dass die Canal+ Group nicht durch Wachstum um jeden Preis, sondern durch das richtige Gleichgewicht aus starker lokaler Produktion, attraktiven Abo-Produkten, solider Cashflowstruktur und gezielter Expansion langfristig erfolgreich sein könnte. Gelinge das, könne Canal+ vom schwerfälligen Riesen im Mischkonzern zu einem "neuen europäischen Modell für Pay-TV + Streaming + Content" werden.