Wenn Sie sagen „weniger Promis“ sei ein Trend. Wie passt dann die Promi-Version von „Das große Backen“ in die Aussage?

Arne Kreutzfeldt: Gute Frage. Die können halt was. Unsere größte Sorge war, ob wir mit Promis auch wirklich ein Back-Niveau erreichen, über das die Fans des Formats sich dann nicht ärgern. Also nicht so dahin geschludert wie das gerne mal bei Promi-Shows ist. So nach dem Motto: Heute back ich, morgen bowl ich, übermorgen curle ich. Wir nehmen das Format ernst. Ich bezweifle trotzdem hier schon mal öffentlich, dass wir auch mit der Promi-Version nicht an die 16 Millionen Zuschauer des „Great British Bake Off“ rankommen. (lacht). Aber wir freuen uns natürlich über die auf etwas geringerem Niveau steigenden Quoten von „Das große Backen“. Das ist auch ein wertvoller Erfolg für Sat.1. Jetzt probieren wir es mal mit Promis. Die Aufzeichnung ist super geworden.

Philipp Schmid: Das Schöne an dem Format ja, dass das Backen wirklich im Mittelpunkt steht. In der ersten Staffel hat man sich noch etwas mit dem Drumherum aufgehalten. Wie soll das Zelt aussehen?  Welche Lampen sollen da drin hängen? Wie kann man das Format showiger machen? Aber von Staffel zu Staffel haben wir uns jetzt auf den Kern konzentriert: Das Backen. Bei den Promis die jetzt dabei sind, haben wir deshalb auch darauf geachtet, dass die wirklich etwas gebacken bekommen.

Okay, aber Tower Productions entwickelt auch Fernsehen ohne Promis?

Arne Kreutzfeldt: „Employable me“ ist ein wahnsinnig gut gemachtes BBC-Programm aus Großbritannien. Es erzählt von Menschen mit überdurchschnittlicher Begabung in diversen fachlichen Gebieten, die aber aufgrund von Autismus oder Tourrette-Syndrom in der sozialen Interaktion ihre Schwierigkeiten haben, einen Job zu finden. Das ist ein Format, das sehr berührt und man gleichzeitig viel lacht  - mit den Protagonisten, nicht über sie. Das bedarf einer Umsetzung mit Fingerspitzengefühl und eines Senders, der dabei auch das Vertrauen der Zuschauer genießt. Wir freuen uns daher sehr, dass wir da mit Vox zusammen an der Umsetzung arbeiten.

Wenn ein solches Format von der BBC kommt und für Vox umgesetzt wird, dann mögen sich die Bedenken in Grenzen halten. Sonst bin ich angesichts mancher gescheiterten Umsetzung erstmal skeptisch wenn experimentelle Doku-Formate für den deutschen Markt adaptiert werden sollen.

Arne Kreutzfeldt: Der Absender macht den Unterschied. Bei „Employable me“ gab es auch mehrere Interessenten und man könnte das Format sicher auf unterschiedliche Arten produzieren. Wir sind sehr glücklich mit unserem Partner.

Herr Schmid, sie sind für die neue Aufgabe bei Tower Productions nach vielen Jahren aus Großbritannien zurückgekommen. Was fällt einem bei dem Wechsel vom britischen auf den deutschen Fernsehmarkt auf?

Philipp Schmid: In England sind die Grenzen zwischen High Culture und Low Culture viel fließender. Ein britischer Bildungsbürger hat gar kein Problem damit, sich auch von einer großen Entertainment-Show unterhalten zu lassen. Seit ich wieder in Deutschland bin, fällt mir da schon die Zwei-Klassen-Gesellschaft beim Fernsehkonsum auf. Information wird geschätzt, Unterhaltung guckt natürlich keiner (lacht). Am Fernsehgeschmack scheiden sich hier die Geister als wäre der Medienkonsum ein Statussymbol und nicht einfach ein Freizeitvergnügen. In Deutschland gibt es eine mir aus England so nicht bekannte Arroganz gegenüber Entertainment. Und um fair zu sein muss man sagen, natürlich auch eine gewisse Arroganz in die andere Richtung. Manche Zuschauergruppen scheinen wirklich nur noch über den kleinsten gemeinsamen Nenner erreichbar zu sein. Sobald etwas „clever“ oder „intelligent“ daher kommt, wird es abgestraft. Das ist eine Herausforderung für uns bei Themen oder Formaten die vor allem auf eine gewisse britische Tonalität oder den Humor setzen. 

Arne Kreutzfeldt: In Großbritannien steht im Pub eben auch der CEO neben dem Bauarbeiter und beide trinken ihr Pint. Das gibt es doch bei uns kaum. In Köln vielleicht gerade noch, aber sonst? Der Deutsche macht sich sehr viel Gedanken darüber wie er wirkt und wahrgenommen wird. Das ist diese Grundentspanntheit. Die macht auch Castings in UK häufig einfacher. „Was sollen die Nachbarn denken?“, ist da kein Thema.

"In Deutschland verlangen alle Entwicklung und betonen, man müsse dem Ganzen auch Zeit geben. Aber spätestens nach drei Monaten soll dann der neue Hit doch endlich gefunden sein."

Philipp Schmid über Unterschiede zwischen UK und Deutschland

Eine Grundentspanntheit fehlt in Deutschland sicher häufiger.

Arne Kreutzfeldt: Und wir produzieren im Übrigen ja nicht hauptsächlich Fernsehen, um unser Ego zu befriedigen, sondern arbeiten für Auftraggeber. Die haben unterschiedliche Zielgruppen mit unterschiedlichen Ansprüchen. Selbst einfache Unterhaltung, so nenne ich es jetzt mal, hat also seine Berechtigung, unabhängig davon was die Branche oder Presse auf ihrem hohen Ross davon hält. Eine Selbstverständlichkeit, die man bei uns aber erklären muss.

Philipp Schmid: Ich würde da auch noch das Augenmerk auf einen anderen wichtigen Unterschied legen wollen…

Gerne.

Philipp Schmid: Bei der BBC sind die Entwicklungsphasen und Budgets für Formatentwicklung natürlich luxuriöser ausgestattet. Da lässt sich viel vorantreiben. In Deutschland verlangen alle Entwicklung und betonen, man müsse dem Ganzen auch Zeit geben. Aber spätestens nach drei Monaten soll dann der neue Hit doch endlich gefunden sein. Das führt meiner Meinung nach auch dazu, dass in Deutschland schon viele Ideen auf den Sender gingen, die leider nicht ganz fertig gedacht wurden. Wir haben großes Glück mit Partnern zu arbeiten, die verstehen, dass man zum Beispiel nochmal zwei Monate länger casten muss und sich nicht mit allem zu schnell zufrieden gibt. Das kostet natürlich auch Geld, aber ich glaube dass ein langer Atem an solch frühen Stellen sich bezahlt macht, wenn man dann auf Sendung geht.

Arne Kreutzfeldt: Noch so ein Beispiel. In Großbritannien zieht sich der kleine, etwas untersetzte Politikstudent für „Naked Attraction“ aus und präsentiert sich wie Gott ihn schuf. Dann scheidet er aber in der ersten Runde gleich aus und bemerkt danach ganz entspannt in die Kamera, dass das ja eine interessante Erfahrung gewesen sei. Aber morgen geht’s dann halt wieder in die Uni. Wenn man in Deutschland Menschen wie Du und ich fragt, ob sie sich mal ausziehen würden, dann wird es schwierig. Bei uns wird man gleich verurteilt für eine Teilnahme an so einem gänzlich unaufgeregten Experiment. Habe ich „Experiment“ gesagt? (lacht)

Das Casting dürfte sich schwierig darstellen.

Arne Kreutzfeldt: Ja, davon können wir ein Lied singen. Das war so ein Casting, das dann länger gedauert hat als gedacht. Aber wir können vermelden: Wir haben es geschafft und sind sehr stolz drauf.

Philipp Schmid: Ich halte „Naked Attraction“ übrigens auch für ein wesentlich ehrlicheres Format als viele andere Datingformate, weil sich dort die Kandidatinnen und Kandidaten häufig für die Kamera besonders in Szene setzen. Oft in Rollenbildern, die wirklich von vorgestern sind. Ohne Klamotten wird es schwieriger, sich so zu inszenieren.

Arne Kreuzfeldt: Das ist im Grunde ja nichts anderes als früher Bravo Boy und Bravo Girl. Wir brauchen einfach mehr Grundentspanntheit (lacht).

Herr Kreutzfeldt, Herr Schmid, herzlichen Dank für das Gespräch.