Welche Genres abseits der Show sind bei Ihnen gerade im Entwicklungsfokus?

Alessandro Nasini: Es gibt zwei Bereiche, einmal Factual Entertainment, wo wir aktuell mit „Mach’ was draus“ im ZDF eine neue Marke on air haben. Der zweite Bereich, wo es noch enormes Entwicklungspotential gibt und uns auch Chris Reuther helfen kann, ist Comedy in Zusammenarbeit mit Comedians. Das hat noch keine große Tradition bei Bavaria Entertainment. Unser ehrgeiziges Ziel ist es, daran etwas zu ändern. Auch wenn selbst „Da kommst Du nie drauf!“ zum Schmunzeln einlädt: Da geht noch mehr.



Zum Factual Entertainment nochmal: Irgendwann wurde Trödeln zum großen Erfolg. Sind andere Themen in Sicht, die ähnlich naheliegend sind, aber bisher übersehen wurden?

Arne Merten: Ganz bestimmt. Auch „Bares für Rares“ war ja keine Neuerfindung des Rades, aber hat eine Erzählweise mit einem Host kombiniert, der ganz maßgeblich für den Erfolg war. Horst Lichter ist ein ganz hervorragender Moderator für das Thema, das durch ihn ein prominentes Gesicht bekommen hat.

Erwarten die Sender zum Format auch gleich den passenden Host oder wollen die Sender dort lieber ihre eigenen Gesichter platzieren?

Arne Merten: Das ist Teil des Pakets, das man pitcht.

Alessandro Nasini: Natürlich gibt es bei manchen Sendern bevorzugte Sendergesichter, aber wir erleben eine große Offenheit für neue Gesichter.

Arne Merten: Das ist gut, weil es auch schon Phasen gab, in denen den Sendern Kontinuität über alles ging und es bloß vertraute Gesichter sein sollten.

Und wo suchen Sie die neuen Talente?

Arne Merten: Im besten Fall kennt man die und muss sie nicht mehr suchen (lacht). In den Magazinen oder Reihen der öffentlich-rechtlichen Sender finden sich viele Talente, die auch größere Formate tragen können. Und mit unseren Formaten im Kinderfernsehen wie „Die beste Klasse Deutschlands“ oder „Checkpoint“ haben wir die Nachwuchsarbeit im Haus.

Alessandro Nasini: Manchmal entdeckt man auch tolle Moderatoren wieder. Daniel Aßmann hat zunächst bei RTL mit  „DSDS Kids“ eine größere Bühne gehabt. Danach war er im TV kaum noch zu sehen. Aber er ist ein hervorragender Moderator, der beim WDR-Publikum in der Region nun unglaublich beliebt ist und jetzt ja schon mehrere Formate moderiert.

Arne Merten: Zugespitzt könnte man sagen, dass Daniel Aßmann mit seiner Verbraucher-Recherche die öffentlich-rechtliche Antwort auf das ist, was Mario Barth für RTL veranstaltet.

Er verkörpert den kleinen Mann sicher besser als Mario Barth. Wenn er dann nur an die richtige Kabinentür klopfen würde…

Arne Merten: Um das ganz klar zu sagen: Der Fehler hätte nicht passieren dürfen. Wir unterziehen unsere Produktionsabläufe jetzt einer noch stärkeren und intensiveren Kontrolle.

Ich würde abschließend noch gerne zur Talentsuche hinter der Kamera kommen. Ist die derzeit ähnlich herausfordernd wie die richtigen Gesichter vor der Kamera zu finden?

Arne Merten: Im letzten Jahr war der Markt extrem angespannt, weil sehr viel produziert wurde. Das haben wir auch gespürt. Da blieben Positionen länger als erwartet unbesetzt und die Qualität der Bewerbungen hat oftmals nicht den Anforderungen entsprochen. Das ist ein Thema, das uns schon lange beschäftigt. Teil des Problems sind die befristeten Verträge in unserer Branche. Viele, die fürs Fernsehen arbeiten wollen, sind gezwungen, sich einem Wanderzirkus anzuschließen. Da sehen wir Produktionsfirmen einer gewissen Größe verpflichtet, das unternehmerische Risiko einzugehen, in einem größeren Maße dauerhafte Arbeitsplätze garantieren zu können. Auch wenn die Sender den Mehraufwand oftmals leider nicht bezahlen wollen. Aber es kann über die aktuelle Produktion hinaus gut fürs Unternehmen sein. Das ist uns bei Bavaria Entertainment jetzt natürlich noch besser möglich als früher bei wellenreiter.tv.

Alessandro Nasini: Und wir müssen uns aktiver um Nachwuchs bemühen. Beispielsweise arbeiten wir bei der Bavaria mit Hochschulen zusammen, um frühzeitig in Kontakt zu kommen. Unsere Producer und Producerinnen geben Seminare an Universitäten, wir machen Projektarbeiten mit Studentinnen und Studenten.

Als Sie sich mit wellenreiter.tv selbstständig gemacht haben, war Fernsehen noch - auf gut deutsch - der heiße Scheiß.

Alessandro Nasini: Damals wollten alle zum Fernsehen.

Ist das heute noch so?

Alessandro Nasini: Nein, das ist weniger geworden.

Arne Merten: Definitiv weniger. Fernsehen hat heute beim Nachwuchs nicht den gleichen Stellenwert wie alles was Online passiert, was Aufregender und Vielversprechender wirkt - auch was die Arbeitsbedingungen angeht. Der Glanz der großen Studioshow wirkt nicht mehr so wie früher. Das Fernsehen muss, vielleicht zum ersten Mal seit es existiert, um die Gunst von Talenten kämpfen.

Alessandro Nasini: Der Nachwuchs von heute ist von Kind auf gewohnt, selbst zu publizieren. Jeder veröffentlicht heute selbst, auf einem oder mehreren Social Networks. Fernsehen ist auch eine Möglichkeit der Veröffentlichung, aber eben nur eine von vielen. Nicht mehr automatisch die prominenteste. Die Begeisterung für die eigene Show, einen eigenen Beitrag - das lässt sich heute selbst realisieren. Wir müssen argumentieren, warum eine Ausbildung und professionelle Produktion noch einmal ein anderes Level und eben ein Beruf für sich sind.

Herr Nasini, Herr Merten, herzlichen Dank für das Gespräch.