Martin Brambach ist ein bisschen zu viel im Fernsehen. Zu oft spielt er Nebenrollen, in denen er entweder ein bisschen trottelig oder ein bisschen böse zu sein hat. Das verbraucht sich schnell, und so ist man vorgewarnt, wenn sein Gesicht auch in dieser „Tatort“-Wiederholung von 2010 auf den Schirm kommt. Martin Brambach spielt Uwe Fischer, einen Mann, der am Morgen sein Auto als gestohlen gemeldet hat. Leider wurde just an diesem Morgen eine Leiche in seinem Auto gefunden. Dass es sich bei dem Toten um einen Vorgesetzten seiner alkoholkranken Frau handelt, macht die Sache nicht unkomplizierter. Und erst einmal guckt Brambach, wie er immer guckt. Er hat so ein furchtbar bildschirmfüllendes Gesicht, wenn er unschuldig tun soll, so eine Art Standard-Ausstattung. Unwillkürlich seufzt man: Ach, Brambach.

Aber dann nimmt dieser konventionelle Leipziger „Tatort“ Fahrt auf. Simone Thomalla und Martin Wuttke ermitteln mal wieder als Saalfeld und Keppler. Sie sind bekannt als ostzonales Odd-Couple, das einst etwas miteinander hatte, was aber fehlschlug, weil sie seinen Alkoholismus nicht mitmachen mochte. Alkoholismus ist ein großes Thema in diesem „Tatort“, weil auch die Frau des von Brambach gespielten Uwe Fischer Alkoholikerin ist und als solche von dem im Wagen des Gatten gefundenen Personalchef am Vortag ihre dritte Abmahnung erhalten hat. Wenn das mal nicht verdächtig ist.

Ist es natürlich nicht, weil es viel zu früh thematisiert wird, und man weiß doch zu genau, dass jene Spuren, die schon früh gelegt sind, als falsche Fährten zu enden haben. Sie führen ins Nichts, und der Weg zu dieser Erkenntnis ist oft das interessantere Element. Schnell interessiert die Frage, wer den Mann im Kofferraum auf dem Gewissen hat, eher am Rande. In den Vordergrund drängt sich die Geschichte von Uwe Fischer und seiner Frau.

Brambach spielt diesen Mann, der verzweifelt versucht, seine auseinanderfallende Familie zusammenzuhalten, nach anfänglicher Standardprozedur mit ganz wunderbarer Zurückhaltung. Auf der einen Seite gibt er den Familienchef, der so tut, als gebe es nichts Besonderes zu vermelden, andererseits kann man ihm dabei zusehen, wie er zusehendes der Verzweiflung anheim fällt. Verzweiflung darüber, dass er seine Frau nicht wegbekommt von der Flasche. Brambach profitiert dabei sehr von der formidablen Leistung seiner Filmpartnerin. Jule Böwe spielt die alkoholkranke Frau so, dass um sie herum immer Raum bleibt für das Wechselspiel aus purer Normalität und Verzweiflung.

Brambach nimmt diese Chance an und verabschiedet sich von seiner Normalform. Er gibt dem langsam zerfallenden Vater, den er darstellen soll, immer mehr Raum. Das kulminiert in einer Szene, da er sich gemeinsam mit der Gattin hemmungslos betrinkt, weil er ihr wieder einmal glaubt, dass sie morgen aber ganz bestimmt das Saufen sein lassen will. Wie Brambach in dieser Szene lächelt, wie er sich an der Zuversicht festklammert, von der er weiß, dass sie schon ein paar Stunden später der Depression alter Erkenntnis weichen wird, das ist ganz großes Kino.

Daneben wird der eigentliche Fall ebenso Nebensache wie die beigefügte Geschichte von der Midlifecrisis des Kommissars und dem natürlich missglückten Date der Kommissarin. Ja, es sind schon gebrochene Seelen, diese Ermittler. Müssen sie sein. Dürfen sie auch sein, solange sie die Bühne bieten für solch einnehmende Vorstellungen wie die von Jule Böwe und Martin Brambach.

Danach sagt man wieder „Ach, Brambach“, aber diesmal möchte man mehr davon. Weiter so, Herr Brambach.