Es soll ja im Wilden Westen Cowboys gegeben haben, die im Sattel gestorben sind, weil sie wochenlang nicht bemerkten, dass ihr Pferd tot ist. Sie sind einfach weiter geritten, wunderten sich allerdings, dass sich die Landschaft um sie herum so gar nicht verändern wollte. Ganz ähnlich verhält es sich gerade mit Götz George, der schon 1962 im Karl-May-Klassiker „Der Schatz im Silbersee“ bewiesen hat, dass er ein guter Reiter ist. Leider ist das Pferd, das er sich dann Anfang der 80er Jahre zugelegt hat und das auf den Namen Horst Schimanski hörte, schon vor geraumer Zeit in die ewigen Jagdgründe gehoppelt. Allein, der Reiter weiß bis heute nichts davon oder will es einfach nicht wahrhaben. Und der produzierende WDR tut mit verzweifelter Ironie auch so, als gehe da noch was. Aber um es einmal sehr deutlich zu sagen: Da geht gar nichts mehr.
Der beste Beleg dafür ist die aktuelle „Schimanski“-Folge. Die heißt „Loverboy“ und beschäftigt sich mit gutaussehenden Zuhältern, die minderjährige Mädchen erst in emotionale Abhängigkeit, dann auf Droge und schließlich zum Anschaffen bringen. Von all dem hat Horst Schimanski anfangs keine Ahnung, weil er als Typ ja davon lebt, keine Ahnung zu haben, sich das nötige Wissen aber mit ein bisschen Rummsbumms beschaffen zu können. Aber jetzt muss er solch einen Loverboy jagen und das von ihm abhängige Mädchen heimbringen. Außerdem wäre da noch der Mord an einem anderen Zuhälter zu klären.
Es geht betulich los, was ein bisschen passt, denn Schimi ist ja inzwischen Rentner. Er ist alt. Er ist alt. Er ist alt. Ich wiederhole das hier mehrfach, damit auch der letzte Leser kapiert, dass der Schimi jetzt alt ist. Wer das blöd findet, wird sich auch in diesem Film langweilen, denn der setzt darauf, dass viel viel hilft.
Das beginnt schon bei der ersten Szene. Die spielt im Paternoster, und im ersten Augenblick denkt man bei der vor Schimanski knienden Marie Claire: Aha, ein Blowjob. Aber nein, das ist keiner, das ist nur der Versuch, dem an Körpermasse gewachsenen Ex-Bullen nachzuweisen, dass er alt ist. Seine Hose geht nicht zu. Zu fett. Sagte ich schon, dass er alt ist? Sagte ich schon, dass er alt ist? Sagte ich schon, dass er alt ist?
Nur für den Fall, dass es irgendjemand noch nicht verstanden hat, lehnt Schimi kurze Zeit später den angebotenen Rotwein ab. Kriegt er Sodbrennen von. Lieber Bier. Zu alt, zu alt, zu alt. Und dann beginnt das große Rumeiern mit der verzweifelten Vergangenheitsbewältigung, das Zetern darüber, dass das Ruhrgebiet nicht mehr ist, was es mal war. „Der Pott, der heißt jetzt iPod“ sagt Schimi melancholisch, und später muss er sich auch noch mit einem Smartphone rumschlagen. Es wird von Szene zu Szene schlimmer. Ein aus der Zeit gefallener Typ findet den Anschluss nicht mehr. Sagte ich schon, dass er alt ist?
Daraus könnte man einen feinen Krimi machen, wenn denn nicht alles so arg dick aufgetragen würde. Da stolpert Schimi in seine Bude und holt einen Karton vom Schrank. Darin steckt sein verstaubter Parka, die Schimi-Uniform. Spätestens da möchte man den Film anhalten und den Machern zurufen: Ja, ich habe kapiert, dass dieser Film eine Karikatur seiner Hauptfigur liefern soll.
Leider ist das mit guten Karikaturen so eine Sache. Sie müssen das rechte Maß wahren, den exakten Abstand zum Objekt ihrer Übertreibung. Mit dem rechten Maß hat es dieser von Jürgen Werner geschriebene und von Kaspar Heidelbach inszenierte Möchtegernkrimi aber nicht so sehr. Da wundert man sich auch kaum noch, als die für öffentlich-rechtliche Produktionen inzwischen offenbar als Pflichtbesetzung geltende Anna Loos auftaucht und mal wieder mit sehr besorgtem Gesicht eine sehr besorgte Frau spielt.
Es gibt ein bisschen Krachbumm und ordentlich was auf die Fresse, bevor Schimi am Ende die ganze Wahrheit für sich behält, seine Kollegen Hunger und Hänschen nicht aufklärt über das, was er weiß und was eigentlich auch die offiziellen Ermittler wissen sollten. Das ist moralisch mindestens so fragwürdig wie die Gesamtinszenierung, und man wünscht sich nicht nur einmal, dass gleich die Akteure von „Switch“ aus der Kulisse treten und sagen: „Sorry, da haben wir wohl eine Nummer sauber vergeigt.“ Nein, das ist alles echt. Leider. Und es ist grauenvoll.
Ich mag mir gar nicht ausmalen, wo das noch hinführen soll. Tritt Schimanski im nächsten Film mit Rollator auf? Fuchsschwanz am Lenker? Oder hat endlich mal jemand ein Einsehen und teilt Götz George mit, dass sein Lieblingspferd tot ist?