Es liegt was in der Luft in diesem dritten Wotan-Wilke-Möhring-„Tatort“, und es ist nicht nur die penetrant schlechte Laune der Hauptfigur. Kommissar Falke hat aber auch allen Grund zur Melancholie, denn gleich zu Beginn kommt die Kollegin Rita bei einer Gasexplosion ums Leben. Falke hatte was mit ihr. Nichts Festes, aber schon mehr als eine pure Bettgeschichte. Nun muss er auch noch ermitteln, warum seine Partnerin ums Leben kam, was das zu tun hat mit der Überwachungsaktion der Polizei, die einer Schleuserbande auf der Spur war und am Ende nun doch nur eine Menge Flüchtlinge aus einem Container befreien kann. Die Folge heißt „Kaltstart“, weil Falke einen Monat früher als geplant zur Bundespolizei muss und nun gleich diesen dicken Fall an der Backe hat.

Es geht um vieles in diesem Film, um zu vieles. Die Autoren Volker Krappen und Raimund Maessen haben mit Brisanz nicht gespart. Das reicht von der Fehlplanung eines riesigen Containerhafens in Wilhelmshaven, wo niemand solch eine riesige Anlage braucht, bis zur Frage, was Menschen aus dem Kongo nach Deutschland treibt, wer da so alles aus welchen Interessen seine Finger im Spiel hat und wieso der Hauptschleuser auch bei der Gasexplosion sterben musste, obwohl ihn die Polizei doch mit Kamera und Argusaugen penibel überwachte.

Das mit der Überwachung ist ein sehr besonderes Thema, denn rasch wird klar, dass die überwachende Polizei selbst überwacht wird. Immer wieder sind Falke und seine Kollegin Lorenz (Petra Schmidt-Schaller) im Fadenkreuz eines Fernrohrs zu sehen. Und dann folgt eine Kamera aus der Luft ihren Bewegungen. „Irgendwer beobachtet uns. Die wissen immer genau, was wir tun“, sagt Falke irgendwann. Da weiß der Zuschauer schon mehr, denn er hat vielfach einen dubiosen Herren gesehen, der ziemlich genau so aussieht, wie man sich einen Drahtzieher vorstellt.

Doch das mit der Aufklärung des Mordes ist nur die eine Geschichte. Die andere ist die des Ermittlers Falke, der sich keine privaten Gefühle erlauben mag, der sie seine Kollegen aber trotzdem am laufenden Band spüren lässt. Er ist kein guter Chef, eher ein Getriebener, ein grauer Wolf, der immerzu mürrisch guckt und dann in Einer-muss-das-ja-tun-Manier nach vorne prescht. Nicht immer hat der Wolf danach Fleisch im Maul. Viel zu oft bleibt ihm einfach nur der fahle Geschmack des Nichtmehrweiterwissens.

Um das zu demonstrieren, stellt Regisseur Marvin Kren seine Ermittler immer wieder in den Hafen. Mal neben die Container, mal neben riesig aufragende Schiffswände. Man weiß nicht immer, warum sie jetzt gerade genau dort stehen müssen, aber was soll’s? Ein schönes cooles Bild ist halt ein schönes cooles Bild, und da erliegt man bei der Inszenierung schon mal leicht dem Reiz der puren Optik.

In Wahrheit bekommt der Regisseur die Opulenz der Geschichte aber nicht wirklich in den Griff. Selten ergibt sich das eine aus dem anderen. Und wenn nichts mehr weitergeht, sagt irgendwer: „Wir müssen nochmal in den Hafen.“ Danach sind die Akteure im Hafen und erzählen sich gegenseitig, was sie bis dahin wissen.

Wenn gar nichts mehr geht, stellt Kren seinen Falke ans Wasser. Flasche Bier in der Hand und seinen bärtigen Polizeikumpel Katz an der Seite schaut er dann in die Ferne, und nur ein Blinder würde dieses Bild nicht als Reminiszenz an eine ganz bestimmte Bierwerbung deuten.

Ein bisschen wirkt dieser „Tatort“ wie das Spiel mit Legosteinen, über die ein Laster gefahren ist. Nichts passt mehr so richtig zusammen, man kriegt die Teile nur noch mit Gewalt so hin, dass sie aneinander heften. Und wenn sie mal heften, dann poppen sie bei der nächsten Gelegenheit wieder auseinander. Das ermüdet und mildert schon gar nicht die Trostlosigkeit, die nach dem Finale bleibt. Da weiß man nur genau, dass man nie nach Wilhelmshaven will, dass man niemals Wotan Wilke Möhrings Kommissar Falke als Chef haben will, auch wenn ihn „Sympathy For The Devil“ als Klingelton schon sehr sympathisch macht.

Aber was bringt das schon, wenn was Unheilvolles in der Luft liegt?