Erst ist alles Routine. Kommissar Falke (Wotan Wilke Möhring) und seine Kollegin Lorenz (Petra Schmidt-Schaller) beobachten zwei Verdächtige, zwei Schwarzafrikaner. Als die Ermittler zugreifen wollen, trennen sich die Beobachteten. Einer schlägt Lorenz nieder, Falke kommt dazu und streckt den Flüchtenden nieder, gerät in eine Art Blutrausch und prügelt wie von Sinnen ins Gesicht des Verdächtigen. Immer wieder. Erst Lorenz kann sein irres Tun stoppen. Gemeinsam liefern sie den Mann auf der Polizeiwache einer namenlosen niedersächsischen Kleinstadt ab. Am nächsten Morgen ist der Mann tot. Obwohl er auf einer Pritsche angekettet war, ist er verbrannt. Angeblich hat er sich selbst angezündet.

Die Vorlage zu diesem Krimi liefert der Fall von Oury Jalloh aus Sierra Leone, der 2005 in Dessau in Polizeigewahrsam verbrannte, obwohl er angekettet in einer Arrestzelle lag. Lange blieb dessen Tod ungesühnt. Nach einem zähen Prozessmarathon wurde ein Polizist wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Zurück blieb der Eindruck, dass der Tod des Mannes hätte verhindert werden können, wenn die Polizei in ihrer alltäglichen Überforderung nicht einen sehr falschen Corpsgeist an den Tag gelegt hätte.

Stefan Kolditz (Buch) und Thomas Stuber (Regie) haben diesen realen Fall als Ausgangspunkt genommen, um diverse Fragen zu beantworten. Es geht um übertriebene Handlungen von Polizisten, ums absichtliche Wegsehen, um Selbstjustiz, um alltäglichen, um institutionellen Rassismus. Niemand ist gänzlich ohne Schuld in diesem Fall, der schon im vergangenen Jahr abgedreht war, aber dieser Tage vor der Kulisse der vielen Flüchtenden von einer ganz besonderen Aktualität begleitet wird.

Jeder hat in diesem Film was falsch gemacht oder macht immer noch was falsch. Auch Kommissar Falke und seine Kollegin Lorenz, die sich komplett überfordert fühlt und damit in einem Nebenstrang der Haupthandlung ihren Abschied aus dem „Tatort“ einläutet.

Es gibt keine klaren Antworten in diesem Film, es gibt lediglich Erklärungsversuche. Was am Ende bleibt, ist ein großes Unbehagen, das sich auch speist aus dem Kleinklein der Ermittlungsarbeit. Immer wieder steht Falke im Zimmer des Toten und in der Zelle, in der es geschah. Immer wieder versucht er, Details zu entdecken. Immer wieder leidet er unter der eigenen Schuld.

Die wird noch verstärkt, als ihn ein Betreuer der Schwarzafrikaner mit der Nase auf die Vorgänge im Polizeirevier stößt, wo nicht erst seit gestern vieles im Argen liegt. Gespielt wird dieser Betreuer von Serdar Somuncu, den man ansonsten als zuverlässig überreagierenden kabarettistischen „Hassprediger“ kennt. Hier allerdings fügt sich Somuncu sehr fein ins Geflecht der allgemeinen Perspektivlosigkeit und macht seine Sache als Schauspieler wirklich gut.

Es ist ein im besten Sinne trauriges Stück Fernsehen, das nicht nur gespeist wird von der Grausamkeit des Falles, sondern auch von der Tristesse einer Kleinstadt, die in langen Einstellungen durchfahren, beinahe durchpflügt wird, anfangs sogar mit Begleitung von feinen Streichern, die aus dem Off die deutsche Nationalhymne über das Kleinstadtgrau gießen. Nichts ist hier schön, und Kameramann Alexander Fischerkoesen zeigt das in beeindruckenden Bildern. Diese Bilder erzählen Geschichten vom Nichts und von der potentiellen Katastrophe, die diesem Nichts innewohnt.

Am Ende gibt es einen Täter, aber es gibt keine Lösung. Dafür zitieren die Macher sehr deutlich die Schlüsselszene aus „Eine Frage der Ehre“, in der sich Jack Nicholson und Tom Cruise gegenüberstehen und einem von beiden die Züge entgleiten.

„Verbrannt“ ist ein schlechter „Tatort“ für all jene, die am Sonntagabend gerne etwas Belangloses schauen, die es lieben, wenn die Dinge klar gezeichnet sind, hier gut, dort böse. Es ist aber ein guter „Tatort“ für all jene, die von der Institution „Tatort“ mehr erwarten als immer nur das übliche „Wo waren sie gestern…“-Gedöns. Keine leichte Kost, aber dafür sehr nachhaltig.