Eine der wenigen Veranstaltungen zur inhaltlichen Entwicklung des Fernsehens bei der diesjährigen NAB Show war dafür umso hochkarätiger: Robert Greenblatt, Chairman NBC Entertainment, sprach über den aktuellen Erfolg seines Senders, der nicht nur in den USA mit Neugier verfolgt wird. In Zeiten von SVoD und Diversifizierung hat NBC mit Blockbuster-Formaten zu neuem Erfolg im Mainstream gefunden.

Ist das werbefinanzierte Fernsehen für das ganz große Publikum also doch noch nicht tot? Über die Frage kann Greenblatt nur lachen. Seit er 2011 im Zuge der Comcast-Übernahme von NBC Universal an Bord kam, hat er zügig an einem Umbau gearbeitet. Irritiert sei er gewesen über das, was NBC damals digital geboten habe. Aus seiner vorherigen Zeit beim Pay-TV-Sender Showtime sei er schon mehr gewohnt gewesen. Sein Zielvorgabe: Aus einem TV Network ein Digital Network zu machen.

Ein erster wichtiger Schritt sei eine Umkehr der Denkweise und eine Neubewertung der Bedeutung von digitalem Content gewesen. Es sei der größte Fehler, dies nicht zu tun. „Ich sehe so viele Sendungen bei anderen Sendern, bei denen ich schockiert bin, wie wenig Sender daraus machen, weil wir weit mehr draus machen würden.“ Auf der Bühne der NAB Show kritisiert er die Arroganz mancher Sender, die nicht früh genug darüber nachdenken, wie man den Zuschauer intensiver am Programm teilhaben lässt. „Wir integrieren Digital Producers inzwischen von Anfang an in jede unsere Produktionen. Und wir bekommen das Feedback von den Produzenten, dass wir alle fasziniert sind, den Zuschauer noch näher an die Formate heranzuholen“, erzählt der NBC-Manager. Zusätzlich generierter Content darf nicht Abfall-Produkt einer Produktion sein.

Robert Greenblatt© NBC
Viel mehr kann es heute eine wichtige Lebensader sein. An drei NBC-Erfolgen verdeutlicht Greenblatt (Foto), was er meint: Die Familienserie „This is us“ (die bei uns im Mai bei ProSieben startet), die Castingshow „The Voice“ und die Comedyshow „Saturday Night Live“ seien drei wichtige Stützen. „Und natürlich die Gameshow ‚The Wall‘“, wirft Moderator Chris Hardwick lachend ein. Er moderiert das Gespräch auf der Bühne - und die erfolgreiche Spielshow, die NBC nach einem ersten Lauf Anfang des Jahres schon im Sommer in die zweite Staffel schickt.

„Saturday Night Live“ erlebt dank Donald Trump gerade seine besten Einschaltquoten seit 23 Jahren. Und das als Folge des Erfolgs im Netz. „Sketche und kurze Stücke sind halt perfekt für Social Media. Als wäre die Show vor Jahrzehnten schon für Social Media gedacht worden“, so NBC-Mann Greenblatt. „Die Show passt einfach zum politischen Zeitgeist. Deswegen haben wir uns ja auch entschieden, die finalen drei Folgen der aktuellen Staffel erstmals live Coast to Coast auszustrahlen. Warum? Weil die Diskussion in Social Media sich online so schnell entwickelt, dass wir den Westen nicht drei Stunden warten lassen wollen.“

"Wir müssen uns endlich verabschieden von der Betrachtung der Einschaltquoten vom Vorabend."
Robert Greenblatt, Chairman NBC Entertainment

„Das ist mir völlig egal“, sagt Greenblatt auf die Frage, ob es für ihn einen Unterschied mache ob „Saturday Night Live“ nun linear im TV-Programm oder später via App oder nur in Teilen auf Social Media-Plattformen konsumiert wird. Natürlich sei NBC nach wie vor ein werbefinanzierter Fernsehsender, aber wichtig sei, dass NBC als Absender des Formats wahrgenommen wird. Und dass viraler Erfolg im Netz der Quote der TV-Ausstrahlung schaden würde, könne „Saturday Night Live“ ja eindrucksvoll widerlegen. Doch er relativiert ohnehin die Bedeutung der Einschaltquote.

„Wir müssen uns endlich verabschieden von der Betrachtung der Einschaltquoten vom Vorabend. Sie sagen nicht genug darüber aus, wie erfolgreich ein Programm mittelfristig sein kann. Die lineare Einschaltquote hat eine heute viel geringe Bedeutung für den kulturellen Effekt einer Show.“ In den USA blickt man bei der Betrachtung der Einschaltquoten längst auf längere Zeiträume, weil die zeitversetzte Nutzung gerade bei Serien mit fortlaufenden Handlungen enorm hoch ist. Deutschland hinkt da - absurderweise auf Wunsch der Fernsehsender - mangels transparenter Quoten-Daten noch hinterher.

Doch „Saturday Night Live“ erlebt nicht nur einen zweiten Frühling im TV. „Mich fasziniert, wie wir ein so lange etabliertes Format mit eigener Formatidee so gut auf eine so junge Plattform wie Snapchat bringen konnten, womit es noch einmal eine ganz andere Zielgruppe anspricht.“ Auch die Castingshow „The Voice“ hat NBC zu Snapchat verlängert. Ohnehin wird „The Voice“ von NBC noch deutlich interaktiver in Szene gesetzt als wir es von der deutschen Adaption kennen. Mehr als 220 Millionen Live-Votings habe man in der vergangenen Saison über die eigene „The Voice“-App verzeichnet. „The Voice“ und die neue Familienserie „This is us“ - der erfolgreichste Neustart der laufenden Saison - sind die beiden erfolgreichsten Formate in den sozialen Netzwerken für NBC.

Inspiriert von anderen Formaten hat NBC auch zu „This is us“ eine After-Show entwickelt, allerdings nicht auf dem Sender, sondern online, wo die Fans der Serie sich ohnehin schon austauschen, um gemeinsam zu verarbeiten, was man gerade gesehen hat. Bei „This is us“ gebe es danach so viel Redebedarf bei einer Network-Serie wie für Greenblatt zuletzt bei ABCs „Lost“ vor vielen Jahren. Die Serie hinterlasse das Publikum mit dem Bedürfnis, darüber zu reden. Und das lässt sich vielleicht noch stärker nutzen als bisher.

„Für die kommende Saison denken wir auch darüber nach, ob man die Aftershow zu ‚This is us’ auch auf den Sender bringen könnte“, sagt der TV-Manager. Moderator Chris Hardwick ist nach dieser Ankündigung auf der Bühne der NAB Show gleich Feuer und Flamme - und das nicht zufällig: Er moderiert für AMC bereits die Aftershow „Talking Dead“ die im Anschluss an die Ausstrahlung von „The Walking Dead“ läuft und als Prototyp dieser Form der Formatverlängerung gilt. Hardwick: „Und ich habe auch schon den perfekten Titel dafür: ‚That was them‘.“ Greenblatt lacht unverbindlich. „Wir werden sehen.“