Produktionsallianz © Produktionsallianz
Voraussichtlich noch in dieser Woche entscheidet sich, wie die Reformen für ARD, ZDF und Deutschlandradio, die die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten andenken, genau aussehen werden. Die öffentliche Anhörung des Reformverfahrens ist längst beendet, mehr als 10.000 Stellungnahmen sind eingegangen. Eine davon stammt von der Produktionsallianz, die einige ihrer Forderungen auch bereits gegenüber DWDL.de erläutert hatte

So gehört gehört der Lobbyverband der Produzentinnen und Produzenten zu den Organisationen, die fordern, dass mindestens 50 Prozent des Beitragsaufkommens künftig in das Programm fließen sollen. Die KEF unterscheidet bekanntlich zwischen Personal- und Programmaufwand. Im Programmaufwand stecken aber vor allem solche Kosten, die die Anstalten in den Ankauf fertiger Produktionen oder auch die Erstellung von Koproduktionen und Auftragsproduktionen stecken. Die Organisationen klammern mit ihrer Forderung ein Stück weit aus, dass die Menschen, die in den Anstalten angestellt sind, oft ebenso Programm machen. 

ARD, ZDF © ARD, ZDF
Neben weiteren Forderungen (Beitragserhöhung umsetzen, Rechterückbehalt regeln) will die Produktionsallianz aber auch noch etwas ganz anderes - und das hat man bislang noch nicht öffentlich kommuniziert. So fordert man, dass ARD und ZDF mit wenigen Ausnahmen alle inhäusig hergestellten Produktionen in die freie Wirtschaft abgeben sollen. "Hierin liegen erhebliche Wirtschaftlichkeits- und Einsparpotenziale ebenso wie ökonomische Chancen zur Stimulierung der Bruttowertschöpfung", heißt es in dem Schreiben, das die Produktionsallianz im Rahmen der öffentlichen Anhörung an die Rundfunkkommission übermittelt hat. Kinderformate sollten außerdem verstärkt bei heimischen Produktionsfirmen in Auftrag gegeben werden, statt sich an solchen, meist internationalen Projekten nur minoritär zu beteiligen. 

Staatsvertragliche Regelung oder Selbstverpflichtung 

Die Produktionsallianz, die sich mit der Forderung natürlich vermehrte Aufträge für ihre Mitgliedsunternehmen erhofft, schlägt der Rundfunkkommission daher vor, die Sache staatsvertraglich zu regeln, würde sich aber auch mit einer entsprechenden Selbstverpflichtung ("Auftragsvergabe vor Eigenproduktion") der Anstalten zufrieden geben. Die Produktionsallianz zielt mit ihrer Forderung vor allem auf die Bereiche Fiktion, Unterhaltung und Doku. Nachrichtliche Informationssendungen klammert man in der Forderung aus - die sollen ARD und ZDF auch künftig inhouse produzieren dürfen. 

Ganz neu ist die Haltung der Produktionsallianz übrigens nicht. Sie stammt noch aus einer Zeit, in der die Öffentlich-Rechtlichen auch in der Fiktion noch viel selbst gemacht haben. Das ist mittlerweile zwar schon anders, aber auch heute noch produzieren beispielsweise der SWR oder der HR eigene "Tatorte" - mit entsprechendem Personal in den Sendern. "Das ist nicht der Kernbereich der Öffentlich-Rechtlichen, das sollte der freie Markt machen", sagt Björn Böhning, CEO und Sprecher des Gesamtvorstands der Produktionsallianz, im Gespräch mit DWDL.de. 

Murot und das Paradies © HR/Bettina Müller Die Murot-"Tatorte" werden inhouse vom HR produziert

Böhning führt gegenüber DWDL.de dann auch aus, wo die Grenzen liegen. "Unabhängige Nachrichtenformate als Kernbestandteil des Programmauftrags sollen auch weiterhin durch die Anstalten selbst produziert werden. Aber das Gros der Produktionen im Bereich Doku, alle fiktionalen Stoffe und sämtliche Unterhaltungssendungen sind Marktprodukte, die zu günstigeren Preisen und zu gleicher Qualität von freien Produktionsfirmen angeboten werden können." Konkret heißt das: Nachrichtensendungen, aber auch die Politmagazine, sollen ARD und ZDF nach dem Willen der Produktionsallianz auch künftig selbst verantworten. 

"Das sind Marktprodukte, die zu günstigeren Preisen und zu gleicher Qualität von freien Produktionsfirmen angeboten werden können."
Björn Böhning, CEO und Sprecher des Gesamtvorstands der Produktionsallianz


Fernsehgarten © ZDF/Sascha Baumann
Alle Dokus, die länger sind als 20 oder 30 Minuten, sollen aber in die freie Wirtschaft gegeben werden. Ebenso wie große Unterhaltungssendungen im ZDF, Quizshows in der ARD, "Tatorte" und auch sonst alle Produktionen, die außerhalb des Nachrichtenkerns liegen und die die Anstalten heute noch selbst produzieren. Im Unterhaltungsbereich produzieren die Sender beispielsweise den "ZDF Fernsehgarten" oder auch die "NDR Quizshow" (Co-Eigenproduktion mit Flow Media) weitestgehend selbst. Böhning kritisiert, dass die Sender für solche Formate dauerhaft einen großen Stab an Personen vorhalten. "Das ist aus meiner Sicht nicht notwendig." In der freien Wirtschaft seien Overhead- und Personalkosten geringer - dadurch würden Sparanstrengungen der Sender unterstützt. 

"Beitrag dazu leisten, Budget zu schonen"

Kritik, die Formate könnten qualitativ leiden, weil Produktionsfirmen gewissen finanziellen Zwängen unterworfen sind, will Böhning im Gespräch mit DWDL.de nicht gelten lassen. Schon heute gebe es bei allen Produktionen, die für die öffentlich-rechtlichen Sender hergestellt werden, einen großen Redaktionsstab in den Anstalten, der die Umsetzung dieser Programme betreut. Man wolle, dass ARD und ZDF ihr Programmbudget nicht noch weiter reduzieren - und da könne die nun aufgestellte Forderung helfen. Dadurch könne man einen "Beitrag dazu leisten, Budget zu schonen". Die Rede ist von einer "Effizienzoffensive".

Weniger Mitarbeitende bei Produktionen, die dann vielleicht auch noch schlechter verdienen als in den Sendern - bei den Gewerkschaften rennt die Produktionsallianz mit ihrer Forderung wohl erst einmal keine offenen Türen ein. Und es ist auch nicht davon auszugehen, dass die Politik den Wunsch der Produzentinnen und Produzenten erfüllt - oder die Anstalten eine Selbstverpflichtungserklärung unterschreiben. Die Forderung, alle inhouse produzierten Inhalte abzugeben, ist bislang weder Teil des Reformstaatsvertrags gewesen, noch öffentlich diskutiert worden. Eine Grundlage für künftige Debatten über weitere Reformen ist der Vorschlag aber allemal.