Manchmal heißt es ja so schön, dass die Strukturen in gewissen Organisationen deshalb so verschachtelt und undurchsichtig sind, weil sie über Jahre hinweg gewachsen sind. So ist es auch bei der ARD und den Landesrundfunkanstalten. Beim Saarländischen Rundfunk (SR) will man nun in einem Punkt aufräumen, der bis in die 50er Jahre zurückreicht. Damals wurde der Radiosender Europe 1 / Europa 1 gegründet - und auch die ARD-Anstalt war damals mit im Boot. Und sie ist es bis heute. 

Der Saarländische Rundfunk hält aktuell noch 0,185 Prozent an der Europäischen Rundfunk- und Fernseh GmbH, dieses Unternehmen hatte bis vor einigen Jahren Europe 1 betrieben. Die Gesellschaft hat den Betrieb des Senders jedoch bereits zum 31. Dezember 2019 eingestellt. "Die hierfür genutzte Langwellen-Frequenz wurde zum gleichen Stichtag zurückgegeben", bestätigt ein Unternehmenssprecher gegenüber DWDL.de. Nach der Einstellung des Betriebs verwaltete das Unternehmen lediglich Immobilien- und Finanzanlagevermögen. Nun will man die 0,185 Prozent verkaufen, der Rundfunkrat des SR soll diesen Plan auf seiner Sitzung am Montag absegnen. 

Übernommen werden diese Anteile nun - die Zustimmung des Rundfunkrates vorausgesetzt - von der französischen Lagardère-Gruppe. Das ist insofern nicht überraschend, als dass Lagardère auch bislang schon den überwiegenden Anteil am Unternehmen gehalten hat. Einen größeren Geldzufluss für den Saarländischen Rundfunk dürfte es angesichts der Höhe der Beteiligung nicht geben. Den Sender Europe 1 gab und gibt es übrigens weiterhin, er wird mittlerweile von einer anderen Lagardère-Tochtergesellschaft betrieben. An diesem ist die deutsche GmbH - und mit ihr der Saarländische Rundfunk - nicht beteiligt. 

Aber der SR befreit sich damit von Ballast. Auch wenn man zuletzt nicht mehr direkt an dem Unternehmen beteiligt war, das Europe 1 betrieb, verbunden war man dann doch irgendwie. Und das war zumindest in der Theorie problematisch, denn die Entwicklung von Europe 1 in den zurückliegenden Jahren ist immer wieder von negativen Schlagzeilen begleitet worden

Eine für den SR schwierige Entwicklung

Zwar ist Europe 1 schon seit vielen Jahrzehnten bei der Lagardère-Gruppe angedockt, die wiederum gehört aber seit Ende des vergangenen Jahres zum Großteil zur Louis Hachette Group rund um den Rechtskonservativen Vincent Bolloré. Das Unternehmen entstand im vergangenen Jahr durch eine Abspaltung von Vivendi. Doch schon in den Jahren davor wurde der Einfluss von Bolloré bei Europe 1 größer, denn Vivendi, auch hier ist Bolloré ein maßgeblicher Gesellschafter, hatte sich nach und nach bei Lagardère eingekauft. 

"Angesichts der Neuausrichtung von Europa 1 und der erfolgten Einstellung des Senderbetriebs ist eine weitere Beteiligung an der Gesellschaft Europa 1 für den Saarländischen Rundfunk nicht mehr sinnvoll."
SR-Sprecher


Unter diesem Einfluss hat sich die Ausrichtung von Europe 1 spürbar verändert. So wurde der Sender zunehmend mit dem rechtsgerichteten Newskanal CNews verknüpft, was zwischenzeitlich zu öffentlichkeitswirksamen Protesten in der Belegschaft führte. Während des Wahlkampfs für die französischen Parlamentswahlen 2024 hatte Europe 1 unter anderem den bekannten Polemiker Cyril Hanouna eine tägliche Show moderieren lassen. Hanouna präsentierte auch eine Show bei einem anderen Sender, bei der er Aussagen gemacht hat, die bereits zu Geldstrafen Höhe von 7,5 Millionen Euro  geführt haben. Journalistinnen und Journalisten, die für die neue Show arbeiteten, behaupteten, sie seien angewiesen worden, über bestimmte Geschichten nur so zu berichten, wie es Vincent Bolloré wünscht. Dabei habe man auch einen besonderen Schwerpunkt auf Verbrechen legen sollen, die von Einwanderern begangen worden sind. Die französischen Aufsichtsbehörden rügten Europe 1 kurz nach dem Start der Sendung, weil überproportional viele Gäste aus dem Lager der Rechtspopulisten kamen. 

Und so lässt sich nun wohl auch erklären, wieso der Saarländische Rundfunk dieses Kapitel seiner Geschichte schließen will. "Angesichts der Neuausrichtung von Europa 1 und der erfolgten Einstellung des Senderbetriebs ist eine weitere Beteiligung an der Gesellschaft Europa 1 für den Saarländischen Rundfunk nicht mehr sinnvoll", erklärt ein Unternehmenssprecher gegenüber DWDL.de. 

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