Stellenabbau, Gesellschafterkrieg und dann auch noch die Auseinandersetzung mit den Öffentlich-Rechtlichen rund um das Embedding der Mediatheken bei Joyn. Für ProSiebenSat.1 waren es ereignisreiche Monate. Oder wie es Markus Breitenecker, Chief Operating Officer (COO) und Vorstandsmitglied des Unternehmens, jetzt in einem Interview mit "Horizont" sagt: "Die letzten Monate waren wirklich ein wilder Ritt, und ich habe mich um viele operative und strategische Themen gekümmert."
Im Streit mit den Öffentlich-Rechtlichen rudert Unterföhring nun schon seit einiger Zeit erkennbar zurück. Den umstrittenen Beta-Test hatte man bereits vor einiger Zeit beendet, vor einigen Wochen versprach Breitenecker dann schließlich, es werde kein Embedding der Mediatheken in Eigenregie geben (DWDL.de berichtete). Im "Horizont"-Interview geht der Manager jetzt noch einen Schritt weiter. So erklärte Breitenecker, dass man aktuell gemeinsam an Lösungen arbeite - und die idealerweise bis zum Inkrafttreten des Reformstaatsvertrages Anfang Dezember stehen sollen.
"Dafür spielt auch das weitere Testen von Möglichkeiten eine wichtige Rolle. Denkbar ist beispielsweise eine qualifizierte Verlinkung, wie es die Öffentlich-Rechtlichen auch untereinander praktizieren. Wir wollen hier auf die Wünsche der ARD und ZDF eingehen und sie auch erfüllen, also beispielsweise ein barrierefreies Angebot schaffen, gewisse Kuratierungswünsche einhalten und kein Cherry-Picking machen", sagt Breitenecker, der betont, dass es ein starkes duales System brauche. "Aber dafür müssen wir kooperieren. Embedding ist die eleganteste Form und bietet eine Win-Win-Situation für alle."
Breitenecker räumt im Umgang mit den Öffentlich-Rechtlichen auch Fehler ein. So verweist er darauf, dass der Dialog mit ARD und ZDF über eine mögliche Kooperation bereits seit mehr als zwei Jahren laufe. Während dieser Zeit habe man in Österreich das Embedding-Modell umgesetzt und "sehr positive Erfahrungen gemacht". Breitenecker: "Unser Beta-Test in Deutschland Anfang des Jahres war für uns auch mit Blick auf den neuen Reformstaatsvertrag der nächste logische Schritt. Die Reaktionen haben uns aber gezeigt, dass wir die Zeitkomponente offenbar unterschiedlich eingeschätzt hatten." Den Dialog habe das alles dennoch intensiviert, so Breitenecker.
Im Interview mit "Horizont" spricht der ProSiebenSat.1-COO auch viel über Joyn und sein Lieblingsprojekt: Die Plattform zum "Superstreamer" zu machen. So sagt Breitenecker unter anderem, dass er davon ausgeht, dass die steigenden Werbeeinnahmen bei Joyn die Rückgänge im linearen Fernsehen überkompensieren werden. Zumindest im ersten Quartal 2025 ist das noch nicht gelungen. Auch in den Premium-Bereich Joyn Plus+ wolle man weiter investieren, auch wenn der Fokus auf AVoD liege.
Hier verfolgt ProSiebenSat.1 mit Joyn eine andere Strategie als RTL Deutschland, die bei RTL+ zwar auch auf mehr Werbeeinnahmen hoffen, aber vor allem auf zahlende Abonnentinnen und Abonnenten setzen. "Erstmals in der Geschichte unterscheiden sich die Strategien der beiden großen deutschen Privatmedienhäuser hier fundamental", sagt Markus Breitenecker. Dabei verweist Breitenecker auch noch einmal auf das, was man an dieser Front schon erreicht hat - und was in diesem Jahr zu erwarten ist. "2025 werden wir die 10-Milliarden-Grenze vermarktbarer Ad-Impressions überschreiten." Das zeige, dass Joyn ein starker Partner der Werbekunden sei.
Und auch in Sachen Reichweitenmessung hat Markus Breitenecker eine Meinung, was ja vor allem auch deshalb spannend ist, weil die Ermittlung der Quoten in Österreich im vergangenen Jahr umgestellt wurde. Dort werden die TV-Reichweiten nicht mehr anhand eines relativ kleinen Panels ermittelt, sondern auf Grundlage von mehr als 1,1 Millionen internetfähigen HbbTV-Geräten (DWDL.de berichtete). So etwas kann sich der ProSiebenSat.1-Manager auch für Deutschland vorstellen. "Das nächste große Ziel müssen [...] die Live-Daten sein, weil sie die Grundlage für eine TV-Planung in Echtzeit schaffen. In Österreich ist 2024 genau das gelungen."