Die Kölner Kanzlei WBS Law verkündete am Freitagmorgen einen Erfolg vor Gericht gegen den Streamingdienst Netflix. Demnach seien laut Urteil des Landgerichts Köln vergangene Preiserhöhungen unwirksam. Konkret ging es um einen Mandanten, der ursprünglich ein Netflix-Abo zum Preis von monatlich 11,99 Euro abgeschlossen hatte. Netflix erhöhte die Preise in den Jahren 2017, 2019 und 2022 jeweils schrittweise bis auf insgesamt 17,99 Euro. Strittig war dabei die Kommunikation dieser Preiserhöhungen. Die lief über sogenannte Pop-up-Fenster innerhalb der Plattform. Darin hieß es etwa: „Am … wird Ihr monatlicher Preis auf … erhöht“. Unterhalb dieser Ankündigung erschien ein Button mit der Aufschrift „Preiserhöhung zustimmen“. Alternativ wurde die Möglichkeit gegeben, ein „Downgrade“ seines Abos in Kauf zu nehmen. Ohne die eine oder Variante auszuwählen, hätte er Netflix nicht mehr nutzen können. Hierin sieht das LG Köln ein unzulässiges Verhalten von Netflix.

Das Gericht urteilte, dass es in diesem Kontext an einer echten Willenserklärung unseres Mandanten fehle. Er hatte die Einblendung nicht als freiwilliges Vertragsangebot verstanden, sondern als bloße Information über eine bereits beschlossene Preisänderung. Somit handele es sich nicht um ein Angebot von Netflix und es sei kein Änderungsvertrag zustande gekommen, so das LG. „Es geht nicht darum, ob irgendwo ein Button geklickt wurde. Es geht darum, ob dieser Klick eine rechtlich wirksame Zustimmung darstellt und genau das hat das LG nun völlig zu Recht verneint“, so Rechtsanwalt Prof. Christian Solmecke. „Wer den Eindruck erweckt, der Preis werde ohnehin erhöht, der kann sich nicht hinter einem Zustimmungs-Button verstecken.“

Besonders deutlich werde das Urteil in Bezug auf die AGB von Netflix. Die Klausel zur einseitigen Preisanpassung (Ziffer 3.5 der Netflix-AGB) wurde vom LG Köln für unwirksam erklärt. Die von Netflix verwendete Klausel sei demnach unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB, weil sie ausschließlich eine einseitige Preiserhöhungsbefugnis zugunsten des Anbieters vorsieht, ohne zugleich eine korrespondierende Verpflichtung zur Preissenkung bei gesunkenen Kosten zu enthalten. Eine solche einseitige Gestaltung benachteiligt den Kunden unangemessen. Das dem Kunden eingeräumte Kündigungsrecht vermag diese Unausgewogenheit nicht auszugleichen und führt nicht zur Wirksamkeit der Klausel, so das LG. Bereits gezahlte Preisaufschläge seit 2019 muss Netflix nun an Solmeckes Mandaten zurückzahlen. Die Richter des LG Köln urteilten am Donnerstag, dass der Mandant zur Zahlung der höheren Beiträge nie verpflichtet war und es an einer wirksamen Vertragsänderung fehlte. 

Während Solmecke von WBS Law in dem Urteil einen „Weckruf für die gesamte Digitalwirtschaft“ sieht, ordnet man die Entscheidung des Landgerichts Köln bei Netflix wenig überraschend etwas anders ein. „Die Entscheidung des Landgerichts Köln fällt aus dem Rahmen. Andere Gerichte haben bei derselben Sachlage Gegenteiliges entschieden und unsere bisherigen Preiserhöhungen in Deutschland aufgrund ausdrücklicher Einwilligungen unserer Mitglieder als wirksam anerkannt“, erklärt eine Netflix-Sprecherin am Freitag auf DWDL-Anfrage. Doch bei WBS Law sieht man die Rechtsauffassung des Landgerichts Köln in Einklang mit anderen Entscheidungen. Im konkreten Einzelfall muss Netflix nun knapp 200 Euro an Solmeckes Mandanten für alle überhöhten Zahlungen seit 2019 zurückzahlen. Ansprüche aus den Jahren 2017 und 2018 seien verjährt, da die Rückzahlungsansprüche der Regelverjährung von drei Jahren (§§195, 199 BGB) unterliegen und deswegen die „Zuvielzahlung“ trotz unwirksamer Klauseln nicht zurückgefordert werden können.

Und genau dieser Hinweis ist wichtig: Nach Auskunft von Netflix erfolgte die letzte Preiserhöhung bei der die strittige Kommunikation genutzt wurde, im Jahr 2021. Ansprüche aus diesem Zusammenhang sind dementsprechend, mindestens teilweise, verjährt. Und bei der jüngsten Preiserhöhung von Netflix im vergangenen Jahr hatte Netflix parallel zum laufenden Verfahren nach eigenen Angaben schon mal vorsorglich die Kommunikation verändert, so dass das jetzige Urteil in dem Fall keine Anwendung findet. Zweifelsohne hat WBS Law also neben den knapp 200 Euro eine nachhaltige Veränderung in Form von transpareterer Kommunikation für alle Netflix-Kundinnen und -Kunden erwirkt.

Christian Solmecke: „Das Urteil macht klar: Die Zeit der stillschweigenden Preisänderungen ist vorbei. Auch Streaminganbieter müssen sich an geltendes Recht halten und können ihre Preise nur mit Zustimmung der Kunden oder bei Neuverträgen erhöhen. Wer einen Streamingvertrag abschließt, darf darauf vertrauen, dass sich die Konditionen von Anbietern wie Netflix nicht einseitig verändert werden.“ Irritiert ist man allerdings bei Netflix über die Auffassung von WBS Law, dass „Millionen Netflix-Nutzer nun ihre zu viel gezahlten Beiträge der letzten Jahre zurückfordern“ könnten. Ein Eindruck, der sich am Freitag jedoch in Windeseile durch entsprechend spektakulär aufgezogene Berichterstattung im Netz verbreitete. Die Zahl der Fälle und die Höhe der Summen dürfte überschaubarer sein als es manche Schlagzeile suggeriert.