Vor einem Jahr ist in Unterföhring etwas bemerkenswertes passiert: Auf der damaligen Hauptversammlung von ProSiebenSat.1 demonstrierten die beiden Großaktionäre Media for Europe (MFE) und PPF ihre Macht. Gegen den Willen von Vorstandes und Aufsichtsrat brachten sie etliche eigene Punkte auf dem Aktionärstreffen durch. Nach rund achteinhalb Stunden war die Hauptversammlung vorbei - und ProSiebenSat.1 ein anderes Unternehmen. In Unterföhring weiß man seither, dass man nichts ausrichten kann, sollten sich Italiener und Tschechen einig sein. 

Doch schon damals war unklar, wie lange das Bündnis zwischen Prag und Mailand tatsächlich halten wird. Und tatsächlich bekam die Allianz in den vergangenen Wochen einige Risse. Zunächst kündigte MFE ein Übernahmeangebot an, nachdem man lange rund 30 Prozent an ProSiebenSat.1 gehalten hatte. Finanziell war die Offerte allerdings nicht sonderlich attraktiv - und kurz danach machte auch PPF den übrigen Aktionärinnen und Aktionären ein, finanziell deutlich attraktiveres, Angebot. ProSiebenSat.1 hatte zuletzt empfohlen, das MFE-Angebot nicht anzunehmen. Das hat auch in Mailand niemanden überrascht. 

Nun hat dieser Kampf der beiden großen Gesellschafter um mehr Anteile auf der am Mittwoch stattfindenden Hauptversammlung von ProSiebenSat.1 nur bedingt Einfluss, schließlich laufen die jeweiligen Angebote noch. Das heißt: Aktuell herrschen die bekannten Machtverhältnisse. MFE steht bei rund 30 Prozent, PPF bei etwa 15 Prozent. Und dennoch wird natürlich besonders im Mittelpunkt stehen, ob MFE und PPF auch dieses Mal zusammenarbeiten - oder ob sie auf der Hauptversammlung gegensätzliche Strategien verfolgen. Haben MFE und PPF am Mittwoch unterschiedliche Interessen, kommt es darauf an, wie viele übrige Aktionärinnen und Aktionäre teilnehmen - und auf welche Seite sie sich schlagen. 

Entlastung für Andreas Wiele? 

Die Voraussetzungen sind in diesem Jahr allerdings gänzlich andere als 2024. In der Tagesordnung kann man erst einmal nur wenig Konfliktpotenzial erkennen. Nach einigen Formalien wird es spannend, wenn es um die Wahlen zum Aufsichtsrat geht. Hier stellen sich Katrin Burkhardt, Simone Scettri und Maria Kyriacou zur Wahl. Während es für die ersten beiden eine Wiederwahl wäre, könnte Kyriacou neu in das Gremium einziehen. Der aktuelle Aufsichtsrat hält sie für eine geeignete Wahl. Schafft sie es in das Aufsichtsgremium, will Kyriacou auch Vorsitzende werden und Andreas Wiele beerben, der sich in den zurückliegenden Monaten mit MFE praktisch nie einig war. Wiele hatte bereits im Januar angekündigt, nicht erneut zu kandidieren.

Kyriacou gilt als gute Kompromisskandidatin mit viel Medienerfahrung (u.a. Paramount, Disney, ITV Studios), aber stimmen tatsächlich beide Großaktionäre zu? Für Andreas Wiele könnte es dagegen eine bittere Hauptversammlung werden: Sein Zerwürfnis allen voran mit MFE ist seit Monaten sehr offensichtlich. In der Pressemitteilung zu seinem Abgang formulierte es Wiele noch diplomatisch ("Die Aktionärsstruktur und die Zusammensetzung des Aufsichtsrats hat sich seit meinem Amtsantritt 2022 stark verändert"), im Umfeld von ProSiebenSat.1 wissen aber alle: Wiele und MFE können nicht miteinander. Ob die Hauptversammlung ihm angesichts dessen die Entlastung gewährt? Man kann zumindest ein Fragezeichen dahinter setzen. Echte Konsequenzen hätte das zumindest für ProSiebenSat.1 aber nicht. 

Keine Gegenanträge - was heißt das?

Anders als noch im vergangenen Jahr haben die Großaktionäre dieses Mal außerdem keine eigenen Anträge gestellt, also auch keine Gegenanträge zur Wahl von Mitgliedern des Aufsichtsrates. Das macht es wahrscheinlicher, dass sie die von ProSiebenSat.1 nominierten Kandidaten unterstützen. Scettri dürfte fix sein, er ist ohnehin ein MFE-Mann. Dass MFE und PPF hier nicht mit eigenen Kandidaten ins Rennen gehen, ist einfach zu erklären. Seit der letzten Hauptversammlung haben sich die Stimmanteile der Unternehmen an ProSiebenSat.1 nicht wesentlich erhöht, schon damals weiteten Tschechen und Italiener ihren Einfluss im Aufsichtsgremium deutlich aus. Mehr Mitglieder sind wohl erst dann möglich, wenn eines der Unternehmen seine Anteile aufstockt. 

Später muss die Hauptversammlung unter anderem noch über einen Beherrschungsvertrag zwischen der ProSiebenSat.1 Media SE und der Joyn GmbH abstimmen. Damit will man ein Zeichen setzen und Joyn dauerhaft und zentral in die Konzernstruktur integrieren, es geht auch um steuerliche Vorteile, die sich ProSiebenSat.1 von einem solchen Schritt verspricht. Im vergangenen Jahr hatte die HV einen ähnlichen Plan noch abgelehnt. Auch in diesem Jahr dürfte es in diesem Punkt interessant werden, generell stehen die Chancen aber gut, dass die Aktionärinnen und Aktionäre dem Punkt zustimmen. Im letzten Jahr ist dieser Tagesordnungspunkt auch vor dem Hintergrund der generell eher feindlichen Stimmung von der Hauptversammlung abgelehnt worden. 

Ob die Hauptversammlung es dem ProSiebenSat.1-Management aber tatsächlich erlaubt, eigene Aktien zu erwerben, steht in den Sternen. Ebenso wie der Punkt 14, über den die HV abstimmen soll: Schaffung eines neuen genehmigten Kapitals. Dabei geht es im Prinzip um die Möglichkeit des Vorstandes, neue Aktien ausgeben zu dürfen. Das ist für bestehende Aktionäre insofern relevant, weil ein solcher Schritt ihre Anteile verwässern würde. Das kann vor allem MFE und PPF nicht recht sein - Ausgang ungewiss. Insgesamt dürfte es 2025 aber weniger kontrovers zugehen als 2024, damals brachte vor allem MFE mehrere Gegenanträge ein und es kam zu offenen Kampfabstimmungen. 

All Eyes on MFE und PPF

Fragen werden Bert Habets & Co. sicherlich zur eingeschlagenen Strategie beantworten müssen. Zwar hat ProSiebenSat.1 in den zurückliegenden Wochen einige Schritte in die angestrebte Richtung gemacht und Beteiligungen, die nicht auf das Kerngeschäft Unterhaltung einzahlen, verkauft. Noch hat man aber viele weitere Beteiligungen im Portfolio (DWDL.de berichtete). Möglicherweise kann Habets auch noch weitere Details zum Stellenabbau ankündigen, den man Anfang Mai kommuniziert hatte. Erwartet wird auch ein Update zu den möglichen Regressforderungen, die der Konzern an seine ehemaligen Vorstande Rainer Beaujean und Peter Gierig im Zuge des Jochen-Schweizer-mydays-Debakels richten könnte. 

Und doch werden alle Beobachter vor allem auf das schauen, was PPF und MFE tun. Sollten sich die beiden Großaktionäre am Mittwoch und auch in der Zukunft bei wichtigen Entscheidungen blockieren, wäre das für Unterföhring eine Art Worst Case, wobei das noch längst keine ausgemachte Sache ist. In der grundsätzlichen Stoßrichtung sind sich Mailand und Prag einig. Jetzt geht es um die konkrete Ausgestaltung - und wer künftig wie viel mitzureden hat. Die Hauptversammlung könnte ein erster Schritt in diese Zukunft sein und das hat dann Konsequenzen weit über diesen Mittwoch hinaus. 

DWDL.de berichtet am Mittwoch ab 10 Uhr in einem Liveticker von der ProSiebenSat.1-Hauptversammlung.