Bevor am Dienstagabend das Festival des diesjährigen Seriencamps mit der WDR/ORF-Serie "Hundertdreizehn" eröffnet wird, stand zuvor schon der erste Conference-Tag mit zahlreichen Vorträgen und Panels auf dem Programm. Dabei kam gleich mehrfach die schwierige Lage für viele Film- und Serienmacher zur Sprache, weil Sender und Streamer längst nicht mehr so viel Geld in die Hand nehmen wie noch vor wenigen Jahren. Alle Beteiligten gaben sich aber Mühe, nicht allzu sehr in Schwarzmalerei zu verfallen.
Von einer "seltsamen Zeit" sprach Gerhard Maier, Program Director des Seriencamps, in seinen Begrüßungsworten. In vielen Bereichen würden sich die Grundlagen aktuell stark ändern. Aber: "Storys, die den Unterschied machen, können ein Kompass in dieser Zeit sein." Maier erklärte daher auch, dass er hoffe, dass sich die Besucherinnen und Besucher des mittlerweile elften Seriencamps nicht auf die negativen Auswirkungen des Wandels fokussieren. Stattdessen sollten sie von der Veranstaltung Innovation und Inspiration mitnehmen.
Für Inspiration sorgte direkt im Anschluss Markus Schäfer, Chef von ZDF Studios. In einer kurzen Rede zu Beginn des Seriencamps hob er zwar den guten "Track Record" Deutschlands hervor, gleichzeitig unterstrich er das erhebliche Verbesserungspotenzial, das man heben müsse - auch in Zusammenarbeit mit der Politik. "Uns fehlt eine koordinierte Strategie, um das globale Potenzial unserer Filmindustrie voll auszuschöpfen, so Schäfer. Und weiter: "In unserer Branche gibt es immer noch kein ‘made in germany’, das weltweit als Markenzeichen für Innovation, Kreativität und hohe Qualität anerkannt ist." Als Länder, die es besser machten, nannte der Chef von ZDF Studios Südkorea, Frankreich, Japan und Spanien.
Schäfer spielte damit auch auf die in der letzten Legislaturperiode fehlgeschlagene, vollumfängliche Reform der Filmförderung an. Gleichzeitig machte er deutlich, dass die aktuellen Veränderungen auch große Chancen bieten würden - allen voran die "America first"-Politik von Donald Trump. Die USA haben mit ihren Serien und Filmen lange die Branche - und auch ein Stück weit die Gesellschaft - stark geprägt, auch hier in Deutschland. Dieser Trend ist schon seit einiger Zeit rückläufig - und Markus Schäfer glaubt, dass Trump das mit seiner Politik noch beschleunigt. "America first" werde die weltweite Akzeptanz amerikanischer Kulturprodukte wahrscheinlich verringern, sagt er. Das werde US-Player wohl dazu veranlassen, verstärkt in lokale Inhalte zu investieren. "Die Werteverschiebung hat ein Vakuum geschaffen, das wir als Chance sehen sollten", sagte Schäfer.
"In unserer Branche gibt es immer noch kein ‘made in germany’, das weltweit als Markenzeichen für Innovation, Kreativität und hohe Qualität anerkannt ist."
Markus Schäfer, Chef von ZDF Studios
Um von der vermeintlich stärker werdenden Abkehr von US-Serien und Filmen zu profitieren, müsse aber auch der Staat etwas tun, zeigte sich der ZDF-Studios-Chef sicher. "Wenn Deutschland Kultur als strategisches Wirtschaftsinstrument und als kulturpolitisches Instrument zur Stärkung der nationalen und europäischen Identität anerkennt, indem es die gesellschaftliche Wirkung von Serien und anderen kreativen Produkten nutzt, kann es eine stärkere Kulturwirtschaft und ein neues wirtschaftliches Selbstverständnis im globalen Wettbewerb entwickeln."
Noch bevor staatliche Förderprogramme greifen und Deutschland ein neues, kulturelles Selbstverständnis entwickelt, steht aber natürlich immer die Idee, die möglichst einzigartig und stark umgesetzt werden sollte - und ein meist langwieriger Freigabe-Prozess durch die Auftraggeber. Das kann für Kreative bisweilen sehr nervenaufreibend sein. Ideen, wie man diesen Prozess möglichst smooth durchlaufen kann, präsentierte Tim Biedert, der lange bei Paramount arbeitete und inzwischen als freiberuflicher Producer unterwegs ist.
"Your Series Concept is Amazing, But … – 20 Reasons for Project Rejections and What to Learn From These" hieß der Vortrag von Biedert, in dem er einige offensichtliche Punkte nannte. Das jeweilige Projekt könnte etwa nicht zur anvisierten Zielgruppe oder zur Markenidentität des Senders bzw. Streamers passen. Inhaltliche Gründe könnten sein: Das Projekt ist zu nischig, ein ähnliches Projekt ist schon freigegeben worden oder die Idee ist zu nah an dem Format eines Konkurrenzen. Potenzielle Auftraggeber könnten auch ablehnen, wenn sie glauben, dass das Format im Ausland nicht gut genug performe - oder, wenn es im Marketing keine ausreichenden Anknüpfungspunkte gibt.
... eine gute Serie alleine reicht nicht
Vor allem im Punkt des Marketings redete Biedert den Kreativen ins Gewissen: Es gehe nicht nur darum, eine gute Serie zu machen, sondern auch darum, das Grundrauschen zu durchbrechen. Zwar beauftragen Sender und Streamer weniger als vor einigen Jahren, dennoch ist die Zahl an Serien und Filmen so hoch, dass man es erst einmal schaffen muss, die Aufmerksamkeit der Menschen zu ergattern. Gespräche und Inputs aus dem Marketing oder auch der Presseabteilung solle man daher unbedingt ernst nehmen, sagt Biedert.
Passend zu Biederts Vortrag gab es im Anschluss auch noch ein Panel, in dem es um Strategien ging, eine möglichst reibungslose Freigabe durch Auftraggeber zu bekommen. Hier wurden dann wieder die Herausforderungen deutlich, denen sich die Branche aktuell ausgesetzt zieht. "Es ist hart und wird immer schwieriger. Vor ein paar Jahren wurde fast alles verkauft, es hat sich zumindest so angefühlt", sagte Danna Stern, Produzentin bei In Transit Productions. Heute aber seien die Unternehmen ängstlicher geworden. Drehbuchautorin und Showrunner Marianne Wendt stimmte auch mit Blick auf den deutschen Markt zu. Es gebe mittlerweile einfach viel weniger Projekte als noch vor wenigen Jahren. Und gleichzeitig würde weniger experimentiert. "Alles, was unbekannt ist, soll vermieden werden."
Gehen Streamer nur noch auf Nummer sicher?
Einen Kontrapunkt in diese Debatte nahm Steve Matthews, Head of Scripted bei Banijay Entertainment ein. "There was too much television", sagte er über die Zeit des Peak TV. Der Rückgang sei nur folgerichtig gewesen. Und: Vieles, was jetzt nicht mehr produziert würde, habe es auch nicht verdient. "Ich glaube nicht, dass Streamer nur noch die vermeintlich sichere Option freigeben", sagte er zum Thema Experimente.
Eine Möglichkeit, wie auch im Jahr 2025 noch große und teure Serien produziert werden können, sind internationale Koproduktionen. Kein Wunder, dass dies ein Schwerpunkt bei der diesjährigen Seriencamp Conference ist. Am ersten Tag der Veranstaltung sprachen auf dem Panel "Meet the European Commissioners" Verantwortliche aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Belgien, Dänemark, Norwegen, Finnland, Frankreich und Italien über das, was sie aktuell suchen und worauf es ihnen dabei ankommt. In dem Panel "Writing European?" ging es zudem um das Für und Wider europäischer Writing Rooms.