Braucht es in Deutschland wirklich noch einen neuen Streamingdienst? Matthias Heinze ist davon überzeugt. Alles andere käme freilich einer echten Überraschung gleich, schließlich steckt der Manager von Warner Bros. Discovery gerade, wie er sagt, "mit Hochdruck in den Vorbereitungen" des Deutschlandstarts von HBO Max. "Extern herrscht noch Ruhe vor dem Sturm, intern sind wir aber schon mittendrin", erklärte der SVP Commercial und Managing Director des Konzerns, am Montag auf dem Mediengipfel der ANGA COM.

Einen konkreten Launch-Termin hatte Heinze in Köln noch nicht im Gepäck, doch 2026 soll es bekanntlich losgehen – und noch in diesem Jahr werde man das Datum mitteilen, kündigte er an. Dabei gehe es gar nicht darum, mit HBO Max eine Lücke zu füllen, sagte Heinze. "Wir launchen den Service allerdings in einem Markt, der nach wie vor stark wachsend ist." So habe sich die Zahl der Streaming-Abos bei den deutschen Kunden in den vergangenen Jahren mehr als verdoppelt. Und überhaupt, man wisse ja, dass die eigenen Inhalte funktionieren. "Wir sind auf fast allen Plattformen mit unseren Inhalten vertreten. Da ist es die logische Konsequenz, sie bei einem großen Streamingdienst zusammenzubringen." Deshalb sei er sicher, "dass wir im Markt noch Platz und viele Abonnenten finden werden."

Es klingt an diesem frühen Nachmittag in Köln erstaunlicherweise gar nicht nach Krise, auch wenn die Branche inmitten einer solchen steckt – allen voran freilich die klassischen Sendergruppen, die mit ihren linearen Kanälen seit Jahren mit rückläufigen Werbeeinnahmen zu kämpfen haben und sich, so wie ProSiebenSat.1, eine Sparrunde nach der nächsten verordnen. Doch selbst Henrik Pabst, Geschäftsführer und Chief Content Officer der Seven.One Entertainment Group, zeigte sich "mit der Reise der letzten 18 Monate ganz zufrieden". So sei es gelungen, Joyn als kostenloses Angebot "sehr gut" zu etablieren, wichtige Sportrechte zu erwerben und Talente wie Joko und Klaas zu binden. "Trotzdem", räumte er im Gespräch mit DWDL.de-Chefredakteur Thomas Lückerath ein, "sind wir irgendwo in der Transformation, die wahrscheinlich nie aufhört."

Auf dem Mediengipfel der ANGA COM führte Pabst zudem noch einmal aus, was er vor einigen Monaten meinte, als er erklärte, dass Mittelmaß "nicht mehr finanzierbar" sei. So wolle man sich darauf konzentrieren, Inhalte zu finden, mit denen man das Publikum gleichermaßen linear wie non-linear erreiche. Wie fließend der Übergang in Wahrheit ist, wissen auch Pabsts Konkurrenten, die neben ihm auf der Bühne saßen. Christoph Schneider etwa, verantwortlich für Prime Video in Deutschland und Österreich, hat unlängst einen linearen Sender gestartet, dessen Programm mittlerweile sogar in Programmzeitschriften abgedruckt wird. Es gehe darum, "das Beste von Prime programmieren" und den Kunden "die Tiefe des Portfolios" aufzuzeigen, erklärte er den Schritt.

"Trend zum Drittabo"

Für Sky ist der Spagat zwischen beiden Welten schon seit vielen Jahren gelebte Realität. "Wir sehen, dass es unterschiedliche Verhaltensweisen und Vorlieben gibt, wie Content geschaut wird", sagte Elke Walthelm, Chief Operation Officer bei Sky. Nach wie vor gebe es eben "viele, die noch die Fernbedienung in die Hand nehmen und lineares Fernsehen sehen wollen." Dass Sky mit Wow noch eine weitere Marke betreibt, die ausschließlich auf Streaming setzt, hat sich nach Walthelms Darstellung ausgezahlt. Mit dieser zweigeteilten Markenstrategie spreche man unterschiedliche Zielgruppen an – offenbar mit Erfolg: Seit dem Rebranding von Sky Ticket zu Wow habe man die Kundenzahl um 50 Prozent steigern können.

Weiteres Wachstum im Streaming halten indes alle Marktteilnehmer für möglich. "Der Trend vom Zweit- zum Drittabo wird noch weitergehen", orakelte Elke Walthelm auf der ANGA COM. Und Eun-Kyung Park, Country Manager von Disney in Deutschland, Österreich und der Schweiz, hält Familien für einen Wachstumsmarkt. "Da geht immer noch was", sagte sie und verwies zugleich auf eine Partnerschaft mit Lidl, durch die man neuerdings auch jene Menschen für Disney+ begeistern möchte, die bislang weniger Geld für Streaming ausgeben.

Doch, da sind sich alle einig, vor allem bei älteren Zielgruppen herrscht auf dem Streaming-Markt noch Luft nach oben. "Natürlich prügeln wir uns alle um die Jüngeren, die mal hin- und herhüpfen, aber das ist ein anstrengendes Geschäft", betonte Amazon-Manager Christoph Schneider. Der Blick auf die deutsche Alterspyramide zeige dagegen, dass das Potenzial "ganz klar bei den Älteren liegt". Dort bestünden beim Streamingverhalten "die größten Lücken", so Schneider, der dann auch für den größten Lacher des Nachmittags sorgte. Angesprochen auf den Willen, nach dem Erfolg von "The 50" weitere Realityshows nachzulegen, sagte er: "Ein Frühling macht noch keinen Sommer." Wer möchte ihm da widersprechen?