Im Rahmen des geltenden fernsehzentrierten Medienkonzentrationsrechts sind die Zuschaueranteile wesentliche Grundlage für die Beurteilung von vorherrschender Meinungsmacht, wie die KEK auch in dem jetzt vorgelegten achten Konzentrationsbericht ausführt. Für die Ermittlung verwendet die KEK vor allem die von der Arbeitsgemeinschaft Videoforschung (AGF) in Kooperation mit der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) erhobenen und veröffentlichten Zuschaueranteile. Dazu heißt es im neuen Bericht der KEK: „Bei der Bestimmung der Zuschaueranteile bestehen gewisse Defizite, auf welche die KEK regelmäßig hinweist: eine unvollständige Datenbasis, eine unvollständige Erfassung der Außer-Haus-Nutzung und die gesetzliche Nichtberücksichtigung fremdsprachiger Programme.“ Konkret sind es vier Aspekte, die die KEK zu bedenken gibt, wobei die Mängel nicht gleichermaßen relevant und die Auswirkungen dementsprechend unterschiedlich groß ausfallen würden.

Veröffentlicht werden von der AGF nur Zuschaueranteile der AGF-Mitgliedsender und zum Teil derjenigen Veranstalter, die über eine Lizenz zum Bezug der Zuschaueranteilsdaten verfügen. Im Jahr 2023 waren laut KEK 98,6 % der Zuschaueranteile einzelnen Programmen zuzuordnen. Der verbleibende ‚Zuschaueranteilsrest‘ in Höhe von 1,4 % umfasst die nicht einzeln ausgewiesenen Zuschaueranteile der kleineren Free- und Pay-TV-Programme, Teleshoppingsender, des privaten Regionalfernsehens und der fremdsprachigen Programme. Das Urteil der KEK: Die zur Verfügung stehende Datenbasis bleibt damit im Ergebnis zwar unvollständig, jedoch in einem Umfang, der im Rahmen der Verhinderung vorherrschender Meinungsmacht vernachlässigbar ist. 

Weiterer Punkt der KEK im Sinne der Konzentration von Mediennutzung ist die Außer-Haus-Nutzung. Zwar erfasse die AGF in ihren Panel-Haushalten auch anwesende Gäste, doch das mache eben nur einen Teil der Out-of-Home-Nutzung aus. Aus dem KEK-Bericht: „Nicht berücksichtigt wird jedoch die Fernsehnutzung auf öffentlichen Plätzen (Public Viewing), in Hotels, Gaststätten und öffentlichen Einrichtungen wie z. B. Krankenhäusern, Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen und Gefängnissen.“ Im Sinne ihres Auftrags eine verständliche Forderung der KEK, allerdings ebenfalls kein neuer Aspekt.

Perspektivisch relevanter ist ein weiterer Aspekt den die KEK adressiert: In die Zuschaueranteile fließt die TV-Nutzung über Kabel, Satellit, Terrestrik und IPTV ein. Allerdings decken die von der AGF Videoforschung ausgewiesenen Zuschaueranteile die Nutzung von Livestreams im Internet nicht vollumfänglich ab. Bei der KEK heißt es: „Aus den Nutzungsangaben und Abrufzahlen zu einzelnen Programm-Streams lässt sich zwar das Meinungsbildungsgewicht einzelner Angebote abschätzen, eine einheitliche und umfassende Nutzungserfassung von Livestreams erfolgt jedoch nicht. Es wird auch keine einheitliche Gesamtnutzung für das lineare Fernsehen inklusive aller Livestreams ausgewiesen. Vereinzelt vorliegende Nutzungszahlen legen bislang „jedoch nicht den Schluss nahe, dass die gegenwärtig noch ungenaue Erfassung solcher Angebote die abgebildeten Marktverhältnisse signifikant verzerrt.“

Vierter Punkt mit einem konkreten Handlungsvorschlag für die Medienpolitik: Laut Medienstaatsvertrag sind in die Ermittlung des maßgeblichen Zuschaueranteils nur deutschsprachige Programme einzubeziehen. Der Gesetzgeber begründet die Ausklammerung fremdsprachiger Programme damit, dass ihr Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung in der Bundesrepublik Deutschland gering sei. Die KEK konstatiert: In Deutschland leben jedoch immer mehr Menschen mit Migrationshintergrund und auch das Angebot an fremdsprachigen Programmen wächst. 

Die Anforderungen an die Sicherung der Meinungsvielfalt, die sich aus dem Grundrecht der Rundfunkfreiheit ergeben, können sich aus Sicht der KEK deshalb nicht ausschließlich auf deutschsprachige Sendungen beziehen. So erscheint es nicht ausgeschlossen, dass auch ein fremdsprachiges Programm erheblichen Meinungseinfluss zumindest innerhalb der damit angesprochenen Bevölkerungsgruppe gewinnen kann, was für Deutschland insgesamt Relevanz zu erlangen vermag. Daher berücksichtigt die KEK auch bundesweit empfangbare fremdsprachige Programme sowie deutschsprachige Programme, die über eine ausländische Lizenz verfügen.

Solange der Gesetzgeber kein anderes Modell zur Vielfaltssicherung verabschiedet, schlägt die KEK in ihrem neuen Konzentrationsbericht daher als Minimalschritt in diese Richtung eine Änderung von § 61 Abs. 1 Satz 1 des Medienstaatsvertrags vor: „deutschsprachigen Programme“ durch „auf in ­Deutschland lebende Zuschauer ausgerichtete Programme“ zu ersetzen.

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