Fünf Jahre dauert die juristische Auseinandersetzung zwischen der Leipziger Journalistin und Filmemacherin Jana Bernhardt und RTL nun schon an. Der Fall ist komplex, zusammengefasst lässt sich sagen: Bernhardt hatte der RTL-Tochter infoNetwork (heute RTL News) 2017 einen fertigen Pilotfilm für ein Investigativformat vorgestellt. RTL zeigte sich demnach interessiert, zahlte aber nach Bernhardts Aussage nur einen "Dumpingpreis", auf den sie sich eingelassen habe, weil man ihr ein eigenes Format in Aussicht gestellt habe - zu dem es dann aber nie gekommen sei. Stattdessen wirft sie RTL "Formatklau" vor, was RTL bestreitet. Auch für weitere Filme fühlt sie sich nicht branchenüblich bezahlt. Mehr zu den Hintergründen des Rechsstreits an dieser Stelle.

Um RTL zu einer aus ihrer Sicht fairen Bezahlung zu zwingen, will Jana Bernhardt sich auf den sogenannten "Fairness-Paragraphen" im Urheberrecht berufen, ähnlich wie es die Drehbuchautorin Anika Decker einst aufgrund einer zu schlechten Entlohnung für ihre Arbeit an den Filmen "Keinohrhasen" und "Zweiohrküken" erfolgreich durchfocht. Die Regelung sieht einen "Fairnessausgleich" für Urheber vor, wenn die Vergütung für die Übertragung von Nutzungsrechten "unverhältnismäßig niedrig" ist.

Jana Bernhardt klagt daher auf Offenlegung der Werbeeinnahmen, die RTL im Umfeld ihrer Produktionen erzielt hat. Im Frühjahr 2024 urteilte das Landgericht Köln, dass RTL "umfassend Auskunft über Erträge und Vorteile" erteilen muss, was sich ausdrücklich auch auf die Einnahmen durch Spots "die unmittelbar vor der Sendung, während der Pausen und unmittelbar danach" gezeigt werden, erstreckt. RTL ging in Berufung - und scheiterte auch vor dem Oberlandesgericht. Eine Revision schloss das Gericht mangels grundsätzlicher Bedeutung des Urteils aus. Doch RTL wollte sich nicht geschlagen geben und zog mit einer Nichtzulassungsbeschwerde vor den Bundesgerichtshof. Der wies die Beschwerde mit Beschluss vom 3. Juli zurück.

Das Urteil ist damit rechtskräftig, RTL muss demnach sowohl noch ausstehende Produktionskosten erstatten als auch wie in den Urteilen festgelegt die Werbeeinnahmen offenlegen. Doch RTL ließ auch eine letzte Frist zur Erteilung dieser Auskunft verstreichen. Über ihre Anwälte der Kanzlei Spirit Legal hat Jana Bernhardt daher nun die Zwangsvollstreckung eingeleitet: Beim Landgericht Köln beantragte sie die Anordnung von Zwangshaft gegen die RTL-Geschäftsführung, namentlich Stephan Schmitter und Inga Leschek, um die Herausgabe der Informationen zu erzwingen. Ob das Landgericht diesem stattgibt, ist noch unklar, hilfsweise wurde die Festsetzung eines Zwangsgeldes beantragt.

Jana Bernhardt © Jana Bernhardt

Jana Bernhardt erklärt den Antrag auf Zwangshaft damit, dass das Zwangsgeld bei maximal 25.000 Euro liege, was RTL angesichts des jährlichen Umsatzes kaum stören würde. Sie sagt: "Im Laufe des 5-jährigen Verfahrens hat RTL keine Gelegenheit ausgelassen, Fristen bis zur Schmerzgrenze auszureizen. Man hatte offenbar darauf spekuliert, dass ich das finanziell nicht durchhalte, immerhin blieb mir der Sender fünf Jahre lang einen Großteil der Produktionskosten meines letzten Filmes schuldig. Die Verantwortlichen haben sich jahrelang unter dem Schutzschirm des Konzerns in Sicherheit gefühlt. Es ist ja nicht ihr eigenes Geld, das sie für diesen teuren Rechtsstreit investieren. Doch jetzt kommt eine persönliche Haftung auf sie zu, eine Verantwortung, der sie sich selbst stellen müssen."

Bei RTL will man sich auch nach dem Urteil des BGH nicht geschlagen geben und zieht nun vors Bundesverfassungsgericht. Eine RTL-Sprecherin teilte auf DWDL.de-Anfrage mit: "Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen, ist für uns nicht nachvollziehbar. Wir haben eine Verfassungsbeschwerde erhoben und wenden uns gleichzeitig mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Erteilung der Auskunft, bis das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsbeschwerde entschieden hat, da es sich aus unserer Sicht um eine grundsätzliche medienrechtliche Fragestellung handelt."

RTL bleibt dabei bei seiner Argumentation, die vor Landgericht und Oberlandesgericht bislang nicht verfangen hat. "Werbebuchungen erfolgen auf ganze Sendungen, nicht auf einzelne redaktionelle Beiträge. Die geltend gemachten Forderungen stehen zudem in keinem Verhältnis zur tatsächlichen Reichweite der Beiträge." Landgericht und Oberlandesgericht hätten der Klägerin zudem mehrfach zu einer einvernehmlichen Lösung geraten. Jana Bernhardt hatte schon nach dem Urteil des OLG erklärt, dass ihr  ein Vergleichsangebot seitens RTL erst am Ende der Berufungsverhandlung gemacht worden sei. Hier habe sie keinen Grund mehr gesehen, darauf einzugehen - und letztlich bekam sie in dem Punkt ja auch Recht.

Die Frage ist nun, wie es hinsichtlich der Zwangsvollstreckung weiter geht. Jana Bernhardt betont, dass die Verfassungsbeschwerde keine aufschiebende Wirkung und damit keinen Einfluss auf die Rechtskraft des Urteils habe. Bei RTL hofft man aber, mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung die Zwangsvollstreckung bis zu einem endgültigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts erst einmal aussetzen zu können. Gelingt das nicht, dürfte man sich in Köln wohl letztlich fügen - so weit, die weitere Geheimhaltung der Werbeeinnahmen im Umfeld der fraglichen Sendungen mit der Haft von Inga Leschek und Stephan Schmitter zu erkaufen, wird man schließlich kaum gehen.

Damit bleibt vorerst weiter abzuwarten, ob Jana Bernhardt jetzt tatsächlich an ihrem ersten Zwischenziel angekommen ist. Der zweite Schritt, also die Durchsetzung erhöhter Ansprüche auf Basis des Fairnessparagraphen, stünde ja in jedem Fall noch aus. Der Rechtsstreit wird RTL, Jana Bernhardt und die Justiz also noch eine ganze Weile beschäftigen. Bislang sieht sie sich durch die Auseinandersetzung aber gestärkt: "Viele haben mich gewarnt, das sei beruflicher Suizid - ein Kampf David gegen Goliath. Aber das Gegenteil ist der Fall. Ich habe unendlich viel Zuspruch und Unterstützung von Verbänden und auch von Auftraggebenden und Geschäftspartner:innen erfahren", sagt Bernhardt. Sie hoffe daher "von ganzem Herzen, dass so viele Kolleg:innen wie möglich es mir gleichtun und gegenüber RTL ihre Rechte auf faire Bezahlung geltend machen."

Jana Bernhardt sieht bei RTL unterdessen nicht nur ein "strukturelles Problem" beim Schutz von Ideen und Formaten, sondern auch im Umgang mit Frauen. "Ich sage ganz klar: Einem männlichen Produzenten wäre es nicht passiert, dass ihm RTL sein eigenes Format wegnimmt." Nach wie vor seien aus ihrer Sicht "patriarchiale Strukturen" präsent. "Auf den Stühlen der oberen Ränge und der Chefredaktion sitzen die gleichen Männer, die sich nicht dafür schämen, die Idee einer externen Journalistin zu übernehmen." Für RTL wird das Thema jedenfalls womöglich nicht nur juristisch nicht so schnell abgeschlossen sein: "Ich glaube, meine Hartnäckigkeit in diesem Prozess, mein Mut, so laut wie möglich öffentlich darüber zu sprechen und in naher Zukunft alle Missstände 'Inside RTL' medial öffentlich zu machen, werden helfen, Frauen in der Medienlandschaft hörbarer und sichtbarer zu machen."

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